Haftvollzug im Ausland

So wenige ausländische Verurteilte schickt Zug nach Hause

Thomas Werner möchte, dass die Abschiebung ausländischer Gefangener konsequenter umgesetzt wird. (Bild: zvg)

Der Zuger SVP-Kantonsrat Thomas Werner möchte, dass mehr ausländische Verurteilte in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, um da ihre Haft abzusitzen. Die Antwort der Regierung zeigt, dass es in den letzten 20 Jahren nie dazu gekommen ist.

Ausländische Verurteilte sollen konsequenter in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, um da ihre Haft abzusitzen. So zumindest, wenn es nach dem Zuger SVP-Kantonsrat Thomas Werner gehen sollte. Im vergangenen Sommer reichte er eine entsprechende Interpellation ein, um sich nach dem aktuellen Stand im Kanton Zug zu erkundigen (zentralplus berichtete).

Schweizer Gefängnisse sind laut Angaben des Bundesamts für Statistik zu knapp 88 Prozent belegt – der Ausländeranteil liegt bei 69 Prozent (Stand April 2023).

Die Folgen? «Explodierende Kosten oder Platzmangel, um nur einige zu nennen», wie Werner in seiner Interpellation geschrieben hat. Für ihn sei die hohe Auslastung erstaunlich, «denn die Schweiz hätte die Möglichkeit, ausländische Gefangene an ihre Herkunftsländer zu überstellen», hielt er gegenüber zentralplus fest.

Kein einziger ausländischer Inhaftierter wurde aus Zug überstellt

Nun liegt die Antwort der Regierung vor. Diese führt auf, dass der Kanton Zug seit 2004 keine Inhaftierten überführt hat, die ihre Strafe in der Schweiz angetreten haben. In zwei Fällen habe er erfolgreich ein Antrag auf stellvertretende Strafvollstreckung in Deutschland gestellt. «Die betroffenen Personen wurden mit Zuger Strafurteilen verurteilt, hielten sich aber nicht mehr in der Schweiz auf und widersetzten sich einem Strafantritt in der Schweiz», heisst es.

Umgekehrt seien auch keine Gefangenen aus dem Ausland in den Kanton Zug überstellt worden.

Verurteilte ausschaffen: Das gilt

Das «Über­ein­kommen über die Überstellung verurteilter Personen» aus dem Jahr 1983 und das Zusatzprotokoll aus dem Jahr 1997 bilden die Grundlage. Diese Erlasse erlauben es, Personen, die ausserhalb ihres Heimatstaates zu einer freiheitsentziehenden Sanktion – also einer Strafe oder Massnahme – verurteilt worden sind, unter bestimmten Voraussetzungen für die Verbüssung der Sanktion in ihren Heimatstaat zu überstellen. Die Schweiz ist dem Überstellungseinkommen im Jahr 1988 beigetreten, dem Zusatzprotokoll 2004.

Um ausländische Gefangene zurückzuführen, braucht es die Zustimmung beider Länder und der verurteilten Person. Ausserdem muss ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil vorliegen und mindestens sechs Monate der Strafe müssen noch zu verbüssen sein.

In sechs Fällen wäre eine Ausschaffung infrage gekommen

Werner wollte weiter wissen, wie viele Überstellungen in die Herkunftsländer gemäss Gesetzesgrundlage «grundsätzlich möglich» wären.

Gemäss Regierung gibt es derzeit sechs Fälle, bei denen eine Überstellung «grundsätzlich in Frage kommen würde». Doch scheinen dem Kanton die Hände gebunden zu sein. «Allerdings sind die Voraussetzungen für eine Überstellung in keinem der sechs Fälle erfüllt», schreibt die Regierung. Entweder habe das Heimatland das Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen nicht ratifiziert – wie beispielsweise Afghanistan oder Sierra Leone.

«Grundsätzlich besteht ein Interesse daran, Überstellungen wenn immer möglich durchzuführen.»

Die Zuger Regierung in ihrer Antwort

Es gäbe aber auch noch andere Gründe: Personen waren mit der Überstellung nicht einverstanden, es lag keine rechtskräftige Aus- oder Wegweisungsverfügung vor. Oder die verbleibende Reststrafe war zu kurz, bis das rechtskräftige Urteil vorlag.

