10 Fragen zur Abstimmung im Kanton Luzern

Das musst du über die Kulturland-Initiative wissen

Die Kulturland-Initiative will die Zersiedelung stoppen. Blick auf Sedel, Rotsee und die Stadt Luzern. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Die Zersiedelung stoppen und die Böden schützen: Das wollen die beiden Kulturland-Initiativen, über die der Kanton Luzern am 29. November abstimmt. Die Vorlage im Überblick.

Konzernverantwortung und Kriegsgeschäfte prägen den laufenden Abstimmungskampf. Im Kanton Luzern kommen am 29. November aber weitere wichtige Anliegen an die Urne: die Kulturland-Initiativen. Gleich viermal müssen sich die Luzernerinnen auf dem Stimmzettel zum Thema äussern.

Da kann man rasch den Überblick verlieren. zentralplus hat darum die wichtigsten Fragen und Antworten zu den beiden Kulturland-Initiativen zusammengestellt.

1. Worum geht's?

In der Schweiz wird immer mehr Land überbaut. Die Ängste vor einem unkoordinierten Wachstum sind in der Politik angekommen. Mit dem revidierten Raumplanungsgesetz hat der Bund 2014 die Schraube angezogen. Nun müssen im Kanton Luzern 67 Hektaren Bauland ausgezont werden (was übrigens ein ziemlicher Knorz ist).

Trotzdem schreite die Zersiedelung weiter voran, kritisieren die Verfasser der beiden Kulturland-Initiativen. Sie verlangen mit ihrer Doppel-Initiative einen besseren Schutz des Kulturlandes.

2. Entschuldigung, was bitte sehr ist Kulturland?

Der Begriff hat nichts mit provinzieller Kunst zu tun. Als Kulturland werden in der Regel Böden ausserhalb der Bauzone bezeichnet, die von der Landwirtschaft genutzt werden können.

Die besten Böden werden als Fruchtfolgeflächen (FFF) bezeichnet. Der Bund schreibt den Kantonen vor, wie viel davon sie mindestens haben müssen. Wird eine Fruchtfolgefläche überbaut, muss dies anderswo kompensiert werden.

Spricht man von der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN), so sind alle Ackerflächen, Wiesen und Weiden eines Bauernbetriebs gemeint. Diese können innerhalb oder ausserhalb der Bauzone liegen. Wieso das von Bedeutung ist, folgt weiter unten.

Der Kanton Luzern hat hier übrigens ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen zum Thema aufgeschaltet.

3. Was wollen die Initiativen?

Ein überparteiliches Komitee hat im Mai 2018 zwei Volksinitiativen mit dem Titel «Luzerner Kulturlandschaft» eingereicht. Hinter der Doppel-Initiative stehen mehrere Verbände, Parteien und Einzelpersonen. Sie wollen den Schutz der Landschaft sowie des Kulturlandes stärken und der Zersiedelung entgegenwirken. Kommende Generationen sollen genügend Boden zur Verfügung haben und die Schönheit der Luzerner Landschaft erleben können. Mit dem Boden soll deshalb haushälterisch umgegangen werden. Das soll zugleich die Biodiversität fördern.

4. Wieso gibt es zwei Initiativen?

Die Initianten wollen ihr Anliegen gleich doppelgleisig durchsetzen. Zum einen in der Kantonsverfassung: Dort soll festgeschrieben werden, dass Kanton und Gemeinden für den Schutz des Kulturlandes sorgen. Das umfasst unter anderem die Eindämmung der Zersiedelung, den Schutz der Böden für die Lebensmittelproduktion, die Sicherstellung von Biodiversität und Lebensqualität sowie eine qualitativ gute Gestaltung der Landschaft mit Städten und Dörfern.

«Die Anliegen sind berechtigt. Wir sehen aber Probleme bei der Umsetzung.» 

Fabian Peter, Regierungsrat

Zum anderen werden im Planungs- und Baugesetz konkrete Vorgaben zum Schutz des Landes verlangt. Die landwirtschaftlich wertvollen Böden, die sogenannten Fruchtfolgeflächen, müssen laut Initiativtext grundsätzlich ganz erhalten werden.

Das heisst: Bei einem Bauprojekt müssen sie kompensiert werden, indem qualitativ gleich gutes Land anderswo in Fruchtfolgeflächen umgezont wird. Grundsätzlich dürften landwirtschaftliche Flächen nur noch unter bestimmten Bedingungen beansprucht werden. Beispielsweise wenn das Land für ein aus Sicht des Kantons wichtiges Ziel gebraucht wird.

