Tamedia wird das Verbot anfechten

Buch über Zuger Landammannfeier: Jolanda Spiess-Hegglin triumphiert über Michéle Binswanger

Jolanda Spiess-Hegglin vor dem MAZ, wo sie als Gast in einen Kurs über Medienethik eingeladen ist, August 2020 (Bild: ber)

Das Kantonsgericht Zug verbietet ein Buch über die Zuger Landammannfeier 2014. Und gibt der ehemalige Grüne Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin damit recht, die erneute Persönlichkeitsverletzungen befürchtete. Tamedia wehrt sich gegen den Entscheid.

Das Zuger Kantonsgericht hat entschieden: Die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger darf kein Buch und keinen Artikel über die Ereignisse an der Zuger Landammann-Feier 2014 veröffentlichen. Dies geht aus einem Urteil hervor, das zentralplus vorliegt. Wenn die Journalistin gegen das Verbot verstösst, kann sie gebüsst werden.

Gewehrt gegen die Publikation hatte sich Jolanda Spiess-Hegglin. Sie befürchtet, dass in dem Buch erneut ihre Persönlichkeitsrechte verletzt werden könnten (zentralplus berichtete). Entsprechend erleichtert reagiert sie nun auf den Entscheid. «Ich fühle mich befreit», sagt sie auf Anfrage. Die gerichtliche Auseinandersetzung habe sie in den letzten Monaten sehr viel Energie gekostet.

«Ich hoffe, die Sache hat sich mit diesem Entscheid nun erledigt und ich kann mich nun wieder meinen Projekten und Netzcourage widmen», meint Spiess-Hegglin.

Wird die Medienfreiheit eingeschränkt?

Das dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Das Urteil ist nämlich noch nicht rechtskräftig und kann innerhalb von zehn Tagen an das Zuger Obergericht weitergezogen werden. Tamedia hat bereits angekündigt, in Berufung zu gehen.

«Das Urteil des Zuger Kantonsgerichts verbietet einer Journalistin von Vornherein über ein Thema zu schreiben, das breit in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und zu dem weit über 1’000 Artikel veröffentlicht wurden», schreibt das Medienunternehmen in einer Stellungnahme. Eine derart weitgehende Einschränkung der Medienfreiheit sei «höchst bedenklich», weshalb man das Urteil weiterziehen werde.

Wie weit geht die Medienfreiheit? Die Frage, ob ein Buch bereits in der Recherchephase verboten werden darf, hatte vorgängig unter Medienanwälten für heftige Diskussionen gesorgt (zentralplus berichtete).

Das Zuger Kantonsgericht hat die Frage in diesem Fall so beantwortet: An den Ereignissen rund um die Zuger Landammannfeier bestehe kein öffentliches Interesse – und damit gebe es kein Recht auf eine Berichterstattung.

Partielles Berufsverbot? Davon will das Gericht nichts wissen

Die Journalistin hatte geltend gemacht, dass sich in diesem Zusammenhang mehrere Fragen stellen, die durchaus von öffentlichem Interesse seien. Etwa die Frage, ob das Justizsystem und die Medien den Fall angemessen behandelt hätten. Oder auch, wie die Zuger Politik auf die Vorkommnisse reagiert habe. Das Themenverbot komme einem partiellen Berufsverbot gleich.

Für diese Argumente hatte das Zuger Kantonsgericht aber kein Gehör. Der Rolle von Justiz, Medien und Politik in diesem Fall könne man auch nachgehen ohne die Persönlichkeitsrechte der ehemaligen Kantonsrätin zu verletzten. Das Verbot über die Geschehnisse an der Landammannfeier zu mutmassen komme auch nicht einem teilweisen Berufsverbot gleich. «Es dürften sich ausreichend andere Themen finden, über welche die Gesuchgegenerin berichten könnte», heisst es dazu im Urteil.

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9 Kommentare
  • Profilfoto von Hagner
    Hagner, 09.09.2020, 10:48 Uhr

    Man stelle sich vor, eine Frau und Politikerin, die NACHWEISLICH unter einer Krankheit leidet die Geschlechtsverkehr schmerzhaft macht, wird unter KO Tropfen gesetzt und vergewaltigt. Sie weiss nichts davon, da unter Drogen gesetzt. Am Tag darauf geht sie wegen Unterleibs-Schmerzen ins Spital, wo ihr gesagt wird, dass sie vermutlich vergewaltigt wurde. Der Spital meldet das den Behörden, und zwar OHNE IHR ZUTUN! Und nun beginnt omischerweise gegen die Frau, die Opfer ist, eine Schlammschlacht. Ihr wird unterstellt dass sie ihren Mann wissentlich betrogen habe. Hexenjagd so schlimm wie bei ISIS einfach ohne Steinigung.
    Sie rappelt sich im Lauf der Jahre auf und da sie ständig ungerechtfertigt im Internet und von den Zeitungen weiter als Hure beschimpft wird, statt das diese sie unterstützen,gründet sie eine Firma die Leute die im Internet gemobbt werden, unterstützt. Stark ist das!!! Und nun, nach Jahren, kommt eine Journalistin die für den Tagi schreibt und bekannt ist für ihre rechtsradikale, frauenfeindliche und sich bei konservativen Männern anbiedernde Art und beginnt ein Buch gegen Hegglin zu schreiben, in welchem sie die arme Frau nochmals aufs bösartigste entblösst. Zum Glück wir das Buch, sehr gerechtfertig, verboten! Fragen tue ich mich nur: Wo bleiben die Frauenrechtsverbände mit ihrer Unterstützung? Wo die sogenannt emanzipierten Frauen. Warum wird Frau Hegglin so wenig unterstützt. Und es zeigt mir eines: so weit von ISIS sind wir auch in der Schweiz noch nicht entfernt, Frauenhass ist gang und gäbe. Vor allem wenn Frau sich wert, oder, wie bei Hegglin, eine Institution sich für die Frau wehrt.

