Luzerner Schönheitsklinik in der Kritik

Unzulässige Werbung? Influencerinnen prahlen mit prallen Brüsten

Schönheitschirurg Jürg Häcki. (Bild: Mirjam Oertli)

Die Lucerne Clinic eckte in der Vergangenheit immer wieder an. Seit einiger Zeit setzt die Schönheitsklinik auf Influencerinnen und Promis, die für Schönheitsoperationen werben. Wir haben uns gefragt: Warum setzt die Klinik auf Promis – und ist diese offensive Art des Werbens zulässig?

Lidja hat’s gemacht. Carmen. Francesca. Und Jessica. Sie alle haben ihren Busen vergrössert. Und wir durften dabei zugucken.

In einer Instagram-Story der Luzerner Schönheitsklinik Lucerne Clinic schlüpft Bachelor-Kandidatin Lidja in ihr blau-weisses Patientenhemd, setzt sich die Haube auf den Kopf und liegt im Bett der Klinik. «BHs werde ich nachher sowieso nie mehr tragen – ich lauf so gerne ohne umher. Und nachher sieht’s ja noch viel besser aus», sagt sie zu Francesca, selber Bachelor-Kandidatin, die sich ebenfalls die Brüste vergrössern liess in der Klinik.

Lidja ist im Dämmerschlaf, als die Operation beginnt. Und als Doktor Häcki schliesslich die beiden Silikon-Implantate einführt, in die beiden kleinen Schlitze in der Brust. «Das ist unser Markenzeichen: kleine Narben.»

Danach liegt Lidja in ihrem Patientinnenbett, strahlt und erhascht bereits einen ersten Blick unter ihr Hemd. Sie sieht erschöpft – und glücklich aus. «Sie sind grösser», sagt sie und lacht. «Das ist schon mal gut.»

Andy Wolf ist «Achselschweiss-Botschafter»

Lidja ist eine von vielen «Celebritys» die sich für einen Schönheitseingriff in der Lucerne Clinic entschieden haben. Dabei liessen sie sich von einem Kamerateam begleiten. Vor der Operation, manchmal während der OP und danach – auch in der Nachkontrolle. Ausschnitte davon teilt die Klinik über Instagram.

Die offensive Werbestrategie der Klinik sorgte schon früher für Kritik. Zum Beispiel für die «Aktion Busenfreundin», die nach wie vor läuft. Wenn Frauen zu zweit zur Brustvergrösserung kommen, gibt’s Rabatt (zentralplus berichtete). Die Klinik musste auch Kritik einstecken, weil Brustoperationen medial begleitet wurden oder weil sie eine Sexismusdebatte provozierte (zentralplus berichtete).

Nun setzt die Klinik also auf «Celebritys». Auch der Luzerner Radiomoderator Andy Wolf und der Zuger Comedian Jonny Fischer gehören dazu. Die beiden Männer sind die «Achselschweiss-Botschafter» der Klinik.

«Exklusive Einblicke» in die Brust-OP von Lydia:

Darf die Schönheitsklinik das?

Die Werbung für Brustvergrösserungen, Achselschweissbehandlungen und Augenlidstraffungen wird auf Instagram neben Videos herziger Katzen, Kochrezepten und Wohnungseinrichtungs-Inspirationen angezeigt. Ist diese Art des Werbens zu offensiv? Und: Ist es überhaupt zulässig?

In der Schweiz gibt es das Medizinalberufegesetz, die Standesordnung der Ärztegesellschaften und das Heilmittelgesetz. In diesen ist geregelt, was Ärzte und plastische Chirurginnen tun dürfen und was nicht. Jürg Häcki – der plastische Chirurg der Lucerne Clinic – ist Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie sowie der FMH. Letzteres ist der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte.

Häcki drohte bereits der Ausschluss aus einem Verband

Vor vier Jahren drohte Häcki wegen der «Aktion Busenfreundin» der Ausschluss aus dem Verband der Schweizerischen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie.

Die Aktion läuft nach wie vor und Häcki ist immer noch Mitglied. Darauf angesprochen schreibt der Verband, dass ihre ethischen Richtlinien unter anderem dazu dienen würden, den Mitgliedern aufzuzeigen, «wo die Grenzen der ‹Werbung› in etwa entlanggehen». Und weiter: «Allerdings sind diese Grenzen nicht so trennscharf, wie dies wohl alle gerne hätten.»

Die Verwendung und die Beliebtheit sozialer Medien nehme rasant und massiv zu. Noch gebe es in der Schweiz keine Rechtsprechung, die Orientierung biete. Die Fachgesellschaft sei «weder beauftragt noch befugt, bei jedem einzelnen Mitglied zu überwachen, ob diese fliessenden Grenzen überschritten werden». Liege eine Beschwerde gegen ein Mitglied vor, prüfe die Gesellschaft diese. Für die Aufsicht ist aber der Kanton zuständig.

Patientenempfehlungen miteinbeziehen, das ist «heikel»

Häcki ist auch Mitglied der FMH. Wir knöpfen uns die Standesordnung der FMH vor. In dieser ist festgelegt, wann eine Werbung unzulässig ist. Grundsätzlich gilt: Sie darf nicht unsachlich und nicht unwahr sein.

Weiter steht da: Werbung beeinträchtigt dann das Ansehen des Arztberufes, wenn sie Empfehlungen von Patientinnen einbezieht. Oder wenn sie «der Selbstanpreisung der eigenen Person dient». Oder wenn die ärztliche Tätigkeit in «aufdringlicher oder marktschreierischer Weise reklamehaft» herausgestellt wird. Werbung darf weiter nicht «unwürdig oder unseriös» sein oder «die guten Sitten» verletzen. Und sie ist unzulässig, wenn sie «primär auf einen Werbeeffekt abzielt».

Die Formulierungen zeigen schon: Es besteht ein grosser Ermessens- und Interpretationspielraum.

«Die erwähnte Kommunikation erachten wir angesichts des aktuellen Standesrechts der FMH als heikel.»

Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH

Die FMH erachtet die Kommunikation der Luzerner Schönheitsklinik als «heikel, insbesondere der Einbezug von Empfehlungen von Patientinnen auf dem Instagram-Kanal der Klinik». Das schreibt die FMH auf Anfrage. Letzteres tut die Klinik offensichtlich. So sagt Carmen, die sich in der Lucerne Clinic die Silikonimplantate auswechseln liess in einer Instagram-Story der Klinik: «Das ganze Team ist der Hammer, so lieb. Sie kümmern sich so gut um Patienten … Es ist unglaublich. Ich würde es allen weiterempfehlen, das ist wirklich untoppbar.»

Ein Vorher-nachher-Bildli von Brüsten:

Kanton Luzern ist für die Aufsicht zuständig

Auch wenn die Klinik sich auf solche Äusserungen von Patientinnen stützt in ihren Posts – Sanktionen ergreift die FMH nicht. Dies hat seinen Grund: Die FMH ist keine Aufsichtsbehörde.

Dafür zuständig wäre die kantonale Gesundheitsdirektion. Sie muss prüfen, ob Ärztinnen die Berufsausübungspflichten einhalten. Entsprechende Verstösse sanktioniert sie.

Auch die Standeskommission der kantonalen Ärztegesellschaft kann von sich aus einen Fall eröffnen. Liegt ein Verstoss vor, spricht die Standeskommission Sanktionen aus. Diese reichen von einem Verweis bis zum Ausschluss aus der FMH. Ärzte, betroffene Patientinnen aber auch Drittpersonen können sich an die Standeskommission wenden.

«Die FMH ist zweite Instanz, das heisst Fälle kommen immer zuerst vor die kantonale Standeskommission», erklärt Charlotte Schweizer, Abteilungsleiterin Kommunikation der FMH.

Das Standesrecht der FMH gilt schweizweit für alle FMH-Mitglieder. Jedoch können kantonale Ärztegesellschaften Ergänzungsbestimmungen erlassen. Sie verfügen über einen gewissen Handlungsspielraum, um eine Gleichbehandlung von Ärztinnen mit Spitälern und anderen Behandlungsinstitutionen in derselben Region zu gewährleisten. Die Ärztegesellschaft des Kantons Luzern schreibt auf Anfrage, dass ihre Bestimmungen sich nach der Standesordnung der FMH richten. Sie besitze somit keine eigene Standesordnung. Bis anhin wurden keine Sanktionen gegenüber der Lucerne Clinic ausgesprochen.

Kanton Luzern sieht kein Problem

Fragen wir also die Luzerner Gesundheitsdirektion, was sie von der Werbung der Lucerne Clinic hält.

