Luzern – Inspirationsquelle für Künstlerinnen und Touristen
Als Künstler muss man sich selbst vermarkten können, findet Katja Zuniga Tongi. Erst dann wird man erfolgreich. Luzern diente ihr hierbei einst als Inspirationsquelle und verhalf ihr auf ungewöhnliche Weise zu «Ruhm» im asiatischen Raum.
Der Künstler und Künstlerinnen gibt es viele. Wow! Den musst du gesehen haben! Einfach genial. Er malt wie ein Gott. Die nimmt kein Feigenblatt vor den Mund! Sie schreibt wie keine zuvor. Er singt, dass man vergisst, ob es eine Frau ist oder ein Mann, das auf der Bühne steht.
Erfolg durch Schönheit
Juhui, ich bin eine Kulturschaffende! Heute wird eine Künstlerin erfolgreich durch Selbstverkauf. «Self Marketing», denn wenn’s englisch ist, dann ist’s wirtschaftlich. «Autodidaktin» tönt zu sehr nach einer medikamentös behandelbaren Spektrumsstörung. So kann sich eine Frau über Wasser halten, wenn sie von der Kunst leben will, indem sie gleich selber für sich die Werbetrommel rührt. Und Erfahrungen machen muss, die auch einem Mann nicht vorenthalten sind.
Zum Beispiel auf jeder «Hundsverlochete» auftreten zu müssen, weil der Terminkalender leer ist und der Magen ebenso. Aber vielleicht hat man Glück und wird von der Gesellschaft entdeckt und gefördert. Die Aussichten auf Erfolg sind deutlich höher, wenn man gut aussieht. Pianistinnen, so sexy wie aus dem Katalog von Partnerwinner; Malerinnen, farbig wie Frida Kahlo; auch Sängerinnen werden immer jünger und erfolgreicher, das heisst, immer vermögender. Gut verdienen und künstlerisch tätig sein, das war früher undenkbar.
Arigatō
Als ich in der Stadt Luzern die Schule besuchte, überquerte ich oft den Ratshaussteg, der von der Pfistern zum Stadttheater führte. Vereinzelt traf ich japanische Pärchen. Der Mann hatte stets eine klobige Spiegelreflexkamera um den Hals und die Grösse des Objektivs liess auf die Grösse seines Geldbeutels schliessen.
An einem kühlen und sonnigen Herbsttag posierte Yuna auf dem Steg für ihren Bräutigam Kenzo und ihre Augen lächelten, als sie in die Kamera blickte. Kenzo linste nach einem möglichst schweizerischen Erinnerungsbild, und als er mich mit meinem Wuschelkopf daher spazieren sahen, machte es klick.
Nicht etwa klick bei der Kamera, sondern klick im Kopf von Kenzo, der sich auf die Hochzeitsreise gewissenhaft vorbereitet und den «Heidi»-Film in schwarz-weiss im Kopf gespeichert hatte. Da spazierte doch tatsächlich Johanna Spyris Protagonistin farbig über die Brücke – in meiner Person.
Kenzo sprach mich auf Englisch an und nach einer kurzen Erklärung lehnte ich neben Yuno am Geländer und lachte ins Objektiv. «Arigatō, arigatō», verbeugten sich die Touristen.
Viel Wasser fliesst die Reuss runter
Die Brückengeschichte erzähle ich, weil ich Anfang 2020 auf einer offenen Bühne in Luzern folgendes Lied, das ich zur Melodie von «New York, New York» auf Schweizerdeutsch getextet hatte, vortrug:
Lozärn, Lozärn
Du besch min ganz Schtolz zwüsche Züri ond Bärn
Wo gseesch en schöneri Brugg us Holz Lozärn, Lozärn
S’luegt niemert grad uus Uf de Seebrugg do rollt’s
Wo gseesch en schöneri Brugg us Holz Lozärn, Lozärn
Ech ha kei Sitzplatz me im Bus und muess jetzt schtooo
Au Dampfer send öberfüllt, China esch dooo
Ech kämpf mich dur d’Lüüt Usser Handys gseesch nüüt
Du hesch es Brätt vorem Chopf us Holz Lozärn, Lozärn
Wott ich mini Schtadt gärn zrugg Denn muess ich under d’Brugg
Hesch’s nonig g’merkt Lozärn, Lozärn
Lozärn, Lozärn
Ech wache n uf inere Schtadt Wo jede cha chooo
Ond weiss ned wo (n) i grad be Bärge met Schnee
Niemert cha düütsch esch’s Tokio ???
Au Zug esch fascht gliiich dött sind die Arme no riich
doch no me Holz hed nor Lozärn, Lozärn
Es tramplet all über d’Brugg Halb Asie chonnt do hii z’rugg
Ech ha dich trotzdem gärn Lozärn, Lozärn
Shootingstar
Nur wenige Tage nach meinem Auftritt befand sich die ganze Schweiz in einem Lockdown. Aus dem fernen Osten kamen die Viren, dann die Masken. Von Asiaten keine Spur. Die Carparkplätze blieben leer.
Und so sollte es noch lange bleiben. «Kunst isch gäng es Risiko», singt Mani Matter. Mir bleibt der Trost, dass ich ein Shootingstar bin und im fernen Japan ein Bild von mir in einem Fotoalbum klebt.