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Whisky, Pfadi-Logo oder Museum auf dem Bauernhof

Lernende pitchen ihre Vertiefungsarbeiten

Die Jury, bestehend aus Rolf Müller, Claudia Hegglin, Esther Haas, Roland Frei (alle sind Lehrpersonen Allgemeinbildung am GIBZ), beurteilt die Leistungen der Lernenden beim Elevator Pitch. (Bild: lar)

Die Vertiefungsarbeiten der Lernenden im allgemeinbildenden Unterricht der Gewerblich-industriellen Berufsschule Zug konnten in diesem Jahr aufgrund der Coronabestimmungen nicht öffentlich präsentiert werden. Dafür ist ein weiteres Format entstanden – der Elevator Pitch. Die 24 Teilnehmer wussten dieses sehr kreativ zu nutzen.

Die Präsentation der Abschlussarbeit ist für die Lernenden jeweils ein ganz besonderer Anlass. Sie erhalten nämlich Gelegenheit, ihrer Familie, den Vorgesetzten und Freunden zu zeigen, woran sie mit grossem Engagement während Wochen gearbeitet und wofür sie viel Freizeit investiert haben. Dieses Jahr ist bekanntlich alles anders – die beliebte Veranstaltung konnte nicht stattfinden. Damit die Lernenden trotzdem ihre Arbeiten bewerben können, hat man sich in Zug das Format des Elevator Pitch für speziell prämierte Vertiefungsarbeiten ausgedacht.

Vielfältige Vertiefungsarbeiten

Eingeladen waren alle Lernenden, die mit ihrer Arbeit durch ausserordentliche Leistungen aufgefallen sind. Sei es durch die Entwicklung eines neuen Produktes, eines ausgereiften unternehmerischen Gedankens oder akribischer Herangehensweise. Ausserdem musste die Arbeit mit der Mindestnote 5.5 ausgezeichnet sein. 24 der Lernenden haben sich zum Elevator Pitch angemeldet.

So vielfältig die Berufe und die Persönlichkeiten, so abwechslungsreich die Vertiefungsarbeiten. So hat ein Elektroinstallateur, dessen Eltern auf dem Hof Rinder halten, eine eigene Rezeptur für Pastrami entwickelt – vielleicht gibt es künftig einen Hofladen? Oder zwei Automobilmechatroniker haben in der Küche Whisky hergestellt, welcher allerdings noch drei Jahre lagern muss, und sich gleichzeitig mit der globalen Vermarktung desselben beschäftigt. Mit dem Thema Demenz hat sich eine Zeichnerin Fachrichtung Ingenieurbau so vertieft auseinandergesetzt, dass ein Merkblatt sowie eine Broschüre daraus entstanden sind.

Von Pastrami über Pop Art zum letzten Zaren

Ebenso der Kochlernende, der während des Lockdowns plötzlich Zeit zur Verfügung hatte, um ein Zimmer auf dem Bauernhof seiner Familie in ein kleines Museum mit Stücken aus Grossvaters Zeiten umzubauen, das heute öffentlich zugänglich ist. Dazu hat er einen hübschen Fotoband kreiert, welcher gekauft werden kann. Oder zwei Köchinnen haben sich den Kräutern gewidmet und alte Rezepte neu interpretiert.

Ein Pfadi-Logo neu zu entwickeln – einerseits aus PR-Gründen für den Wölfli-Nachwuchs und anderseits zur Identifikation – ist einem jungen Polymechaniker wunderbar gelungen. Nebst der Entwicklung des neuen Logos hat er gleich einige Hoodies dazu bestellt und das Logo nicht einfach aufgebügelt, sondern die Pullover aus nachhaltigen Gründen – Pfadipullis werden ja oft gewaschen – besticken lassen.

Andrin Segura hat das selbst designte Logo gleich auf Pullover sticken lassen. (Bild: lar)

Fünf sehr unterhaltsame Minuten boten drei Zahntechnikerinnen, die sich selbst zur Pop-Art-Kunstfigur erhoben haben. Dazu haben sie eine Detektivgeschichte erfunden und diese mit selbst gemachten Comic-Requisiten und «real life»-Fotos illustriert. Zwei Sanitärinstallateure haben eine Wasserwand gebaut, die nachts beleuchtet ist.

Seira Burri, Albulena Samadraxha und Rafaela Weiss als Pop-Art-Kunstfigur. (Bild: lar)

Nicht immer ist die Arbeit wunschgemäss verlaufen, aber auch der Umgang mit Rückschlägen kann zu guten Ergebnissen führen. So wollte eine Informatikerin ein Coffee-Table-Book über besondere Autos produzieren, ist aber über die Hürden des Lockdowns gestolpert, da die Termine mit den Autobesitzern nicht stattfinden konnten. Sie hat sich dann auf weniger Autos und statt eines Buches auf Plakate konzentriert, diese wiederum konnten aber nicht termingerecht geliefert werden. Daraufhin ist sie nicht einfach verzweifelt, sondern hat kurzerhand selbst ein Fotobuch nach alter Manier gestaltet und damit das Gütesiegel Herausragend erreicht.

«Die meisten in der Schweiz haben ein gutes Leben, aber sie schätzen es nicht.»

Sanitärinstallateure, 3. Lehrjahr, am GIBZ

Nicht alle haben ein Produkt entwickelt, sondern sich mit Fragen der Weltgeschichte und der Gesellschaft auseinandergesetzt. Wie hätte sich die Weltordnung entwickelt, wenn der letzte Zar, Nikolaus der II., nicht das Parlament ausgewechselt und die Generalität an sich gerissen hätte? Diese Frage stellten sich zwei ICT-Fachmänner (Information and Communications Technology).

