Sensoren registrieren Bewegungen von Patienten

Überwachung im Spital: Ist das wirklich unproblematisch?

Auf der App der Pflegekräfte wird die Bewegung der Patienten angezeigt. (Bild: zvg)

Das Zuger Kantonsspital verwendet Sensoren, welche die Bewegung von Patientinnen wahrnehmen. Das Spital zieht ein positives Zwischenfazit, während es für eine Medizinethikerin Stolpersteine gibt.

Das Zuger Kantonsspital scheint angetan zu sein von einem neu eingeführten Sensorensystem, welches die Bewegung von Patienten registriert. Durch die Sensoren könne man Stürze verhindern (zentralplus berichtete).

«Die Bilanz der Testphase könnte nicht positiver sein», schreibt das Spital in einer Mitteilung zum sogenannten «Qumea»-System – benannt nach dem Unternehmen, welches das System erschaffen hat. In den drei Doppelzimmern auf der chirurgischen Abteilung, wo der Pilottest während dreier Monate stattfand, sei es zu keinem einzigen Sturz gekommen. Im gleichen Zeitraum im Vorjahr habe das Spital in diesen Zimmern hingegen neun Stürze verzeichnet.

So sieht der Sensor von Qumea aus, den das Spital an der Decke befestigt. (Bild: zvg)

Die Sensoren sind an der Decke von Patientenzimmern angebracht. Sie nehmen die Bewegungen von Patientinnen wahr, wenn diese beispielsweise das Bett verlassen wollen. Die zuständige Pflegefachperson erhält eine Meldung, sobald das System ein Sturzrisiko erkennt. Diese eilt dann umgehend ins Zimmer, um einen Sturz zu vermeiden.

Spital versichert: Es werden keine personenbezogenen Daten erhoben

Doch wie sehr ist das neue System ein Eingriff in die Privatsphäre? Beim Sensor von Qumea, der im Zuger Kantonsspital eingesetzt wird, handelt es sich um eine Radartechnologie, wie das Unternehmen schreibt. Diese mache keine Bildaufnahmen. Die Bewegungsdaten würden mit der Zimmer- oder Bettnummer in Verbindung gebracht. Laut dem Hersteller werden also zu keinem Zeitpunkt persönlichkeitsidentifizierbare Daten erhoben. Die Übersetzung dieser Zimmer- oder Bettennummer könne nur vonseiten des Spitals geschehen, schreibt Qumea.

Das Zuger Kantonsspital versichert auf Anfrage, dass es nur mit den Zimmer- und Bettnummern arbeite. Es würden also keine Personendaten erfasst. Die gespeicherten Bewegungsdaten würden wiederum nach einem Monat automatisch gelöscht.

«Die Bewegung unserer Patientinnen und Patienten wird mittels Radar detektiert, ohne dass eine Kameraüberwachung oder eine direkte Identifikation der Personen stattfindet», schreibt Claudia Bucher, Leiterin Kommunikation und Marketing des Spitals, auf Anfrage.

Wird die Freiheit der Patienten dadurch eingeschränkt?

Doch was sagen Medizinethiker dazu? Die elektronische Überwachung mittels Sensoren in Patientenzimmern könne je nach Situation als eine Form von freiheitseinschränkenden Massnahmen eingestuft werden – als Einschränkung der persönlichen Freiheit oder der Privatsphäre wegen ständiger elektronischer Überwachung. Das schreibt Sibylle Ackermann, Leiterin des Ressorts Ethik der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), auf Anfrage.

Das Zuger Kantonsspital erwidert, man wolle durch die Verwendung von Radar freiheitsbeschränkende Massnahmen verhindern. Mit dem neuen System werde die Selbstbestimmung und die Würde der Patienten gefördert. Ziel sei es, dass Patienten im Spital so schnell wie möglich wieder mobil seien.

Spital müsse Patientinnen informieren und fragen

Grundsätzlich sollten Patienten die Einwilligung in medizinische Massnahmen informiert und selbstbestimmt geben können, sagt Sibylle Ackermann von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Laut dieser stehe jede Anwendung von Zwang in einem Widerspruch zum Prinzip der Achtung der Autonomie. Aus ethischer Sicht sei es daher im Fall der Sensoren zu empfehlen, dass die Patienten darüber aufgeklärt werden. Stimmt eine Patientin der Überwachung nicht zu, sei eine solche ethisch nicht vertretbar.

Laut dem Kantonsspital Zug findet eine Information statt. In der Regel würden die Verantwortlichen die Angehörigen informieren, da die Patienten krankheitsbedingt häufig nicht urteilsfähig seien. Bisher hätten die Angehörigen der Nutzung des Sensors immer zugestimmt. «Diese Transparenz wird von den Betroffenen grundsätzlich sehr geschätzt, da sie ein Gefühl der Sicherheit und des Schutzes vermittelt», erklärt Mediensprecherin Claudia Bucher.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Claudia Bucher, Leiterin Kommunikation und Marketing des Zuger Kantonsspitals
  • Schriftlicher Austausch mit Cyrill Gyger, CEO und Co-Founder von Qumea
  • Schriftlicher Austausch mit Sibylle Ackermann, Leiterin des Ressorts Ethik der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften
  • Mitteilung des Zuger Kantonsspitals
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