Bisher kein Anstieg feststellbar

Häusliche Gewalt: Jetzt bieten Luzernerinnen und Luzerner Zimmer an

Dass häusliche Gewalt ansteigen könnte, beunruhigt offenbar viele Luzererinnen und Luzerner. (Bild: fotolia.de/Symbolbild)

Homeoffice, Kurzarbeit, geschlossene Schulen: Fachleute haben bereits kurz nach Ausbruch der Corona-Krise gewarnt, dass diese Mischung vermehrt zu häuslichen Konflikten führen könnte. Das hat die Bevölkerung in Luzern alarmiert – nun entstehen private Hilfsangebote.

«Für viele Frauen und Mädchen ist die Gefahr dort am grössten, wo sie eigentlich am sichersten sein sollten: in ihren Häusern.» Es sind starke Worte, die UNO-Generalsekretär António Guterres am Montag in einem Video an die Öffentlichkeit richtete.

In China wurde nach dem Ausbruch des Corona-Virus ein drastischer Anstieg der häuslichen Gewalt festgestellt. Ist das auch in Luzern so? Das Frauenhaus verzeichnet zwar einen deutlichen Anstieg der Anfragen, aber ob dies mit einer steigenden Anzahl der Gewalttaten zusammenhängt, ist nicht ganz klar. Möglich ist auch, dass sich die Opfer erst jetzt zur Wehr setzen, weil die Familie enger aufeinandersitzt (zentralplus berichtete).

Konkrete Zahlen zur Entwicklung der häuslichen Gewalt sind von der Luzerner Polizei nicht erhältlich – wohl aber eine erste Einschätzung aufgrund der Ausrückungen. Diese fällt eher positiv aus. «Wir stellen im Kanton Luzern keine Tendenz fest, dass es vermehrt zu häuslicher Gewalt kommt», sagt Sprecher Urs Wigger. Dies scheint in der ganzen Schweiz der Fall zu sein, wie Stefan Blättler von der Polizeidirektorenkonferenz letzte Woche an einer Medienkonferenz sagte.

Bei der Gewaltberatung Agredis, die sich an gewalttätig handelnde Männer und Jugendliche richtet, wurde bislang ebenfalls kein Anstieg der Anfragen festgestellt. Auch die Zahl der Wegweisungen wegen häuslicher Gewalt bewegt sich gemäss der Luzerner Beratungsstelle im normalen Bereich.

Menschen aufnehmen, die Hilfe brauchen

Das ist aber kein Grund, sich zurück zu lehnen: Die Sorge, dass die häusliche Gewalt zunimmt, treibt die Luzernerinnen und Luzerner um. Am vergangenen Montag hat die Luzerner Regierung gleich vier Vorstösse zum Thema beantwortet. Sie will künftig zwar mehr Ressourcen für die Prävention einsetzen, wie sie bekannt gab (zentralplus berichtete). Doch bis dieses Vorhaben umgesetzt ist, wird es Monate dauern.

So lange wollen manche Luzerner nicht warten. «Biete bei häuslicher Gewalt ein Zimmer an», schrieb einer kürzlich in einem Kleininserat in der Barni-Post. Dahinter steckt Peter Müller, der eigentlich anders heisst und in der Luzerner Agglomeration lebt. In diesem Bericht wird er nicht namentlich genannt, damit keine Rückschlüsse auf seine Adresse gezogen werden können.

Müller ist kürzlich in ein Einfamilienhaus gezogen. «Ich habe gelesen, dass es zu einer Häufung von häuslicher Gewalt kommen könnte. Schon als ich ein Kind war, hat meine Mutter regelmässig Menschen bei uns aufgenommen, die Hilfe brauchten.» Deshalb er sich entschieden, per Inserat betroffenen Frauen Unterstützung anzubieten.

Im Frauenhaus wird Schutz und Betreuung sichergestellt

Bisher hat sich noch niemand gemeldet. «Vielleicht liegt es daran, dass eine Frau nicht unbedingt zu einem fremden Mann gehen will», glaubt Müller. Er spannt daher mit einer Freundin zusammen, die ebenfalls bereit wäre, in ihrer Sechszimmer-Wohnung jemanden aufzunehmen.

Klar ist: Wer Opfer von häuslicher Gewalt wird, braucht keine Angst zu haben, im Frauenhaus abgewiesen zu werden. Die dortigen Fachpersonen sorgen für den nötigen Schutz und stellen sicher, dass die Frauen eine Unterkunft bekommen und professionell betreut werden.

So schön die Solidarität in der Bevölkerung ist: Private können dies nicht in dem Umfang sicherstellen.

Räumliche Trennung: In Corona-Zeiten erschwert

Anders sieht die Situation der mutmasslichen Täter aus. Wer wegen eines Vorfalls von häuslicher Gewalt aus der Wohnung weggewiesen wird, hat es in der jetzigen Situation schwer, eine Bleibe zu finden.

Die Gewaltberatungsstelle Agredis wird über jede Wegweisung informiert und nimmt mit den Beschuldigten Kontakt auf. «Manche übernachten danach in ihrem Auto, aber davon raten wir dringend ab. Nach ein paar Tagen halten das viele nicht mehr aus. Vereinzelt gehen sie dann zurück in die Wohnung und machen sich damit strafbar», so die Erfahrung von Geschäftsleiter Thomas Jost.

Auch bei den allenfalls betagten Eltern Unterschlupf zu suchen, sei derzeit wegen der Ansteckungsgefahr nicht empfehlenswert. «Die Kantone Schwyz und Uri haben daher bereits aktiv Kontakt mit Hotels aufgenommen, damit die Betroffenen dort unterkommen», so Jost. In Luzern bietet das Männerhaus eine Alternative.

«Wer merkt, dass ihn eine Situation überfordert, kann sich jederzeit bei uns melden – auch bevor diese eskaliert. Aber auch wer nach einer familiären Auseinandersetzung Probleme hat, eine Unterkunft zu finden, kann sich bei uns melden. Wir finden eine Lösung», verspricht Jost.

Auf einem neuen Merkblatt, an dem Agredis mitgearbeitet hat, bekommen Männer Empfehlungen, wie sie mit dem zusätzlichen Druck der Corona-Krise umgehen können.

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