Luzernerin begleitet Paare als Kinderwunschcoach

Wie Anita Mäder lernte, trotz unerfülltem Kinderwunsch glücklich zu sein

Früher Lebensmittelwissenschaftlerin, coacht sie heute Frauen und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch oder nach Fehlgeburten. (Bild: ida)

Wie weiter, wenn es einfach nicht funktionieren will mit dem Kinderkriegen? Die Luzernerin Anita Mäder kennt es nur zu gut. Zwei Jahre lang versuchte sie erfolglos, schwanger zu werden. Nun hat die 34-Jährige gelernt, auch kinderlos glücklich zu sein. Seit diesem Jahr coacht sie nun Paare in ähnlichen Situationen.

Sie wünschte sich selbst, Kinder zu bekommen. Eine Familie zu gründen, das wollte sie schon immer. Die Lebensmittelwissenschaftlerin führte ein Unternehmen, absolvierte nebenbei ein Zweitstudium. Als sich dieses dem Ende zuneigte, dachten Anita Mäder und ihr Partner: Jetzt ist der Zeitpunkt perfekt.

Ein Jahr lang probieren sie es. Hoffnung leuchtet auf – und erlischt wieder. Es wollte einfach nicht klappen. Das Paar rafft sich wieder auf. Wartet und bangt in der Zeit zwischen dem Eisprung und dem Einsetzen der Menstruation, die hoffentlich ausbleibt. Es klappt wieder nicht – und es zermürbt das Paar fast. Sie suchen eine Kinderwunschklinik auf. Trotz nicht optimaler Spermienqualität sollte aus medizinischer Sicht eine natürliche Befruchtung möglich sein. Zweifel kommen bei Anita Mäder auf. «Und eine Wut auf meinen eigenen Körper. Ich bin als Frau geboren und doch macht mein Körper nicht das, was er eigentlich können sollte: ein Kind zu bekommen.»

Das Paar führt mehrere Inseminationen durch – Spermienübertragungen. Alle erfolglos. Dann entscheiden sie sich für einen weiteren Schritt, eine sogenannte ICSI – Intrazytoplasmatische Spermieninjektion – zu machen. Dabei wird die Eizelle im Reagenzglas befruchtet. Jeden Tag Hormone spritzen, dazwischen Akupunktur, Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, Zyklusmonitoring mit Temperaturmessung, Frauenarztbesuche. Es klappt wieder nicht.

Für das Paar ist es eine Belastungsprobe. Anita Mäder leidet, weil ihr Körper nicht mitmacht. Und ihr Mann leidet, seine Partnerin so sehen zu müssen. Dann kam der Moment, der alles veränderte. Es war an einem Sonntag, ein Tag bevor dem Paar die zweite künstliche Befruchtung mit ICSI bevorstand. «Ich sass auf dem Sofa und sagte meinem Partner: ‹Oh Gott. Morgen geht's wieder los.›» Das Paar sprach offen darüber und realisierte, wie sehr sie sich auf den Wunsch, Kinder zu kriegen versteift haben. «Und mein Partner meinte: ‹Wenn's uns nicht gut geht dabei – wofür machen wir das alles?›» Die beiden legen eine Pause ein. Das war Ende 2018 – nach zwei Jahren mit unerfülltem Kinderwunsch. Heute sagt Anita Mäder rückblickend: «Vielleicht hatte es einen Grund, dass es einfach nicht klappen wollte.»

Das Leben nicht mehr nach den künftigen Kindern ausrichten

Anita Mäder öffnet das Fenster in ihrer Praxis in der Luzerner Tribschenstrasse. Draussen regnet es wie aus Kübeln, Anita Mäder setzt sich wieder auf ihren Stuhl und lächelt. Sie sieht gelöst aus. Seit fünfeinhalb Jahren ist sie nun bereits auf Kinderwunschreise. Und auch wenn es nicht klappt: Sie hat gelernt, die Situation so anzunehmen und zu akzeptieren, wie es ist. Anfang des Jahres hat sie sich als Coach selbständig gemacht und begleitet Frauen und Paare in ähnlichen Situationen, wie sie es erlebt hat.

«Ich habe gelernt, dass ein Kind nicht hier ist, um mich glücklich zu machen. Ich will einmal eine Mutter sein, die jetzt schon glücklich ist.»

Sie coacht Paare nach Fehlgeburten. Solche, die Angst haben, erneut einen Verlust zu erleben. Paare mit einseitigem Kinderwunsch. Paare mit Samenspenden. Paare mit Schuldgefühlen – weil eine Frau in früheren Jahren eine Abtreibung durchführte und nun von Gefühlen geplagt wird, dass sie es nicht verdient habe, noch einmal schwanger zu werden. Aber auch Paare, die vom Kinderwunsch endgültig loslassen müssen – eine Art Trauerprozess.

Und sie unterstützt Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Sie hilft ihnen, die Sicht auf das Leben zu verändern. Sich nicht darauf zu konzentrieren, was nicht ist und was einem fehlt – sondern auf das zu fokussieren, was man hat. Auch sie musste an sich selber arbeiten. «Ich habe gelernt, dass ein Kind nicht hier ist, um mich glücklich zu machen. Das wäre ja eine brutale Aufgabe für ein Kind. Ich will einmal eine Mutter sein, die jetzt schon glücklich ist.»

