Blue Balls: Melody Gardot verdreht allen den Kopf

Was macht Urs Leierer, wenn er mit diesem Jazzstar hinter der Bühne sitzt?

«Essenz, Zeichen meiner Wiedergeburt»: Melody Gardot auf ihrer neusten CD, fast geheilt nach schwerem Unfall.

(Bild: zvg)

Die Ärzte sagten ihr einst nach einem fatalen Unfall, sie könne nie mehr laufen. Heute ist Melody Gardot eine der besten Jazzsängerinnen der Welt. Die Amerikanerin ist ein gern gesehener Gast am Blue Balls. Urs Leierer empfing sie zum vierten Mal, wie immer auch hinter der Bühne. Und half ihr gar bei der Kleiderauswahl.

Sie liebt die langsame Bewegung und die melancholische Musik, versteckt sich hinter der Sonnenbrille vor dem Scheinwerferlicht und ist vielleicht gerade deswegen so attraktiv und beliebt: US-Sängerin Melody Gardot (33) ist die Künstlerin mit der rauen Stimme, die in ihren Songs selbst Flüche wie Liebesbekundungen erklingen lässt. 

Doch wer hinter der Bühne eine Femme fatale wie im Spotlight erwartet, ist überrascht: Da steht eine charmante Lady des Jazz, die Wiener und Warschauer Wurzeln hat, in New Jersey zur Welt kam und heute in Paris lebt – wenn sie denn nicht auf Tour ist, wie gerade jetzt.

«Ich bin mit lauter Männern unterwegs, der Bus riecht nach kalten Socken.»

Melody Gardot, Jazzsängerin

Im Direktorenraum des KKL lacht und plaudert Melody Gardot und hält die ganze Blue-Balls-Belegschaft auf Trab. Sie erzählt nach ihrem umjubelten Auftritt, kurz bevor sie sich auf eine zwölfstündige Fahrt nach Berlin begibt: «Ich bin mit lauter Männern unterwegs, der Bus riecht nach kalten Socken, überall liegen Bierdosen rum – zum Glück muss ich mit denen nicht auch noch mein Zimmer teilen.»

Zum vierten Mal zufrieden miteinander: die Sängerin und der Festivalleiter nach dem Konzert im KKL.

Zum vierten Mal zufrieden miteinander: die Sängerin und der Festivalleiter nach dem Konzert im KKL.

(Bild: Beat Kienholz)

Melody Gardot ist gut gelaunt, schliesslich wurde sie soeben von über 1’000 Zuschauern gefeiert. Mit Standing Ovations. Denn man kennt die Sängerin in Luzern, gastierte sie doch bereits zum vierten Male am Blue Balls. Festival-Chef Urs Leierer erwähnt: «Du hattest damals deinen ersten Auftritt in der Schweiz, gleich nach deinem Debütalbum.» Melody quittiert das mit einem Lächeln und anerkennendem Kopfnicken. Ihre Augen sieht man aber nicht.

Denn Melody Gardot trägt stets eine Sonnenbrille, weil sie im Alter von 19 Jahren einen tragischen Umfall erlitt, als sie auf dem Velo von einem Jeep angefahren wurde. Sie lag elf Monate im Spital, da sie sich eine schwere Rückenverletzung sowie ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen hatte, woran sie noch heute leidet und hypersensible Augen hat. Bis vor wenigen Jahren musste sie am Stock gehen, auch auf der Bühne. 

High Heels neben dem Spitalbett

Tempi passati, wie sie sich freut. Ihr Wille hat die Prognosen der Ärzte zu Lügen gemacht, die ihr sagten, sie werde nie mehr laufen können. Doch Melody trotzte und liess sich High Heels neben das Bett legen. Immer wieder sagte sie sich: «Darin will ich einst wieder tanzen!»

«Auf der Bühne vergesse ich den Schmerz, ich bin so fokussiert. Musik ist meine beste Droge.»

Das tut sie heute. Und sagt: «Auf der Bühne vergesse ich den Schmerz, ich bin so fokussiert. Musik ist meine beste Droge.» Um diese Auferstehung zu feiern, liess sie sich für ihr neustes Live-Album nackt ablichten. «Nackt, das ist die Essenz, es ist eine Art Wiedergeburt durch die Musik. Ich geniesse die Freiheit, wieder normal stehen zu können.» Deshalb tourt sie oft, auch wenn sie wie in dieser Woche dreimal die Nacht im Bus verbringen muss.

Ans Blue Balls Festival kommt sie immer gerne. «Mir gefällt es sehr gut in Luzern. Ich geniesse das Zimmer im Hotel Schweizerhof mit Blick über den See, laufe auch manchmal am Quai entlang.» Das Festival sei perfekt organisiert und alle Stars seien nah beieinander. «Da kann man sich gut austauschen. Ich erinnere mich etwa an eine nette Begegnung mit Sänger Mika.»

Melody Gardot lobt die Blue-Balls-Programmhefte für ihr kreatives Design in nur drei Farben. «Und ich finde toll, dass die Blue Balls Faces auf den Plakaten noch unbekannt sind: Laura Mvula etwa hast du doch zum Star gemacht, oder, Urs? Sie ist so eine talentierte Musikerin …» 

«Wenn mich eine Lady darum bittet, helfe ich ihr selbstverständlich gerne.»

Urs Leierer auf Melodys Bitte, das Outfit für den Auftritt auszuwählen

Deshalb geniesst Urs Leierer bei Melody Gardot mittlerweile besondere Privilegien: Sie bat ihn aus ihrem Garderobenschrank mit rund 15 Kostümen das Outfit für den Konzertabend gemeinsam auszusuchen. «Wenn mich eine Lady darum bittet, helfe ich ihr selbstverständlich gerne.»

Ein Herz und eine Seele im Direktorenraum des KKL: Melody Gardot und Urs Leierer.

Ein Herz und eine Seele im Direktorenraum des KKL: Melody Gardot und Urs Leierer.

(Bild: Beat Kienholz)

Sie entschieden sich für schwarze Paillettenhosen und einen eleganten langen Mantel. «Das war spontan, das ergab sich halt so …», sagt die Sängerin mit breitem Lachen. 

«Urs hat Stil, schaut doch seine Brille an!»

Ob der Blue-Balls-Chef denn gut gewählt habe? Melody Gardot postwendend: «Klar, denn Urs hat Stil, schaut doch seine Brille an!» Auch Melody Gardot ist sehr stilbewusst, das ist mit ein Grund, weshalb sie seit 15 Monaten in Paris wohnt und nicht mehr in die USA zurück will. 

Europa sei viel spannender, hier hat sie auch viel mehr Fans als in ihrer Heimat. «Die Natur in Luzern ist so schön – dieser wunderbare See! Ich träume immer noch von einer Pedalofahrt, kam aber leider bislang nie dazu. Aber das nächste Mal planen wir auf der Tour einen Day off. Oder, Urs?»

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