Was FCL und EVZ im Hintergrund leisten

«Der Teamgedanke steht vor dem eigenen Willen»

Aussicht von der obersten Wohnung der Pilatus Akademie.

(Bild: cha)

Spitzensport begeistert die Massen. Doch nebst sportlichen Erfolgen und Misserfolgen der Spitzensportmannschaften steuern die Sportvereine weit mehr zur Gesellschaft bei. Es geht um Integration, Teamzugehörigkeit und Perspektiven. Und um noch viel mehr.

Findet ein Spiel statt, strömen jeweils tausende Zuschauer ins Stadion. In der aufgebrausten Stimmung wird so lange geschrien und gejubelt, bis der Ball oder der Puck im Tor landet. In erster Linie geht es um Erfolge, die Tabellenspitze zu übernehmen, den Titel zu holen. Doch FC Luzern und EV Zug bedeuten nicht nur, tausende Fans ins Stadion zu locken und dabei einen Sieg zu erspielen.

Im Hintergrund leisten diese Sportvereine viel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Sie integrieren, fördern und fordern. Denn Teamsport verbindet, trainiert nicht nur den Körper sondern auch das Sozialverhalten. Das – und noch viel mehr – sind essenzielle, aussersportliche Fähigkeiten, die den Jungtalenten mit auf den Weg gegeben werden.

Püntklichkeit, Durchsetzungsvermögen und Eigenverantwortung

«Insgesamt 160 Nachwuchsspieler haben beim FCL den Traum, Profifussballer zu werden», erklärt Joachim Berchtold vom Leitungsteam des Wohnbereichs der Pilatus Akademie (siehe Box). Und nebst Taktik, Ballkontrolle, Passen und Abschluss würden die Kinder und Jugendlichen sowie die jungen Erwachsenen viele Dinge lernen, die nützlich sind. «Das sind etwa die Förderung des Sozialverhaltens, Übernehmen von Eigenverantwortung und Kritikfähigkeit», sagt Berchtold.

«Die Fussballsprache ist international.»

Joachim Berchtold, Betreuer

Insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund bieten Teamsportarten, wie beispielsweise Fussball, eine gute Integrationsplattform. «Schätzungsweise die Hälfte der Nachwuchsspieler haben einen Migrationshintergrund. Fussball ist ein Sport, den man überall spielen kann. Dies macht Fussball zu einer weltweit sehr beliebten Freizeitbeschäftigung», betont Joachim Berchtold. Diese Beschäftigung sei auf jeden Fall sinnvoll für die Integration. «Fussball kann mit wenigen oder einfachen Worten gespielt werden», wodurch die Sprachbarriere reduziert werde. «Die Sprache des Fussballs ist international.»

Kämpferische Ausländer

Die Zusammensetzung der Schweizer Fussballnationalmannschaft zeige, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund voll auf die Karte Sport setzen und von zu Hause aus auch eher gepusht werden. Diese Tendenz sei auch beim FCL-Nachwuchs erkennbar, stellt Joachim Berchtold fest.

Grundidee: Distanzen ausmerzen

Eine Talents Card berechtigen Jungtalente aus Sport, Musik und Kunst zwischen 16 und 21 Jahren ein Zimmer in der Pilatus Akademie zu beziehen. Ein Doppelzimmer kostet monatlich 450, respektive ein Einzelzimmer 550 Franken. Bedingungen sind unter anderem, dass eine Ausbildung absolviert wird und sie wöchentlich mehrere Stunden üben. Zwar wird die Akademie nicht vom FCL betrieben, sondern von einer gemeinnützigen Stiftung getragen. Aber die Nähe zum Luzerner Fussballverein ist durchaus gegeben.

Die Grundidee der Akademie sei, dass viele Jungtalente, die nicht in Luzern wohnen, ein vielseitiges Angebot an einem Ort hätten. «Sie müssen oftmals grosse Distanzen von zu Hause, zum Ausbildungsort und zum Training absolvieren. Wenn wir diese Fahrtzeiten wegsparen, bedeutet dies mehr Zeit für Hausaufgaben und Regeneration», so Joachim Berchtold.

Ein wichtiger Pfeiler in der Förderung von Jungtalenten bietet die, im Oktober 2014 in Betrieb genommene, Pilatus Akademie auf der Allmend. Ein Gebäude, das nebst Cafeteria und Schulungsräumen auf den drei obersten Stockwerken ein Internat mit 20 Betten bietet. Zwar spielt hier die Leistung eine wichtige Rolle. Die persönliche Entwicklung ist jedoch genauso im Konzept festgeschrieben. So steht auf der Homepage: «Der Weg an die Spitze ist anstrengend, lang und steinig: jedoch für die Charakterbildung lohnenswert.»

