«Angehörige sollen nicht bestraft werden»

Halb im Heim, halb zu Hause: «Mischformen» kriegen Aufwind

Ständerat Damian Müller erzählt von einer Geschichte aus seinem Umfeld. (Bild: zvg)

Wer mehr als 15 Tage im Monat im Heim verbringt, erhält vom Staat wenig Geld für Pflege zu Hause. Das sei nicht zeitgemäss, findet der Luzerner Ständerat Damian Müller. Er fordert «Mischformen».

Wie wollen Sie im Alter leben? Zu Hause oder im Altersheim? Oder beides? Der Ständerat Damian Müller (FDP) meint, diese Entscheidung sei nicht gänzlich frei. Denn wie man lebt, entscheidet auch der Geldbeutel. Und das jetzige System zur Finanzierung stösst bei «Mischformen» an seine Grenzen.

Der Luzerner hat daher eine Interpellation an den Bundesrat gerichtet, für ein flexibleres System an Ergänzungsleistungen (EL). Das Grundprinzip der EL ist einfach: Reichen die Einnahmen nicht aus, um die Grundbedürfnisse zu decken, übernimmt der Staat die Differenz. Bund und Kantone finanzieren das Ganze mit Steuereinnahmen. Ob jemand zu Hause oder im Heim lebt, ist bei der Auszahlung entscheidend.

So funktionieren Ergänzungsleistungen

Die «WAS – Wirtschaft Arbeit Soziales Luzern» erklärt auf ihrer Website, wer was erhält. Um den Anspruch an EL zu errechnen, stellt die WAS den Einnahmen (AHV, IV, Pension oder aus Vermögen) Ausgaben gegenüber. Bei Personen, die zu Hause leben, gilt die Miete und ein Pauschalbetrag für den Lebensbedarf. Im Heim lebend gilt anstatt der Miete die Heimtaxe als Ausgabe.

Bei beiden Gruppen gelten ausserdem Prämien, Unterhaltskosten und andere Dinge als Ausgaben. Wer zu Hause lebt und Aufstehen, Ankleiden, Toilette oder Essen nicht mehr alleine hinkriegt, erhält zudem Hilflosenentschädigung (HE) und Assistenzbeiträge (AB). Doch was ist nun, wenn man im Heim und zu Hause lebt? Was gilt dann?

Damian Müller erklärt die Notlage für Angehörige

Wer mindestens 16 Nächte pro Monat im Heim übernachtet, gilt bei den Ergänzungsleistungen als im Heim lebend. Schlafe die Person regelmässig, also ein bis drei Nächte pro Woche, zu Hause, würden die Personen «praktisch keine Mittel, um die Auslagen zu Hause zu bezahlen», erhalten, schreibt Damian Müller auf Anfrage von zentralplus.

Beziehungsweise nur sehr kleine Mittel. Es kann eine kleine Differenz zwischen der Heimtaxe (wenn man im Heim schläft) und der Reservationstaxe (wenn man die Nacht zu Hause schläft) geben. Jedoch nur, wenn die Betreuung 24 Stunden extern laufe, erklärt Damian Müller. Angenommen, es seien 50 Franken, die übrig seien: sehr mager, um Kost, Logis und Transport zu finanzieren, findet Müller. Die Pflege werde so zur Belastung für Angehörige.

«Angehörige, die sich freiwillig um ihre Nächsten kümmern, sollen nicht bestraft werden.»

Damian Müller, Ständerat Luzern

Der Luzerner Ständerat schildert ein Beispiel, von dem er gehört habe. Eine Familie hatte für ihr erwachsenes pflegebedürftiges Kind lediglich für vier Tage die Woche einen Heimplatz gefunden. Drei Tage die Woche musste sie ihr Kind eigenständig versorgen. Weil die private Betreuung kostspielig war und die EL oder andere Leistungen des Staates nicht griffen, blieb nach dem Tod ihres Kindes ein Schuldenberg.

Wie soll das System künftig aussehen?

Damian Müller pocht daher auf einen Systemwechsel. «Angehörige, die sich freiwillig um ihre Nächsten kümmern und damit das Sozialversicherungs- und Steuersystem entlasten, sollen dafür nicht noch bestraft werden.» Auch aus einer «liberalen Optik sei die Wahlfreiheit ein hohes Gut», schreibt der FDPler. Also entscheiden zu dürfen, wie man leben will, wenn man Hilfe braucht.

«Die starre Zweiteilung – entweder im Heim oder dann zu Hause – entspricht immer weniger der Realität. Wir brauchen daher Mischformen», hält Müller fest. Als Lösung schlägt er eine Pro-rata-Finanzierung vor. Menschen, die regelmässig aus dem Heim gehen und zu Hause schlafen, sollen für die Zeit ausserhalb des Heims Anspruch auf betreutes Wohnen haben.

Ergänzungsleistungen beschäftigen Bundesrat

Damian Müllers Interpellation kommt nicht aus Zufall jetzt. Der Bundesrat will älteren Menschen ermöglichen, möglichst lang selbständig zu leben. Auch, weil die Heime aufgrund des Fachkräftemangels überlastet sind. Dafür will er das Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) anpassen.

Die Vorlage sieht Betreuungsleistungen vor, die das selbständige Wohnen zu Hause oder in einer anderen Wohnform fördern. Ende Oktober ist die Vernehmlassung zur Änderung des Bundesgesetzes abgelaufen. Nun warten die Bundesparlamentarier auf eine Botschaft des Bundesrats zur Zukunft der Ergänzungsleistungen.  

Verwendete Quellen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon