So erlebt Roland Wermuth die Pandemie

Spitalseelsorger in Zug: «Menschen sind sehr plötzlich und einsam gestorben»

Roland Wermuth hatte einen intensiven Start als Spitalseelsorger im Kantonsspital Zug. (Bild: zvg/Thomas Müller)

Er begleitet Menschen bis zum Tod – und ist damit häufiger konfrontiert als je zuvor. Roland Wermuth ist seit knapp einem Jahr Leiter der ökumenischen Spitalseelsorge im Zuger Kantonsspital. Wir haben nachgefragt, wie er die Pandemie erlebt – und ob er etwas Neues über das Sterben gelernt hat.

Es war ein ungewöhnliches Jahr, ein intensiver Start für ihn: Seit letztem Frühling ist Roland Wermuth Leiter der ökumenischen Spitalseelsorge im Kantonsspital Zug (zentralplus berichtete).

Als er die Stelle antrat, war es noch relativ ruhig. Schweizweit wusste man damals noch nicht, wie das Coronavirus hierzulande wüten wird. Erst gut ein Monat später folgte der erste bestätigte Coronafall im Kanton Zug – heute sind es über 5000 Fälle seit Beginn der Pandemie.

«Der Einstieg war für mich nicht ganz einfach», sagt Roland Wermuth. Abstände mussten eingehalten, Masken getragen werden, der Austausch mit dem Gegenüber wurde erschwert. Zusätzlich hinzu kamen die Anspannung während der ersten Welle, die Unsicherheiten und Ängste, denn das Virus war für alle neu.

Einige starben unverhofft

Wermuth und sein seelsorgerisches Team begleiten auch Patienten auf der Covidstation – bis zum Tod. In den letzten Monaten gab es einige traurige Momente, die ihm in Erinnerung geblieben sind. «Es gab Abschiede, die ich nicht erwartet hätte. Menschen, die sehr plötzlich und einsam gestorben sind, auch wenn sie fürsorglich betreut worden sind.» Er erzählt, dass sich bei einigen erst der Krankheitsverlauf verbessert habe, sich der Zustand dann jedoch wieder verschlimmert habe. Glücklicherweise hat sich der Grossteil der Patienten jedoch wieder erholt.

«Es gab Abschiede, die ich nicht erwartet hätte.»

Viele wünschen sich ein Gespräch mit einem Seelsorger, weil sie mit der Isolation hadern, nur wenig Kontakt mit Angehörigen haben. «Vielen Patienten fehlt die Nähe zu anderen, sie vermissen ihre Angehörigen.» Auch wenn die Kontaktaufnahme per Telefon- oder Videoanruf teilweise möglich ist und auch nach weiteren Kontaktmöglichkeiten geschaut wird, fehlt doch die Nähe. Wermuth klärt ab, was die letzten Wünsche der Patienten sind, was sie noch brauchen, wie man ihnen helfen kann. Vor allem hört er ihnen aber zu.

«Solche Begegnungen berühren mich. Das soll und darf auch so sein.»

Normalerweise laufen die Spitalseelsorger von Patientenzimmer zu Patientenzimmer und fragen nach, wo Bedarf besteht. Auf der Covidstation ist das anders. Hier arbeiten die Seelsorger eng mit den Pflegenden zusammen, welche sich direkt bei den Patienten erkundigen, ob sie einen Seelsorger wünschen. «Dieser Austausch ist sehr intensiv und wertvoll, wie ich finde.»

Das Abschiednehmen schmerzt auch ihn

Doch wie kommt er mit all dem Leid, mit dem er konfrontiert wird, zurecht? Wermuth, er spricht ruhig und bedacht, sagt: «Wichtig ist: Solche Begegnungen berühren mich. Das soll und darf auch so sein.» Um abschalten zu können, geht der Familienvater in die Natur, meditiert oder sucht im Spital den Raum der Stille auf, um einen Moment für sich zu sein, wo er versucht, loszulassen.

«Mir ist jetzt bewusster, dass der Tod noch viel unverhoffter eintreten kann.»

Täglich prasseln auf uns Push-Nachrichten von Onlinemedien ein. Rund 100 Coronatote sind es schweizweit täglich. Corona hat das Thema Tod und Sterblichkeit omnipräsent gemacht, es in unsere Köpfe gebracht. Gleichzeitig wird darüber diskutiert, welches Leben lebenswert ist. Glaubt Wermuth, dass wir nun anders über das Sterben denken? Eine Antwort darauf zu finden, ist wohl noch zu früh. Er selber hat durch die Pandemie aber dazugelernt: «Mir ist jetzt bewusster, dass der Tod noch viel unverhoffter eintreten kann.»

Der Seelsorger wünscht sich eines: Nähe

Wermuth hatte aber auch schöne Begegnungen. Er erzählt von einer Frau, die schwer an Corona erkrankte und wieder gesund wurde. «Sie war so froh, dass sie das Ganze überstanden hatte und war so dankbar für all die Unterstützung und Begleitung, die sie von allen erhielt, was mich sehr beeindruckte.»

Fürs neue Jahr wünscht er sich, dass wieder Normalität zurückkehrt, dass das Coronavirus bald einmal der Vergangenheit angehört. «Und was ich mir am meisten wünsche: Dass wir wieder mehr Nähe miteinander erleben können.» Dass man sorgsamer miteinander umgeht, im Wissen, dass das Leben schnell zu Ende gehen kann.

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