«Zeit- und kostenintensiv», meint die Regierung

Trotz der Fakten untermauert die Regierung jene Ansicht: «Grundsätzlich besteht ein Interesse daran, Überstellungen wenn immer möglich durchzuführen.»

Jedoch seien solche Verfahren zeit- und kostenintensiv. Ein Überstellungsverfahren dauere in der Regel «deutlich länger als sechs Monate», bei zwangsweisen Überstellungen mindestens ein Jahr. Deswegen müsse, nachdem ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, eine Reststrafe von mehr als einem Jahr vorhanden sein. Dies, damit der Betroffene nach der Überstellung überhaupt noch eine gewisse Strafdauer im Heimatland verbüssen muss und der mit einer Überstellung verbundene Aufwand gerechtfertigt sei. Erschwerend komme hinzu, dass Heimatländer nicht dazu verpflichtet sind, einem Überstellungsgesuch zuzustimmen.

«Alles Ausreden», kontert der SVP-Kantonsrat

Für Thomas Werner sind dies alles «Ausreden». Der Fakt, dass der Kanton Zug seit 2004 keine einzige inhaftierte Person in ihr Heimatland überstellt hat, überrascht ihn. «Und es zeigt mir, dass bei der Zuger Regierung und auch bei der Justiz absolut kein Wille erkennbar ist, diese Möglichkeit auszunutzen.» Und dies, obwohl die Gesetzesgrundlage dafür geschaffen wurde und auch die Bevölkerung kriminelle Ausländer ausschaffen wolle.

Damit spricht Werner die Ausschaffungsinitiative der SVP an, die das Schweizer Stimmvolk 2010 mit 52,9 Prozent angenommen hat. «Auch die Aussage, dass solche Überstellungsverfahren zeit- und kostenintensiv seien, klingt für mich nach einer Ausrede. Denn es verursacht sicherlich wesentlich mehr Kosten, wenn ausländische Inhaftierte ihre Haft hier absitzen müssen.»

«Es geht mir nicht um ein Aufstacheln gegen Ausländer.»

Thomas Werner, SVP-Kantonsrat

Werner betont, dass auch die Regierung ein grundsätzliches Interesse äusserte, «Überstellungen wenn immer möglich durchzuführen». «Deswegen muss der Kanton mehr Druck ausüben, gerade auch auf den Bund.» Seiner Meinung nach müsse dieser wiederum Druck auf jene Länder ausüben, welche das Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen noch nicht ratifiziert hätten. Doch auch wenn es ein nationales Thema sei, wolle er selbst dranbleiben.

«Tieferer Komfort-Standard? Egal»

Thomas Werner, der als Leiter der Spezialermittlungen Kinderschutz bei der Stadtpolizei Zürich arbeitet, stellte in einem früheren Bericht klar, dass ausländische Inhaftierte dann zurückgeschickt werden sollen, wenn es «ethisch vertretbar» sei. Also dann, wenn der Betroffene in seinem Herkunftsland «nicht an Leib und Leben bedroht» sei. «Doch wenn ein Verurteilter im Gefängnis in seinem Heimatland auf einen tieferen Komfort-Standard trifft, ist mir das ehrlich gesagt egal.»

«Es geht mir nicht um ein Aufstacheln gegen Ausländer», sagt Werner noch. Doch die Zahlen würden zeigen, dass Ausländer in Gefängnissen «übervertreten» seien, was auch Kosten verursache. «Zudem ist es das gute Recht eines souveränen Staates, seine eigene Bevölkerung zu schützen.»

Verwendete Quellen
  • Statistik «Freiheitsentzug, Insassenbestand am Stichtag. Strafvollzugskonkordat der Nordwest- und Innerschweiz» des Bundesamts für Statistik
  • Interpellation von Thomas Werner, SVP-Kantonsrat
  • Antwort des Regierungsrats auf Interpellation
  • Telefonat mit Thomas Werner, SVP-Kantonsrat
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