Schliesslich hat der Kanton Luzern die Pflicht, die im Medizinalberufegesetz (MedBG) steht, wortwörtlich im kantonalen Gesundheitsgesetz übernommen. Das Medizinalberufegesetz sieht unter anderem vor, dass eine Werbung nur erlaubt ist, wenn diese «objektiv ist, dem öffentlichen Bedürfnis entspricht und weder irreführend noch aufdringlich ist».

Darauf angesprochen, ob dies auf die Werbung der Luzerner Schönheitsklinik zutrifft, schreibt das Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Luzern (GSD): «Der Kanton hat keine Anhaltspunkte dafür, wonach die Werbung der Lucerne Clinic nicht objektiv oder gar irreführend, das heisst inhaltlich falsch, sein soll oder als aufdringlich zu qualifizieren wäre.» Und weiter: «Letzteres wäre praxisgemäss etwa dann der Fall, wenn Personen zwecks Kundenakquise unaufgefordert telefonisch oder mit Standaktionen angegangen würden.»

Ist Werbung für cellulitefreien Po wirklich öffentliches Bedürfnis?

Bleibt die Frage, inwiefern das Werben für grössere Busen und einen cellulitefreien Po dem öffentlichen Bedürfnis entspricht. Das kantonale Gesundheitsdepartement schreibt, dass solche Eingriffe ja nicht verboten sind. «Entsprechend muss es den Anbietern erlaubt sein, auf ihre Angebote objektiv, wahrheitsgemäss und nicht aufdringlich hinzuzweisen.» Dabei dürfen aus Sicht des GSD keine hohen Anforderungen an das öffentliche Bedürfnis gestellt werden.

«Es besteht kein besonderes Schutzbedürfnis für die Bevölkerung, da jedermann weiss, dass solche Behandlungen aus medizinischer Sicht nicht nötig sind.»

Gesundheits- und Sozialdepartement Luzern

«Es besteht kein besonderes Schutzbedürfnis für die Bevölkerung, da jedermann weiss, dass solche Behandlungen aus medizinischer Sicht nicht nötig sind», so das GSD. Und weil diese Behandlungen nicht von der Krankenversicherung übernommen werden, bestehe auch kein Interesse, unnötige Gesundheitskosten zulasten der Prämienzahler zu vermeiden.

Die Rolle von sozialen Medien bei Schönheits-OPs

Nun: Vielleicht wissen wir alle, dass es nicht nötig ist. Aber soziale Medien führen gerade bei Jugendlichen zu psychischem Stress. Dies weil sie sich auf Instagram mit anderen Menschen permanent vergleichen.

So suchen immer mehr Menschen Schönheitskliniken mit einem bearbeiteten Selfie auf. Eine Statistik der Deutschen Gesellschaft für Plastische Chirurgie zeigte zum Beispiel, dass 14 Prozent etwas an sich machen lassen, weil ihnen etwas an Selfies nicht gefällt. 2,3 Prozent der befragten Patienten gaben an, dass sie die sozialen Medien zum Eingriff motiviert haben.

«Der Druck zur Optimierung des eigenen Körpers und die damit verbundenen Folgen, insbesondere für die psychische Gesundheit, sind ein gesamtgesellschaftliches Problem», schreibt das GSD dazu. Falsche Körperbilder würden nicht nur über die sozialen Medien transportiert, sondern auch über konventionelle Medien wie Zeitung, Fernsehen, Film – und Werbung.

«Schönheitsmedizinische Eingriffe sind eher Folge dieser Entwicklung als Ursache.» Von einem Verbot hält das GSD nichts: «Wir bezweifeln, dass ein Werbeverbot für solche Angebote einen wesentlichen Einfluss auf deren Inanspruchnahme oder auf die Psyche der Jugendlichen hätte.»

Lucerne Clinic kann – oder will – sich nicht äussern

Gerne hätte zentralplus mit der Lucerne Clinic gesprochen. Darüber, was sie auf den Vorwurf der FMH sagt, dass das Miteinbeziehen von Patientenempfehlungen heikel sei. Darüber, warum die Schönheitsklinik so auf Instagram und Influencerinnen als Werbeplattformen setzt. Und in welche Richtung Gelder fliessen. Sprich: ob die «Celebritys» für das Werben bezahlt werden oder vielleicht den grösseren Busen gratis bekommen.

Die Lucerne Clinic verzichtet aber nach einer zweiten Anfrage von zentralplus darauf, Stellung zu nehmen. Aus «Kapazitätsgründen» sei dies nicht möglich.

Verwendete Quellen

Hinweis: Die Passage der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern wurde nach Publikation ergänzt.

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