Mitleidige Blicke am Valentinstag

Single Shaming: Die Krux, glücklich alleine zu sein

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

Single zu sein, bedeutet: viel bemitleidet zu werden. Und manchmal bemitleidet man sich auch selbst. Die neue Kolumne über Single Shaming von Gesellschaftsredaktorin Isabelle Dahinden.

«Wössed Sie, es liid ned a ehne. Mer hend eus äbe för es Päärli entschede.»

Also liegt’s doch an mir. «Keeeein Problem! Absolut nachvollziehbar», säusele ich in mein Handy, kritzle ein Stinkfinger auf das Blatt Papier, während ich mich von der Immobilienverwalterin verabschiede.

Was soll ich sagen: Die Wohnungssuche läuft. Zum Glück gibt’s noch Wohnungsinserate mit der Überschrift «Die perfekte Singlewohnung», «Wohnung sucht Single», «Ideal für Einsame – Büsis verboten». Natürlich zu vollkommen überrissenen Preisen.

Single Shaming? Nein danke

Es gibt Menschen, die quält mein Beziehungsstatus viel mehr als mich selbst. Die geben mir das Gefühl, etwas stimme nicht mit mir. Der Richtige kommt schon noch, raunen sie mir zu. Und überreichen mir eine Serviette mit drei Handynummern drauf. «Anton hat bei uns neulich den Strom abgelesen. Er ist in deinem Alter, weisst du. Und sehr, sehr nett. Bärtig dazu.»

Verkupplungsversuche sind lieb gemeint. Sie geben mir aber das Gefühl, selber nichts auf die Reihe zu kriegen. An die bemitleidenden Blicke hab ich mich mittlerweile gewöhnt. So wie letztens am Valentinstag, ich war mit Kolleginnen zum Essen verabredet. Ich war zu früh da, setzte mich alleine an den Tisch. Der Kellner kam, reichte mir ein Glas Prosecco. Ringsum warfen mir verliebte Pärchen mitleidige Blicke zu. Ich sass da, lachte verzweifelt in mein Prosecco-Glas.

Gibt es eigentlich auch Relationship Shaming? Letztens, da traf ich mich mit einer alten Freundin. Sie ist seit fünf Jahren mit einem Mann zusammen. «Oh jee! Sooooo lange schon. Was möchemer? Stresst’s di?», fragte ich sie. Zum Glück kenn ich da noch ein anderes Paar. Bei der geplanten Party am Wochenende lad ich das auch ein. Sonst fühlt sich das eine Paar doch so alleine unter all den Singles.

Der knallharte Alltag eines Singles

Klar, gibt’s Situationen, in denen mich das Single-Dasein echt nervt. Etwa beim Brotkaufen. Zwischen Gipfeli und Mini-Bürli und halbkiloschwerem Brotmocken steht ja kein wirkliches Brot für den Single-Haushalt zur Auswahl.

Es sind diese klitzekleinen Dinge im Alltag, die mich zur Weissglut bringen. Letztens mühte ich mich minutenlang damit ab, den Reissverschluss meines Kleides am Rücken irgendwie zu öffnen. Zwei Pausen legte ich ein, so anstrengend war das. Schlussendlich klingelte ich bei meinem Nachbarn. Weil der unten in der Kebab-Bude war, rannte ich runter, um den Mann am Drehspiess zu fragen, ob er mir da kurz helfen könne.

Von der ernsthaften Benachteiligung, dass Singles und Alleinstehende finanzielle und soziale Nachteile haben, einmal abgesehen (Wissenschaftlerin Bella DePaulo, selbst «Single at heart» zeigt das ganz gut auf. Wie Singles stigmatisiert werden, Beziehungen und Hochzeiten stattdessen extrem gefeiert und gehypt werden), nervt es mich schon, wenn ich ein Glas Prösi trinken will und die ganzen Blässchen tags darauf schon verpufft sind.

Vor ein paar Tagen habe ich deswegen in einen Sektflaschenverschluss investiert. Freunde: Das waren die besten 8.95 Franken, die ich als Single-Frau in meinem ganzen Leben ausgegeben habe.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von franziska.roten
    franziska.roten, 19.02.2022, 21:32 Uhr

    „Es kommt dann schon noch die Richtige“ 🙄 Wenn ich dafür jedes Mal einen Fünfräppler bekäme, könnte ich die Staatsschulden begleichen 😆

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