50 Fragen an ... Fredy Studer

Anarchie, Weisswein und Karate

Fredy Studer in seinem Probelokal im Sedel. (ybi)

Er ist einer von Luzerns einflussreichsten Schlagzeugern: Fredy Studer. Im Gespräch mit zentralplus verrät er, welchen Einfluss Drogen auf seine Beziehung zur Musik haben, wer seine Kulturhelden sind und warum er keine Kinder wollte. 

Freitagnachmittag: Wir treffen Fredy Studer an der Bar im Sopranos Luzern. Der Schlagzeuger verrät, dass er die letzte Nacht durchgemacht hat – er war an einem Konzert im Zürcher Helsinki Club. Nach einen Gläschen Weisswein geht’s anschliessend in den Sedel. Hier hat Studer seinen Proberaum und will uns nach dem Interview auch gleich noch etwas vorspielen.

An den Wänden des Proberaums hängen zahlreiche Bilder von Bands und Projekten der letzten Jahrzehnte: OM, Koch-Schütz-Studer, Phall Fatale und viele weitere erzählen die musikalische Geschichte Studers. Dieser ist zwar offiziell pensioniert; zur Ruhe kommt er jedoch nicht. Im Gegenteil. Um für seine zahlreichen Konzerte fit zu bleiben, trainiert  der Schlagzeuger regelmässig Karate und trägt dort gar den schwarzen Gürtel.

zentralplus: 1. Fredy Studer, Rockschlagzeuger oder Jazzschlagzeuger?

Fredy Studer: Weder noch. Zu limitiert.

2. Willisauer Jazzfestival oder Stanser Musiktage?

Willisauer Jazzfestival.

So klingt Fredy Studer am Willisauer Jazzfestival:

3. Was kostet Ihr Schlagzeug?

Das da? Studer zeigt auf ein gelbes Schlagzeug in der rechten Ecke des Proberaums. Das habe ich Anfang der 80er von der Firma, mit der ich ein Agreement habe, gratis bekommen. Jemand wollte es mir mal für 15’000 Dollar abkaufen, doch ich behalte es. Es gibt genau zwei auf der Welt und die gehören beide mir.

4. Wie gut kennen Sie die aktuelle Luzerner Musikszene?

Zögert. Die Sedel- und die Improszene kenne ich ein wenig. Viel kenne ich ansonsten nicht, ich entdecke aber immer wieder Neues. Im Himmelrich habe ich zum Beispiel Pink Panther (Pink Spider, Anm. der Redaktion) zum ersten Mal live gehört. 

5. Was ist die Essenz Ihrer Band OM, welche die europäische Jazz-Szene bis heute beeinflusst?

Wurzeln und eine Freundschaft, die hält, von 1972 bis heute. (Neben Studer spielen Saxofonist Urs Leimgruber, Gitarrist Christy Doran und Bassist Bobby Burri bei der Band mit, Anm. der Redaktion)

6. Was unterscheidet OM damals von OM heute?

Damals haben wir auch Kompositionen gespielt, heute improvisieren wir nur noch. Aktuell arbeiten wir an einem ganz neuen Konzept.

7. Was für ein Konzept?

Das verrate ich nicht. Im bau 4 in Altbüron kann man das Ergebnis dann hören.

8. OM wurde als eine der besten Rock- und Pop-Jazz-Gruppen Europas gewürdigt. Was haben Sie gemacht, das niemand sonst wagte?

Wir waren laut und spielten mit Verstärkern, das war im Jazzbereich damals neu. Für das Rockpublikum waren wir anfangs zu schräg und für das Jazzpublikum zu laut. Trotzdem haben wir uns erst in Deutschland und dann auch in der Schweiz durchgesetzt.

«Die Musik haben wir in dieser Zeit auch mithilfe von sehr guten Substanzen zu verstehen gelernt.»

9. Wieso haben Sie sich 1982 getrennt?

Nach zehn Jahren herrschte nicht mehr die gleiche Dynamik und gewisse Dinge haben sich wiederholt.

10. Wieso haben Sie den bau 4 als Ort der aktuellen Zusammenkunft gewählt?

Christy Doran und Urs Leimgruber haben schon dort gespielt. Der bau 4 ist ein Ort, der etwas wagt, und wo eine anständige Gage gezahlt wird.

11. Was ist eine anständige Gage?

Mindestens 500 Franken pro Musiker ist eine gute Gage.

12. Haben Sie ein Ritual vor Ihren Auftritten?

Das handhabt jeder individuell.

13. Ihres?

Ich nehme ein Glas Weisswein oder zwei.

14. Ihre Musik als alkoholisches Getränk?

Hot Sake.

15. Titel Ihrer Autobiografie?

«Now is the time».