Es darf sich nicht mehr alles um den Kinderwunsch drehen

Nach zwei Jahren erfolglosem Kinderwunsch setzte sich Anita Mäder mit Persönlichkeitsentwicklung auseinander. «Ich habe mir viele Sinnfragen gestellt: Was soll mein Leben ohne Kind? Wie können wir ohne Kind glücklich und erfüllt leben?» Auch sie suchte damals Rat bei einem Coach.

Er hat ihr geholfen, herauszufinden, was sie für ein Mensch war, bevor sie den Kinderwunsch hatte. Und was sie und ihr Partner als Paar auszeichnete. «Ich lernte, ein glückliches und erfülltes Leben mit meinem unerfüllten Kinderwunsch zu leben», sagt die 34-Jährige. «Dabei geht es nicht darum, den Wunsch, Kinder zu kriegen, zu verdrängen. Dieser darf ein Teil von mir sein – aber nicht mehr den ganzen Platz einnehmen.»

Viele wissen nicht, dass sie nicht alleine sind

Paare mit Kinderwunsch würden oftmals ihr Leben danach ausrichten, wie alles sein wird, wenn die Kinder da sind. Ferien? Lieber nicht planen. Weiterbildungen? Doch nicht, wenn die Kinder bald da sind. Anita Mäder kündigte ihren Job, findet zu sich und lässt sich in Kriens zum Kinderwunschcoach ausbilden. Menschen zu unterstützen, das habe sie immer gewollt. Derzeit schliesst sie eine Hypnoseausbildung ab, um noch besser innere Blockaden lösen zu können.

«Zum heutigen Zeitpunkt steht unsere Beziehung über dem Kinderwunsch.»

Sie will dazu beitragen, das Thema aus der Tabuzone zu holen. Und aufzeigen, dass es Hilfe gibt. Sie hat es auf ihrem eigenen Weg erfahren, was für eine grosse emotionale Belastung ein unerfüllter Kinderwunsch mit sich zieht. «In meiner Arbeit begegne ich immer wieder Menschen, die auch nach mehrjährigem Wunsch alleine damit durchs Leben gehen – ohne Unterstützung von Freunden oder Familie. Sehr oft wissen diese Frauen und Männer nicht, dass es Unterstützung gibt.»

Als Paar zusammengewachsen

Was für andere ein Trennungsgrund sein kann, hat Anita Mäder und ihren Partner noch mehr zusammengeschweisst. Das wichtigste sei eine offene Kommunikation. «Wir haben uns gefragt, was zuoberst steht: der Kinderwunsch oder unsere Beziehung?» Und Anita Mäder stellt klar: «Zum heutigen Zeitpunkt steht die Beziehung über dem Kinderwunsch.» Auch sollten sich Paare niemals die Schuldfrage stellen. «Denn die Schuld, dass es mit dem Kinderkriegen nicht klappt, trägt niemand von uns. Wir haben uns das beide ja nicht ausgesucht.»

Das Glück will sie selber in der Hand haben. Die Hoffnung, doch noch Mutter zu werden, hat Anita Mäder übrigens nicht aufgegeben. Sie hat vollstes Vertrauen. «Wir wissen einfach, dass die Kinder kommen. Nur wissen wir nicht, wann genau.» Und auch wenn es wider Erwarten nicht klappen würde: Das Paar ist auch so glücklich und hat ein erfülltes Leben.

Sie weiss, dass es mit dem Kinderkriegen irgendwann einmal klappt: Anita Mäder. (Bild: ida)
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Vanessa Schmidt
    Vanessa Schmidt, 17.06.2021, 19:50 Uhr

    Anita ist eine starke Frau und ich freu mich für sie und wünsche ihr, dass ihr Kinderwunsch so schnell wie es möglich in Erfüllung geht!
    Meine Freundin hatte diesen Weg gegangen und hatte jahrelange erfolglose Kinderwunschbehandlung. Leider konnte sie kein Baby austragen. Ihr Kinderwunsch war so groß, dass sie sich für Leihmutterschaft in der Ukraine entschied. Jetzt ist eine glückliche Mutter dank einer netten Leihmutter. Sie und ihr Mann hatten schon den zweiten Vertrag mit Biotex unterschrieben, weil sie noch zwei Embryos haben und einen zweiten Baby haben möchten.

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  • Profilfoto von Michelle Schmidig
    Michelle Schmidig, 12.06.2021, 14:59 Uhr

    Was für ein sensibler und berührender Beitrag zum Thema unerfüllter Kinderwunsch!
    Und wie schön, dass Anita Mäder einen Raum geschaffen hat, um betroffene Menschen zu begleiten. Ihre Website hat mich sehr angesprochen.

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 12.06.2021, 07:43 Uhr

    Kinderwunschcoach! Was es doch alles gibt…
    Gut ist der Satz: „Das Paar rafft sich wieder auf.“

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    • Profilfoto von Peter Meier
      Peter Meier, 12.06.2021, 12:01 Uhr

      Völlig unnötig und respektlos. Ich hoffe Ihre Wünsche gehen alle in Erfüllung.

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 12.06.2021, 13:22 Uhr

      Stimmt, Peter Meier. Vor Ihnen kann man einfach nichts verstecken.

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