5. Was sind die Gegenargumente?

Die Forderung stösst auf viel Verständnis – auch bei der Regierung. «Die Anliegen sind berechtigt», sagte Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdirektor Fabian Peter (FDP) diesen Montag an einer Pressekonferenz. «Wir sehen aber Probleme bei der Umsetzung.» 

Die Gesetzes-Initiative sei zu radikal und starr. Sie schränke den raumplanerischen Spielraum zu stark ein. Ja, mehr noch: Die Initiativen seien so streng ausgelegt, dass man nicht dort bauen könne, wo es Sinn mache, sondern nur noch an peripheren und ungeeigneten Lagen. «Die Initiativen verstärken die Zersiedelung», so der Luzerner Regierungsrat Fabian Peter.

Das illustrierte er mit drei konkreten Beispielen:

  • Ein Privateigentümer besitzt in einem Dorf ein Grundstück in der Bauzone, das der landwirtschaftlichen Nutzfläche zugewiesen wird. Laut Regierungsrat dürfte darauf kein Haus gebaut werden, wenn die Initiative angenommen würde, denn das sei kein wichtiges Ziel. Damit greife die Initiative in die Eigentumsfreiheit und die Planungssicherheit ein. Im Kanton Luzern sind rund 1'000 Hektaren in der Bauzone als landwirtschaftliche Nutzfläche definiert.
  • Ein Bauer möchte einen moderneren Stall bauen. Dazu müsse er entweder ein wichtiges Ziel geltend machen oder die Fruchtfolgeflächen kompensieren. Das sei aber praktisch unmöglich, so die Regierung. Denn die sogenannte Bodenverbesserung oder Bodenverschiebung, die heute in rund 95 Prozent der Fälle angewendet wird, wäre laut Initiative nicht mehr erlaubt.
  • Eine Firma will ihren Standort ausbauen. Die nötige Einzonung wäre laut Initiative nur zulässig, wenn keine landwirtschaftliche Nutzfläche beansprucht würde oder die Fruchtfolgeflächen kompensiert würden. Das Vorhaben wäre laut Regierung unter Umständen kaum umsetzbar.

6. Wie sieht der Gegenvorschlag aus?

Der Regierungsrat lehnt die Verfassungs-Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Die Forderung sei erfüllt und bringe keinen Zusatznutzen.

Der Kanton Luzern erklärt seine Position in diesem Video:

Zur Gesetzesinitiative hingegen hat der Regierungsrat einen Gegenvorschlag erarbeitet. Dieser sei ein Kompromiss, sagt Regierungsrat Fabian Peter. Er stärke den Schutz des Kulturlandes, ohne die massvolle Entwicklung des Kantons zu verunmöglichen. Konkret würden mit dem Gegenvorschlag Verschärfungen im Planungs- und Baugesetz vorgenommen.

Bei den Einzonungen sind die Vorgaben aber weniger strikt als bei der Initiative. Wird landwirtschaftlich guter Boden überbaut, kann die Fläche weiterhin mit der Verbesserung einer anderen Fläche kompensiert werden. Die Initiative will diese Möglichkeit zur Verbesserung kippen.

7. Wieso wurde die Initiative nicht zurückgezogen?

Der Gegenvorschlag sollte die Initianten dazu bewegen, ihre Forderungen zurückzuziehen. Das ist misslungen. Dem Komitee hinter den Kulturland-Initiativen geht der Gegenvorschlag zu wenig weit. Er stoppe den Kulturlandverlust nicht. Wertvolle Böden würden weiterhin überbaut. Sobald die Baulandreserven aufgebraucht seien, würde neues Land eingezont. Kritisiert wird, dass überbaute Flächen weiterhin kompensiert werden könnten, indem anderswo Boden aufgewertet würde.

Ist mit dem Gegenvorschlag nicht zufrieden: das Komitee der beiden Luzerner Kulturland-Initiativen. (Bild: giw)

Wegen der geteilten Verantwortung fühlten sich weder Kanton noch Gemeinden dafür zuständig, Bauprojekte nach der Eingliederung ins Landschaftsbild zu beurteilen, argumentieren die Initianten. Ihrer Meinung nach fehlt eine entsprechende Fachstelle.