Ausbildung als Absicherung

«In der Akademie werden Jungtalente aus den Bereichen Sport, Musik und Tanz untergebracht», erklärt Berchtold. Die Talents Card würde Jungtalente zwischen 16 und 21 Jahren berechtigen, einen Wohnplatz in der Akademie zu ergattern. «Wer hier wohnt, schliesst mit uns eine Leistungsvereinbarung ab. Wichtiges Kriterium, ist, dass sie nebst dem Sport eine Ausbildung absolvieren, um sich so für die längerfristige Zukunft abzusichern.»

Persönlichkeitsentwicklung ist ein wichtiges Stichwort: «Hier waschen sie ihre Kleider selbst und lernen mit Hilfe von verschiedenen Workshops Eigenverantwortung für sich und ihre Gesundheit zu übernehmen.» Etwa Workshops zu den Themen Ernährung und dem Umgang mit Medien vermitteln den Jungtalenten aussersportliche Fähigkeiten. «Auch die Gestaltung der Räume – jeder Bewohner malt ein Bild von seinem Idol – gehört dazu. Wir wollen damit ungeahnte Fähigkeiten herauszukitzeln», so Joachim Berchtold.

«Sport verbindet und fördert damit auch den Zusammenhalt und die Integration.»

Marisa Hürlimann, EVZ-Kommunikationsverantwortliche

«Vertrauen erleben»

«Hauptsächlich sollen die jungen Erwachsenen in ihrer Persönlichkeit eine Entwicklung machen können. Der junge Mensch soll hier drin selbständiger werden und Eigenverantwortung übernehmen. Und auch Vertrauen erleben, wenn es sportlich vielleicht mal nicht so gut läuft», resümiert Berchtold.

Beim Zuger Eishockeyverein setzt man derweil ebenfalls stark auf Jungtalente. Gleich fünf Spieler hat der EVZ aus dem eigenen Nachwuchs in die 1. Mannschaft befördert. «Der Eissportverein Zug umfasst zehn Juniorenmannschaften mit insgesamt 454 Mitgliedern. Sport verbindet und fördert damit auch den Zusammenhalt und die Integration», erklärt Marisa Hürlimann, Kommunikationsverantwortliche beim EVZ.

Team vor Individuum

Auf der anderen Seite leiste der EVZ mit einer grossen Nachwuchsabteilung einen wichtigen Beitrag für die Jugendförderung, welche wiederum die Integration ausländischer Kinder begünstige. «Im Teamsport lernen Kinder, dass es auf das Resultat der ganzen Mannschaft ankommt und nicht nur auf die einzelne Leistung eines Spielers. Der Teamgedanke steht vor dem eigenen Willen», sagt Hürlimann. Die Kinder würden lernen, Konflikte auszutragen und Rücksicht auf andere zu nehmen.

Als Freizeitbeschäftigung für die Fans biete der Eishockeysport ebenfalls ein Potenzial für Integration. Marisa Hürlimann präzisiert: «Der EVZ bietet beispielsweise durch die Spiele der ersten Mannschaft, aber auch der Nachwuchsteams, ein Treffpunkt für Jung und Alt aus allen Gesellschaftsbereichen.»

Statt einer Pilatus Akademie hat der EVZ die «The Hockey Academy». Wer diese besucht, schielt bereits mit einem Auge auf die Profikarriere. Allerdings wird, wie auch bei der Pilatus Akademie, nicht alles auf eine Karte gesetzt. Absolventen haben in dieser die Möglichkeit, neben der sportlichen Förderung das eidgenössische Berufsattest (EBA) als Büroassistent zu erwerben.

Je nach sportlicher Qualifikation haben die Sportler anschliessend folgende Möglichkeiten: Er bleibt zwei weitere Jahre in der Hockey Academy und absolviert die Ausbildung zum Kaufmann mit eidgenössischem Fachausweis, setzt voll auf die Karte Profi in der Schweiz oder in Nordamerika oder führt die Lehre ohne Sportausbilung fort.

Swiss-Olympic Talents Card

Eine Swiss Olympic Talents Card erhalten Athleten von nationalen Mitgliedverbänden mit einem bewilligten und umgesetzten Nachwuchs-Förderkonzept. Die Swiss Olympic Talents Card National und Regional sind eine Anerkennung der sportlichen Leistung und Entwicklung eines talentierten Athleten, welcher Mitglied eines nationalen oder regionalen Nachwuchskaders ist.

Als Swiss Olympic Talents Lokal werden junge Athleten anerkannt, welche in einer lokalen Leistungsportstruktur selektioniert und gefördert werden. Die lokalen Talents werden auf einer Liste geführt und es existiert keine physische Karte.

Fördergelder in der Höhe von jährlich rund 9 Millionen Schweizer Franken fliessen an die nationalen und regionalen Verbände, bei denen die jungen Talente regelmässig an Trainings- und Wettkampfaktivitäten teilnehmen.

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