16. Ihr grösstes verborgenes Talent?

Insektenforscher.

17. Wo hört der Spass auf?

Bei Ungerechtigkeit. Überlegt lange. Wobei, Dummheit finde ich noch fast schlimmer.

18. Was hören Sie beim Glätten, Kochen, Fensterputzen?

Glätten tue ich nicht, kochen tut meistens meine Freundin und beim Fensterputzen höre ich der Reuss zu.

19. Wann haben Sie das letzte Mal Tränen in den Augen gehabt?

Kürzlich, als wir eine unserer Katzen einschläfern mussten. Sie hatte Krebs.

20. Welche Musik haben Ihre Eltern zuhause gehört?

Radio Beromünster mit Marschmusik, Operetten, deutschem Schlager und Ländlermusik.

21. Ihr Traumberuf als Kind?

Lokomotivführer. Lacht.

22. Wer hat Sie Schlagzeug spielen gelehrt?

Ich bin Autodidakt und habe mir alles selber beigebracht. 

23. Sie spielten früher bei der Fasnachtsmusik Vikinger. Was ist heute Ihr Bezug zur Fasnacht?

Langer Seufzer. Es gibt keinen mehr – Fasnacht, Stadtfest, Altstadtfest sind zu austauschbaren Massenanlässen geworden.

24. Wie sind Sie zum Jazz gekommen?

Lange Geschichte. Ein Schlüsselerlebnis war das Konzert der Jimi Hendrix Experience 1967 im Londoner Marquee Club. Ich entdeckte dort die Improvisation und der Schlagzeuger Mitch Mitchell wurde mein Idol. Durch ihn bin ich auf weitere Musiker aufmerksam geworden. So ging es von Null auf Hundert innerhalb von zwei Jahren. Die Musik haben wir in dieser Zeit auch mithilfe von sehr guten Substanzen verstehen gelernt. 

25. Gute Substanzen?

Wir experimentierten mit Haschisch, Speed und LSD, was uns half, auch fremde und nicht leicht zugängliche Musik innerhalb von sehr kurzer Zeit zu erfassen – nicht unbedingt intellektuell, eher gefühlsmässig. Das gesamte Musikspektrum ging dadurch auf wie eine Sonnenblume.

26. Gab es auch schlechte Erfahrungen?

Logisch erlebt man auch mal einen schlechten Trip, doch wie sagte schon Paracelsus: Alles ist Gift, alles ist Medizin – auf die Dosierung kommt es an. Ausserdem habe ich nie gespritzt wie einige Kollegen, die dann leider früh abgetreten sind.

27. Erzählen Sie uns eine Geschichte über Ihr erstes Schlagzeug.

Mein erstes Schlagzeug bestand aus einem Blech an der Wand und einem Tamburin auf einem Holzpflock. Es stand in der Garage von Christy Dorans Eltern; alte Radios dienten als Verstärker. Lacht. Alles sehr rudimentär.

Wir reichen Studer Stift und Papier in die Hand und bitten ihn, es zu zeichnen.

Fredy Studers erstes Schlagzeug bestand aus einem Blech an der Wand und einem Tamburin auf einem Holzpflock.

Fredy Studers erstes Schlagzeug bestand aus einem Blech an der Wand und einem Tamburin auf einem Holzpflock.

28. Was sagten Ihre Eltern zu Ihrer Musik?

Gesagt haben sie nicht viel. Anfangs herrschte grosses Unverständnis. Später als ich dann in die Zeitung kam und Preise gewann, waren sie sehr stolz auf mich.

29. Ihr schlimmster Auftritt?

Der war in den 70ern in Kriens, als sich die Schlagzeug-Cymbals während eines Auftritts plötzlich in eine einzige Bronzemasse verwandelt haben. Jemand hat mir vor dem Auftritt LSD ins Bier geschüttet.

30. Wie wohnen Sie?

Ich wohne bei meiner Freundin in der Wohnung in einem kleinen Töpferhäuschen am St.-Karli-Quai. Mein Refugium befindet sich im zweiten Stock – dort kann man nicht wohnen, aber hausen. Ich habe dort meine Platten und Bücher und kann mitten in der Nacht laut Musik hören, ohne dass es jemanden stört.

31. Haben Sie Kinder?

Nein. Für mich war immer klar, dass ich keine Kinder will. Nicht, weil ich sie nicht mag, sondern weil ich ein zu guter Vater gewesen wäre und mir keine Zeit genommen hätte für die Dinge, die ich für mich machen will.

32. Und das wären?

Mich voll auf die Musik zu konzentrieren.

33. Was wollen Sie musikalisch noch erreichen?

Immer mehr auf den Punkt kommen – das hört nie auf.