8. Was soll die Stichfrage?

Wer den Stimmzettel vor sich liegen hat, wird sehen, dass er sich viermal zur Kulturland-Initiative äussern muss: Zur Verfassungs-Initiative, zur Gesetzes-Initiative sowie zum Gegenvorschlag – und zur Stichfrage. Letztere ist nur dann relevant, wenn sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag angenommen werden. Dann entscheidet sich in der Stichfrage, welche Vorlage umgesetzt wird.

Wer also die Kulturland-Initiative bevorzugt, setzt in deren Feld das Kreuz. Wer den Gegenvorschlag besser findet, kreuzt diese Variante an.

9. Wer ist dafür, wer dagegen?

Die Ja-Parole zu den beiden Kulturland-Initiativen haben SP, Grüne, EVP und GLP beschlossen. Die Initiativen werden zudem von zahlreichen Organisationen unterstützt wie beispielsweise Pro Natura, WWF oder VCS sowie von mehreren Jungparteien. Im Komitee sind auch bürgerliche Politiker vertreten.

Der Regierungsrat und der Kantonsrat empfehlen der Stimmbevölkerung ein Nein zu den beiden Initiativen und ein Ja zum Gegenvorschlag. Das tun auch CVP und FDP, der Bauernverband und der kantonale KMU- und Gewerbeverband. Diesem Komitee gehören auch Mitglieder der GLP an.

Die offizielle Parole der Grünliberalen ist allerdings ein dreifaches Ja – zu beiden Initiativen sowie zum Gegenvorschlag. Beim Stichentscheid hat sie Stimmfreigabe beschlossen.

Die SVP hat ihre Parole offiziell noch nicht gefasst. Im Kantonsrat lehnte sie aber sowohl Initiative als auch Gegenvorschlag ab.

10. Wie gut stehen die Chancen der Initiative?

Dazu lohnt sich ein Blick über die Luzerner Kantonsgrenze: In Zürich wurde 2012 die Kulturlandinitiative der Grünen angenommen – die Umsetzung allerdings scheiterte später an der Urne. Im Kanton Bern hat das Parlament einem Gegenvorschlag zur Kulturland-Initiative zugestimmt. Einen Gegenvorschlag zur Kulturland-Initiative haben 2017 auch die Thurgauer mit über 80 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen.

In Schaffhausen wurde die Initiative «Für eine haushälterische Nutzung des Bodens» letztes Jahr hingegen knapp abgelehnt. Deutlicher scheiterte die nationale Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen, über die im Februar 2019 abgestimmt wurde.  

Obwohl die Vorlagen nicht überall identisch waren: Das Anliegen stösst grundsätzlich auf viel Sympathie. Ob die Luzerner Kulturland-Initiativen oder der Gegenvorschlag dem Rechnung tragen, entscheiden die Luzernerinnen und Luzerner am 29. November.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Monique Frey, Dr. Agronomin ETH, Kantonsrätin Grüne, Emmen
    Monique Frey, Dr. Agronomin ETH, Kantonsrätin Grüne, Emmen, 10.11.2020, 08:24 Uhr

    Was fehlt in diesem Beitrag ist die positive Klimabilanz der beiden Luzerner Kulturlandschaft Initiativen. Mit einem Ja zu den beiden Kulturlandinitiativen werden die Forderungen des auch von den Luzerner Stimmbürger*innen angenommene Raumplanungsgesetzes endlich umgesetzt: das noch nicht eingezonte Land wird geschützt. Wenn die Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsflächen so weitergeht wie bisher und fruchtbares Ackerland überbaut wird, nimmt auch der Druck auf Biodiversitätsflächen zu. Wichtige Lebensraumstrukturen wie Feldgehölze, Säume und Ackerrandstreifen werden im Zuge der Nutzungsintensivierung weiter ausgeräumt, Streuflächen, Feuchtgebiete und Moore verschwinden. Der Erhalt des unbebauten Bodens ist auch eine wichtige Massnahme, um den Klimawandel zu bremsen: Denn nicht nur Wälder sind CO2 Speicher, sondern auch Böden. Zudem garantiert uns ein unbebauter Boden einen Ausgleich zum heisser und trockener werdendem Klima: er hat eine grosse Wasserspeicherkapazität und fördert mit dem Pflanzenwachstum die Biodiversität und verbessert das Mikroklima dank Verdunstung.

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