Versuchte Tötung an der Luzerner Baselstrasse

«I kill you!» Mann schlägt mit Hammer auf Mitbewohner ein

Die Baselstrasse wurde Zeugin einer versuchten Tötung. (Bild: Archivbild: Filmstill Hugofilm)

Ein Streit zwischen zwei Männern eskalierte dermassen, dass ein 36-Jähriger seinen Kontrahenten mit einem Hammer attackierte. Dieser überlebte nur knapp. Nun musste sich der Angreifer vor dem Luzerner Kriminalgericht verantworten.

Die «Rue de Blamage» in Luzern mag mittlerweile ein Stück seiner berühmt-berüchtigten Reputation eingebüsst haben. Doch die Baselstrasse schreibt noch immer genügend Geschichten, um dem wenig schmeichelhaften Übernamen bis heute gerecht zu werden.

Eine solche Geschichte wurde am Dienstag am Luzerner Kriminalgericht behandelt. Sie spielte sich in einem Wohnblock in der Nacht auf den 23. Juli 2017 ab und wird von der Staatsanwältin folgendermassen geschildert: Der Beschuldigte, ein heute 36-jähriger Gambier, hat einen Drogencocktail aus Kokain, Cannabis und Alkohol (knapp 2 Promille) intus. Es ist knapp 1 Uhr. Er kommt nach Hause, geht in sein Zimmer und dreht die Musik auf.

Den Hammer trug er bei sich

Sein Mitbewohner mahnt ihn, die Lautstärke zu reduzieren, da seine Frau und sein Kind bereits schlafen würden. Die Ehefrau ist inzwischen aufgewacht und kommt hinzu, es entwickelt sich eine verbale Auseinandersetzung. Der Beschuldigte hebt sein Shirt hoch und präsentiert einen Schlosserhammer, den er im Hosenbund stecken hat. Er wendet sich seinem Mitbewohner zu: «I kill you!» Daraufhin schlägt er ihm mit dem Hammer gegen den Kopf.

Der Mitbewohner sinkt zu Boden, seine Ehefrau versucht ihn noch halten, damit er nicht zu hart aufprallt. Für kurze Zeit ist er bewusstlos. Er erleidet eine offene Trümmerfraktur am Schädel und eine Hirnblutung, er muss notoperiert werden. Nach der Tat verlässt der Beschuldigte das Haus. Wenig später wird er verhaftet.

Opfer leidet nun an epileptischen Anfällen

Das Opfer liegt derweil drei Wochen lang im Spital. Bis heute werde es von Flashbacks heimgesucht und leide seither an epileptischen Anfällen, wie seine Anwältin erklärte. Ausserdem zeichne eine grosse Narbe seinen Kopf. Der Mann macht eine Genugtuung in der Höhe von 40’000 Franken sowie Schadenersatz von gut 26’500 Franken geltend. Der Beschuldigte anerkennt grundsätzlich beide Forderungen, wobei die Höhe des Betrags vom Gericht zu beurteilen sei, wie sein Anwalt wissen liess.

«Hätte er seinen Mitbewohner tatsächlich umbringen wollen, hätte er mehr als einmal zugeschlagen.»»

Verteidiger des Beschuldigten

Er gesteht seine Schuld zwar ein – doch nur anhand der Ausführungen in den Akten. Denn an die Tat selber könne er sich nicht mehr erinnern. Dass er auch schon in den Wochen zuvor den Hammer mit sich getragen und den Mitbewohner bedroht hatte, stritt er in holprigem Deutsch vor Gericht allerdings ab.

Offenbar hat er den Hammer jedoch schon im Monat davor missbraucht, denn beim 36-Jährigen stehen weitere Delikte auf der Liste, für die er sich verantworten muss. So soll er im Treppenhaus des Wohnblocks einen Nachbarn am Hals gepackt und gewürgt haben und anschliessend Bargeld aus dessen Portemonnaie genommen haben. Mit dem Hammer soll er dem am Boden liegenden Opfer gegen die Knie geschlagen haben. Hinzu kommen sein Drogenkonsum und der Erwerb eines Elektroschockers.

