«Insta, Noten, Body & Sex»

Diese Themen brennen den Jugendlichen in der Zentralschweiz unter den Nägeln

Sich selber so zu lieben, wie man ist – Referentin Morena Diaz gab einen Einblick, wie ihr dies gelungen ist. (Bild: esa)

Schön sein, fit sein, Höchstleistungen erbringen: Jugendliche leiden heute vermehrt unter gesellschaftlichem Druck. Im Luzerner Südpol setzte eine Tagung letzte Woche einen Kontrapunkt.

Unbeschwertheit, Abenteuerlust, Freiheit – jung zu sein, ist klassischerweise positiv besetzt. Es gibt aber auch eine Kehrseite. Heute steht die Jugend teils unter massivem Druck. Das wurde an einer Impulstagung des Netzwerks für Offene Kinder- und Jugendarbeit Zentralschweiz (NOJZ) am Donnerstag nur allzu deutlich.

Das NOJZ ist ein Zusammenschluss der Jugendarbeiten aus den Kantonen Luzern, Schwyz, Uri, Ob- und Nidwalden. Die Impulstagung dient in erster Linie der Sensibilisierung für die Ursprünge und Auswirkungen von Druck auf Jugendliche.

Unter dem Titel «Insta, Noten, Body & Sex» wurde im Kulturzentrum Südpol über die Entwicklung eines gesunden Körperbewusstseins, über die Auslöser und Auswirkungen von Stress sowie über Möglichkeiten zur Stressbewältigung informiert und diskutiert.

Schwieriger Umgang mit Schönheitsidealen

Ein Stressfaktor für Jugendliche ist zum Beispiel der Umgang mit dem eigenen Körper. Dazu sprach als erste Referentin Morena Diaz. Die Influencerin betrieb in ihrer Jugend exzessiven Sport, um ein Schönheitsideal zu erfüllen und postete ihren «Erfolg» auf Instagram. An der Tagung sprach die mittlerweile 26-jährige Lehrerin über ihren Werdegang und darüber, wie sie sich nun für «Body Positivity» einsetzt – also für ein gesundes Körperbewusstsein.

Als Kernstück des Anlasses gab es eine sogenannte «Living Library». Dabei hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, aus einem «menschlichen Buch zu lesen». Hierzu stellten sich Menschen mit besonderen Lebens-Herausforderungen zur Verfügung und gaben Interessierten Einblicke in ihre persönlichen Drucksituationen.

Auch Diaz stand als ein «offenes Buch» zur Verfügung. Die Teilnehmenden konnten ihr Fragen stellen und so erfahren, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert war und wie sie damit umgegangen ist. Ihr Fokus stand demnach das Körperbewusstsein in Zeiten digitaler Zurschaustellung. Andere Betroffene schilderten ihr Leben mit einer chronischen Krankheit, den Übergang zum Mann in einem Frauenkörper, den Druck einer Leistungssportlerin oder die Herausforderungen eines selbstfinanzierten Medizin-Studiums.

Stress: Eine der grössten Bedrohungen des 21. Jahrhunderts

Die NOJZ-Impulstagung war zwar klar auf ein Fachpublikum ausgerichtet. Aber nichtsdestotrotz zeigte es sich, dass das Thema letztlich alle angeht und dass Lösungsansätze für die Minderung des sozialen Drucks wichtig sind – nicht nur für diejenigen, die beruflich direkt davon betroffen sind.

Nicht umsonst stuft die Weltgesundheitsorganisation Stress als eine der grössten Bedrohungen des 21. Jahrhunderts ein. So sprach zum Beispiel Nadine Plaschy Moreau über veränderte gesellschaftliche Strukturen und deren Auswirkungen auf die Psyche von jungen Menschen. In der Schweiz gebe es immer noch und überall eine katastrophale Unterversorgung psychisch kranker Kinder, wodurch auch die Suizid- und Drogenmissbrauchsrate steige.

Die Ursprünge für den Stress sind vielfältig. Einerseits ist der schulische Leistungsdruck in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen, andererseits hat sich das Medienverhalten extrem verändert. Durch das Internet und seine Netzwerke ist die Gefahr nun viel grösser, dass man sich mit unrealistischen Bildern vergleicht und einem Ideal nachrennt, das nicht zu erreichen ist. Dies wiederum kann depressiv machen. Das gilt besonders für weibliche, aber zunehmend auch für männliche Jugendliche.

Eine offene Gesprächskultur hilft

Es sind auch mehrheitlich Mädchen, die an den Ansprüchen, die sie an sich selbst stellen (seien diese körperlicher oder schulischer Natur) leiden. Kommt hinzu, dass eine zunehmende gesellschaftliche Isolation um sich greift, wodurch die Menschen es schwieriger haben, über ihre Probleme zu reden. Deshalb empfehlen die Expertinnen, beim Umgang mit Jugendlichen aufmerksam zu sein, Präsenz und besonders viel Empathie, also Mitgefühl, zu zeigen.

Um die Auswirkungen von Druck und Stress nicht überborden zu lassen, wird geraten, frühzeitig mit den Kindern und Jugendlichen zu reden, eine offene Gesprächskultur zu pflegen und Unterstützung anzubieten. Das Gefühl zu haben, mit niemandem über seine Probleme sprechen zu können und auf sich alleine gestellt zu sein, verstärke die Depressions-Zustände und könne in einen Strudel führen, der es immer schwieriger macht, wieder herauszukommen. Es ist also entscheidend, die Warnsignale frühzeitig zu erkennen.

Lockerungsübungen und Lach-Yoga

Für das letzte Referat präsentierten Alexandra Kaufmann und Daisy Kuliszkiewicz ihre Bachelor-Arbeit über die Rolle von Jugendarbeiten und deren Möglichkeiten zur Stressprävention.

Druck im Jugendalter ist eine zunehmend dringliche Problematik, davon sind die Organisatoren überzeugt. Die Entwicklung hat vielfältige Ursprünge und wird auch medial immer mehr diskutiert. Um konkrete Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen, bemühte sich das Tagungs-OK, zwischen den Referats-Terminen Lockerungsübungen zu machen und am Ende fand ein gemeinsames Lach-Yoga statt.

Unterstützt wurde die diesjährige Impulstagung zudem von der schweizweiten Kampagne «Wie geht’s dir», die sich für Seelenstärkung einsetzt und vom Kanton Luzern mitgetragen wird. Gemeinsam will man erreichen, das die Kinder- und Jugendeinrichtungen besser mit dem Thema umgehen. Mitorganisatorin Kim Bui sagt dazu: «Das Ziel ist, dass wir das, was wir heute gehört haben, in die Jugendarbeitstellen und die Schulsozialarbeit mitnehmen.»

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