34. Was üben Sie aktuell?

Ganz unterschiedlich. Nach Konzerten weiss ich aber immer genau, wo ich ansetzen muss.

«Heute ist alles Kultur.»

35. Wie nehmen Sie die Luzerner Kultur heute im Vergleich zu früher wahr?

Heute ist alles Kultur. Was einerseits stimmt und andererseits völlig nicht.

36. Was war früher anders?

Ende der 60er wusste niemand, wohin die Welt geht. Alles war offen und dadurch herrschte ein sehr freies Klima. Es war eine fast schon anarchische Zeit.

37. Wo hat man sich getroffen?

Wir machten Parkhaus-Sessions oder trafen uns hinter dem Löwendenkmal in einem Luftschutzkeller. Dort gab es grosse Räume und die halbe Szene ist jeweils nachts oder übers Wochenende darin verschwunden.

38. Sie haben mit OM den Anerkennungspreis der Stadt Luzern erhalten. Welche Luzerner hätten sonst noch so einen Preis verdient?

Alle, die ohne Subventionen etwas bewirken. Frasi Müller, bevor er krank wurde, oder Martin Gössi zum Beispiel.

«Es geht oft nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um die Wertschöpfung und Einschaltquoten.»

39. Die Musik verlagert sich ins Internet: Musikschaffende sind heute eine eigene Firma, Manager ihrer selbst. Was hat das für einen Musiker wie Fredy Studer für Konsequenzen?

Die Digitalisierung hat auf mich keine direkten Konsequenzen. Die Stimme wird ernst, man merkt, dass ihm das Thema wichtig ist. Jedoch finde ich, dass sich auch die analoge Welt massiv verändert hat. Es geht oft nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um die Wertschöpfung und Einschaltquoten.

40. Wo stehen Sie politisch?

Ich wäre eher links. Die Linken und die Grünen haben mich in den letzten Jahren allerdings enttäuscht, da sie wichtige Themen nicht ansprechen. Der Rechtsrutsch hat auch damit zu tun. Die Partei, die mir passen würde, die gibt es nicht.

41. Wie beschreiben Sie einem Taubstummen Ihre Musik?

Er antwortet spontan mit einer Mimik.

42. Sie sind das älteste Bandmitglied von Phall Fatale. Ab wann fühlt man sich dort alt?

Solange ich fit bin, fühle ich mich überhaupt nicht alt, und solange die anderen nichts sagen, sowieso nicht.

43. Für was geben Sie unverhältnismässig viel Geld aus?

Essen. Überlegt. Essen und Trinken. Lacht. Das gehört ja zusammen.

44. Wie hat sich Ihr Spiel im Laufe der Jahre verändert?

Es ist besser geworden. Hoffe ich.

45. Ihre Lieblingsbeiz in Luzern?

Ich bin nicht so auf Orte fixiert. Das Sopranos mag ich, weil es bei mir in der Gegend ist. Oder die Magdi Bar.

46. Warum hat Fredy Studer nie an der Jazzschule unterrichtet respektive diese nicht mitbegründet (die anderen drei OMs haben das gemacht)?

Als Autodidakt ist das nichts für mich. Ich gebe ab und zu Workshops, ein Lehrplan ist allerdings nicht mein Ding.

47. Welche Musiker gilt es in der Schweiz zu beachten?

Irène Schweizer, Joy Frempong, Joana Aderi, Flo Stoffner und Julian Sartorius

48. Wo lebt das beste Publikum?

Es gibt überall gutes Publikum. Extrem war es in Japan. Nach dem Konzert kamen alle zu uns an die Bar und haben jedem von uns die Hand geschüttelt.

49. Gegen wen wehren Sie sich mit Karate?

Gegen mich selber.

50. Was steht bei Ihnen in nächster Zeit so an?

Eine grosse Sache sind die Vorbereitungen für meine Solo-Aufnahmen. Dann erfahren wir im April, ob wir mit «Doran-Stucky-Studer-Tacuma play the music of Jimi Hendrix» in München in den Final kommen für den BMW Welt Jazz Award. Und natürlich auch verschiedene Konzerte und Festivals.

Die nächsten Auftritte von Fredy Studer:

31. März im «Magdi» in Luzern spiele ich solo (anlässlich der Buchvernissage von Pirmin Bossart)
8. April mit OM in Altbüron
15. April in Zürich mit Saadet Türköz und Roberto Domeniconi
19. April im Moods in Zürich mit Fred Frith und Alfred Zimmerlin
21. April mit Koch-Schütz-Studer im Palace in St. Gallen, anlässlich einer Ausstellung zu Peter Liechti
23. April in Bern und am 24. April in Lugano mit Joana Aderi

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