Nach Blaufahrt

Behörden nehmen Leben einer Luzerner Künstlerin unter die Lupe

Weisswein zu trinken gehört an gesellschaftlichen Anlässen oft einfach dazu. (Bild: Pixabay)

Wer Alkohol getrunken hat, darf sich nicht ans Steuer setzen. Eine Luzerner Künstlerin kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn man diese Regel nicht ernst nimmt. Ein Gutachter rechnete Glas für Glas vor, wie viel sie in den Monaten vor einer Blaufahrt getrunken hatte.

An einer Vernissage oder einer Premiere gehört er einfach dazu: der Weisswein beim Apéro. An gesellschaftlichen Anlässen ist das Trinken von Alkohol eine Selbstverständlichkeit – und so mancher setzt sich danach trotzdem ans Steuer.

Die Auswirkungen können verheerend sein. Doch selbst wenn es nicht zu einem Unfall kommt, sind die Folgen einer Trunkenfahrt sehr unangenehm.

Eine Künstlerin aus Luzern erlebte das am eigenen Leib. Im Sommer 2019 fiel sie einer Patrouille der Luzerner Polizei durch eine unsichere Fahrweise auf. Als sie angehalten wurde, fiel den Polizisten ein leichtes Lallen auf. Umgehend wurde die Frau zum Alkoholtest auf den Polizeiposten gebracht.

Das Ergebnis zeigte 0,8 Milligramm Alkohol im Blut – was 1,6 Promille entspricht. Bei einem so hohen Wert muss das Strassenverkehrsamt zwingend abklären, ob die Person überhaupt noch geeignet ist, Auto zu fahren.

Nach Hause musste die Frau danach zu Fuss gehen, der Fahrausweis wurde ihr umgehend abgenommen. In den nächsten Wochen und Monaten wurde das Leben der Künstlerin penibel unter die Lupe genommen.

Peinlich genaue Fragen, nüchterne Fakten

Zunächst wurde sie von einem Gutachter befragt. Dieser wollte unter anderem genau wissen, wie viel Alkohol sie üblicherweise trinkt, wann sie das tut, ob sie noch andere Drogen usw. Danach untersuchte er ihre Haare nach Spuren von Alkoholmissbrauch.

Die Frau räumte ein, dass sie üblicherweise an zwei bis drei Tagen in der Woche etwa zwei bis drei Gläser Wein getrunken habe. Manchmal sei es ein bisschen mehr, manchmal etwas weniger – meistens im gesellschaftlichen Rahmen.

Der Gutachter aber rechnete genau nach. Er stellte in den Haaren Überreste eines Stoffes fest, der beim Alkoholabbau entsteht. Und zwar in einer Menge, die auf einen starken und chronischen Konsum hinweist. Konkret: auf fast eine Flasche Wein pro Tag.

Ein «unverzeihlicher Blödsinn»

Wenn andere im eigenen Leben rumschnüffeln, ist das mehr als unangenehm. Und so unternahm die Frau denn auch alles, um das zu ändern. Noch bevor das Gespräch mit dem Gutachter stattfand, hatte sie beschlossen, auf Alkohol zu verzichten. Ein «Blödsinn» und «unverzeihlich» sei es gewesen, an jenem Abend noch ins Auto zu steigen, sagte sie über ihre Blaufahrt.

Nach einem halben Jahr zeigte eine erneute Haaranalyse, dass die Frau Wort gehalten hatte. Keinen Tropfen Alkohol hatte sie mehr angerührt. Schwer war ihr das nicht gefallen – und auch der Gutachter attestierte, dass keine Sucht vorliegen würde.

Die Frau bekam den Fahrausweis zurück. Das Strassenverkehrsamt allerdings traute der Sache nicht ganz. Es machte ein weiteres halbes Jahr Abstinenz zur Bedingung.

Wie weit darf die Kontrolle gehen?

Das jedoch ging der Künstlerin zu weit. Sie beschwerte sich am Kantonsgericht und verlangte den Fahrausweis zurück – ohne Wenn und Aber. Das Gutachten habe ihre Fahrfähigkeit bestätigt und ihr attestiert, nicht alkoholsüchtig zu sein. Eine weitere Abstinenzkontrolle sei daher unverhältnismässig.

Das Strassenverkehrsamt machte geltend, dass zur Überwindung einer Sucht gemäss Bundesgericht eine langjährige Behandlung und in solchen Fällen eine bis zu dreijährige Totalabstinenz angemessen sei.

Das Kantonsgericht jedoch sieht das anders. Das Gutachten habe eben gerade keine Gefahr einer Suchtentwicklung festgestellt. Dass die Frau bei der Blaufahrt gelallt habe, sei ein Indiz dafür, dass sie nicht besonders trinkfest sei.

Massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte

Die Künstlerin habe sich von Anfang an einsichtig gezeigt und ihr Verhalten geändert. Das müsse man ihr zugutehalten. Bei der Blaufahrt handle es sich um einen «einmaligen, wenn auch groben Ausrutscher», heisst es im Urteil.

Weitere Kontrollen seien in diesem spezifischen Fall nicht mehr verhältnismässig. Die Frau hat ihren Fahrausweis also wieder zurück. Die ganze Geschichte zog sich letztlich über ein Jahr hin und war – wie das Kantonsgericht einräumt – mit massiven Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte verbunden. Dies ist jedoch aus Sicht der Richter gerechtfertigt, um zu verhindern, dass die Frau so weitermacht – und damit sich und andere gefährdet.

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