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    Joseph de Mol, 07.09.2020, 15:25 Uhr

    Hürlimann soll seine Memoiren veröffentlichen. Und ein, zwei ausführliche Kapitel der Landammanfeier widmen. Als Direktinvolviertem kann man ihm nur schwerlich einen Maulkorb verpassen!

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    Rene Baron, 06.09.2020, 07:35 Uhr

    Nachdem bereits zu dieser Sache mehr als 1000 Artikel veröffentlicht und heftigst diskutiert wurden, Hegglin sich – im Gegensatz zu Hürlimann den man schon vergessen hat – selber dauernd mit dem Thema wieder in die Medien spült, und sie sogar ihre Firma Netzcourage mit dieser Sache bewirbt, scheint es mir geradezu absurd, einer einzelnen Journalisten zu verbieten, all dieses Material in einem Buch zusammenzufassen. Notabenen präventiv, auf reine Vermutung hin!
    Man fragt sich auch, ob das Zuger Gericht nicht befangen ist, und das Verfahren nicht von neutralerer Stelle behandelt werden müsste.
    Im Endeffekt geht es um die Grundsatzfrage, inwiefern eine öffentliche Person, die Hegglin in der öffentlichen Wahnehmung nun mal ist, Autoren daran hindern darf, Medien-Geschichte historisch aufzuarbeiten.
    Ich finde, dieses Thema der präventiven Zensur – etwas Grunsätzliches von höchstem öffentlichen Interesse – muss deshalb öffentlich breit debattiert und im Bundesgericht final entschieden werden.

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    • Profilfoto von Markus Mathis
      Markus Mathis, 07.09.2020, 18:55 Uhr

      Sehr geehrter Herr Baron,

      Was die Öffentlichkeit interessiert und was rechtlich zulässig ist, sind zwei verschiedene Sachen. In den Affären Thomas Borer, Geri Müller und nun in dieser hier haben die Gerichte immer die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen höher eingestuft als das Amusement des Publikums. Man kann über all diese Personen denken was man will, aber Journalisten sollten diese Lehren ernst nehmen. Denn die Gerichte schützen so Existenzen, die zerstört wurden oder zerstört werden könnten.

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    • Profilfoto von Rene Baron
      Rene Baron, 09.09.2020, 16:41 Uhr

      Sehr geehrter Herr Mathis,
      Wenn sie die Begründung des Gerichts lesen, hätten sie gelesen, dass das Gericht die Veröffentlichung des Buches nicht aus persönlichkeitsverletzenden Gründen verboten hat (diese können nicht vermuten, sondern können erst dann berücksichtigt werden, wenn das Buch in gedruckter Form in die Oeffentlichkeit gelangt ist), sondern aus scheinbar mangelndem öffentlichn Interesse und entsprechend publizistischer Inrelevanz.
      Ihre Argumentation wäre – generell – schon richtig, aber in DIESEM Fall, wo das Gericht lediglich das öffentliche Interesse bemisst, nicht relevant.
      Fazit: in dieser Urteilsbegründung geht es nicht um JSH, sondern einzig und allein um die Frage, ob ein Gericht sich anmassen darf, das öffentliche Interesse zu beurteilen und nach eigenem Gutdünken Zensur anzuordnen. Immerhin war JSH eine öffentliche Person, und wenn sie es auch nicht mehr im juristischen Sinne ist, tut sie doch alles, damit es so bleibt.

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  • Profilfoto von Matthias Jauch
    Matthias Jauch, 05.09.2020, 14:44 Uhr

    @Markus Christen & Roland Grüter
    Ich teile Ihre Meinungen und frage mich WER in Zug Jolanda Spiess-Hegglin noch eine Stimme gibt? Mir wird’s beim hören dieses Namens «Jolanda Spiess-Hegglin» schon blümerant!

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    • Profilfoto von Hans Peter Roth
      Hans Peter Roth, 09.09.2020, 09:43 Uhr

      Aha! Frauen, die sich wehren, sind nicht so Ihr Ding?

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  • Profilfoto von Markus Christen
    Markus Christen, 05.09.2020, 08:27 Uhr

    Unglaublich. Alleine schon die Tatsache, dass mehr als 1000 Artikel darüber geschrieben wurden, beweist doch das öffentliche Interesse. Nur wegen einer möglichen Persönlichkeitsverletzung ein Buch zu verbieten ist Zensur und eines Rechtsstaates unwürdig.

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  • Profilfoto von Roland Grueter
    Roland Grueter, 04.09.2020, 18:19 Uhr

    Man kann nur hoffen, dass bei dieser Zensur-Aktion, auch des Kantonsgerichtes Zug, das Bundesgericht anders entscheiden wird.

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