Sechs Jahre Haft gefordert

Wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher schwerer Körperverletzung, Raub sowie Widerhandlungen gegen Betäubungsmittel- und Waffengesetz fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren, eine tausendfränkige Busse, eine ambulante Massnahme wegen des Drogenkonsums sowie einen zwölfjährigen Landesverweis für den Mann, der vor seiner Verhaftung als Maler arbeitete.

Der Verteidiger des Beschuldigten plädierte für eine Freiheitsstrafe von vier Jahren sowie eine Busse von 200 Franken. Er forderte bezüglich Hammerdelikt einen Teilfreispruch. «Hätte er seinen Mitbewohner tatsächlich umbringen wollen, hätte er mehr als einmal zugeschlagen.» Ausserdem habe er die Tat nicht geplant, den Tod seines Mitbewohners allerdings zugegebenermassen in Kauf genommen.

«Die Mutter erzählt dem Buben, Papa sei weit weg in Afrika.»

Verteidiger des Beschuldigten

Auch was den Raub anbelangt, sei sein Mandant, der mit auffälliger Zopffrisur im Gerichtssaal erschien, frei von Schuld. Denn der Nachbar sei nur einmal vernommen worden und anschliessend offenbar untergetaucht. Den Ausführungen des Nachbarn könne nicht getraut werden, zumal er den Täter trotz auffälliger Frisur später nicht einmal erkannt habe. So könne er sich leicht geirrt haben.

Dass sein Klient, der 2001 in die Schweiz kam, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen hat, stritt der Verteidiger nicht ab. Auch den Erwerb des Elektroschockers nicht. Jedoch habe der Elektroschockteil schon beim Kauf nicht funktioniert – einzig die eingebaute Taschenlampe. So könne von einem Gesetzesverstoss diesbezüglich keine Rede sein.

Rückkehr nach Gambia zumutbar?

Am meisten zu diskutieren gab jedoch der obligatorische Landesverweis, den eine versuchte Tötung mit sich bringt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft handelt es sich hierbei nicht um einen Härtefall. «Immerhin leben die Eltern sowie sieben der zehn Geschwister des Beschuldigten nach wie vor in Gambia», so die Staatsanwältin. Zu einigen der Familienmitglieder pflege er bis heute Kontakt.

Der Verteidiger hielt dagegen: «Mein Mandant ist verlobt und hat einen dreijährigen Sohn aus einer früheren Beziehung. Wird er ausgewiesen, wird das Kind seinen Vater wohl nie wiedersehen.» Dies gestalte sich aktuell bereits schwierig, denn die Mutter wolle nicht, dass der Bub seinen Vater im Gefängnis sieht. «Stattdessen erzählt sie ihm, Papa sei weit weg in Afrika», erzählte der Anwalt.

Die Staatsanwältin widersprach dem Schreckensszenario: «Häufig machen sich die Kinder in solchen Fällen später mit 16, 17, 18 Jahren auf die Suche nach ihrem Vater.»

Genaue Buchführung über Schulden

Es gab während der Verhandlung auch positive Noten. So sagte der Beschuldigte, dass er im vorzeitigen Strafvollzug wegen seiner Drogen- und Alkoholprobleme eine Therapie mache. Laut Staatsanwaltschaft hat er früher fast täglich gekifft und an den Wochenende neben Kokain auch Ecstasy konsumiert. Tatsächlich nehme er inzwischen nicht einmal mehr Medikamente als Substitute. Entsprechend sicher ist er sich, auch später in Freiheit clean zu bleiben.

Einmal hatte er zudem die Lacher auf seiner Seite, als er nach der Höhe seiner Schulden gefragt wurde. Den Betrag konnte er auf den Rappen genau nennen. 28’655 Franken sind es.

Mit einem Urteil des Kriminalgerichts ist in den nächsten Tagen zu rechnen.

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