Wie die Welt aus Sicht der Blinden aussieht, scheint auf den ersten Blick nichts Neues zu sein, die drei lernenden Fachfrauen Gesundheit sind jedoch einen Schritt weitergegangen und implementieren ihr neu erworbenes Wissen in den Alltag der Pflege mit erblindeten Personen.

Eine Berufskollegin hat sich die Entwicklung der Spielzeuge etwas genauer angeschaut und dabei festgestellt, dass diese immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellen. Für sie ist es ein besonderes Anliegen, dass sich Eltern viele Gedanken zum Kauf der Spielzeuge machen. Zum Nachdenken angeregt haben auch zwei Montage-Elektriker, die als Flüchtlinge vor ein paar Jahren in unser Land gekommen sind, und mit ihrer Geschichte besseres Verständnis in der Klasse erreicht haben.

Trotz der knappen sachlichen Darstellungen gab es auch berührende Momente, insbesondere als drei Sanitärinstallateure über ihre Flucht aus dem Kosovo, aus Eritrea und aus Syrien und deren Gründe berichtet haben.

Elevator Pitch im Lehrplan?

Mit dem Elevator Pitch wurde den jungen Lernenden mit ihrem teilweise unternehmerischen Bestreben eine äusserst wichtige Lerneinheit für ihre Zukunft gegeben, um Kunden, Mitarbeiterinnen und die Medien von ihrer eigenen Geschäftsidee oder ihrem innovativen Produkt zu überzeugen – im Idealfall auch Investoren, durch die der Markteinstieg und der weitere Fortbestand des Unternehmens zusätzlich gesichert werden können.

«Was vor ein paar Jahren die Note 5.5, ist heute höchstens noch eine 5», sagt eine Jurorin, die bereits seit vielen Jahren am GIBZ unterrichtet. Die Ansprüche an die Vertiefungsarbeiten sind merklich gestiegen und die Auftrittskompetenz wird zunehmend wichtiger. Das «Pitchen» wird immer mehr auch in Betrieben eingesetzt und wird wohl in ein paar Jahren standardmässig in den Lehrplan gehören.

Im Gegensatz zu einer VA-Präsentation, bei welcher der Inhalt ausführlich präsentiert werden darf, besteht ein Pitch durch überzeugendes Auftreten und präzises Darlegen des Projekts. Die Teilnehmenden hatten jeweils fünf Minuten Zeit, ihre Arbeit und sich selbst als Gesamtpaket der Jury zu präsentieren. Dabei durften keine Hilfsmittel verwendet werden. Die Jury hat sowohl das Zeitmanagement wie die Darlegung der Arbeit und die Auftrittskompetenz beurteilt.

Geldprämie für die Teilnehmer

Aber nicht nur der Pitch musste sitzen, auch die Jury war gefordert. Wie im bekannten Fernsehformat «In der Höhle des Löwen» hat sie innerhalb von wenigen Minuten entscheiden müssen, ob die Präsentation das Prädikat normal, überdurchschnittlich oder hervorragend bekommen soll. Die Teilnehmenden haben nämlich nicht nur ein entsprechendes Zertifikat, sondern auch gleich eine kleine Geldprämie bekommen. Finanziert wurde die Veranstaltung durch die Berufsschule und einen Fonds.

Die Lernenden haben entweder 100 oder 200 Franken mit nach Hause nehmen dürfen. Ein hervorragender Pitch wäre sogar mit 300 Franken belohnt worden. Dies wurde aber von niemandem erreicht. Es gab einige, welche die Chance gehabt hätten, aber leider hatten diese ihr Zeitmanagement meist nicht im Griff.

Die diesjährigen Teilnehmenden:

Ivan Hegglin,
Sebastian Gmür und Beat Kleger,
Seira Burri, Albulena Samadraxha und Rafaela Weiss,
Yannick Baumann und Calvin Hanselmann,
Mathias Steffen und Severin Roth,
Semere Tekle, Samuel Okubay Bariamichael und Tekelezghi Kiflemichael,
Muriel Peter und Helen Ronzani,
Rami Al Mbayed und Shkelqim Cikaqi,
Kim Bürgler,
Carole Ledergerber, Melina Roder und Leonie Thiébaud,
Arita Rushiti,
Andrin Segura,
Vildana Fazlji,
Katharina Kunz

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Im Fokus stehen Unternehmer und Entwickler. Autor Lars Rominger aus Menzingen, selbst ein Erfinder, Wissenschaftler und Fachbuchautor, zeigt die Menschen hinter einer Idee und stellt spannende Projekte vor.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Thomas Dibke
    Thomas Dibke, 16.06.2021, 19:59 Uhr

    Das «Pitchen» im Lehrplan für Lernende ist sicher zu begrüssen, sich dabei mit dieser Art der Kommunikation und Technologie früh genug vertraut zu machen. Das stellt sicher eine gute Vorbereitung für den spätere berufliche Tätigkeit dar, ist es doch in vielen Unternehmen gängige Praxis Innovationen oder Verbesserungsvorschläge zu präsentieren. Prämien stellen einen guten Anreiz dar, sich mehr Mühe zu geben und auch vielleicht die Präsentation etwas aussergewöhnlich abzuhalten.

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