Freundschaften erhalten mit Kindern – ein Knochenjob?
Verändern sich Freundschaften durch Mutterschaft – und tun sie dies in jedem Fall? Darüber macht sich Elternbloggerin Nadja Stadelmann Gedanken. Besonders während der Schulferien muss sie vielen Freundinnen für gemeinsame Aktivitäten absagen.
Gerade die Kleinkindphase ist für Freundschaften die Probe aller Proben. Früher warst du in der Lage, hochkomplexe Abläufe und Zusammenhänge zu verstehen, und jetzt gerade machst du dir Gedanken zur Konsistenz und Farbe des Stuhlganges deines Neugeborenen. Beides ist zweifelsohne wichtig und matchentscheidend, jedoch ist letzteres weniger geeignet für eine lockere Gesprächsrunde unter Freundinnen.
Kurzfristige Treffen sind nicht möglich. Auszeiten müssen weit im Voraus und genau geplant werden. Mit nur einem Kind war ich noch einigermassen flexibel. Kaffeetreffen oder ein gemeinsamer Spaziergang verlief ziemlich gut. Das Kleinkind konnte man sich noch an den Bauch oder auf den Rücken binden, wo es dann schlief. Oder eben nicht. Aber es ging irgendwie.
Freunde treffen zu aufwendig
Jedoch schon beim zweiten Kind gestalteten sich Treffen mit Freunden schwieriger. Es sei denn, diese waren auf einem Spielplatz oder bei uns. Aber auch ähnelten die Gespräche einem Dialog unter Menschen mit Tourette. Irgendwas war immer. Irgendwer brauchte immer gerade in dem Moment ganz viel Aufmerksamkeit, und kaum ein Satz konnte zu Ende geredet werden.
Freundschaften zu Freundinnen ohne Kinder litten besonders. Dies musste ich eingestehen. Ich sagte Abmachungen oft ab oder gar nicht erst zu, weil der Aufwand zu gross war (Milch abpumpen, Babysitter engagieren und instruieren, mich aufraffen zum Weggehen, den Weg berechnen und den zusätzlichen Schlafmangel einberechnen). Oder ich musste im Falle von Magen-Darm-Grippe oder einem sonstigen Käfer kurzfristig absagen. Das nervte. Auf beiden Seiten.
Ganz unterschiedliche Lebensrealitäten
Die Beziehungen litten, seien wir ehrlich. Zeitlich und thematisch schienen wir weit voneinander entfernt. Wir lebten in ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten. In meinem Freundeskreis hatten wenige gleichzeitig Kinder. Einfacher war es, wenn das Gegenüber auch Kinder hatte. Im besten Fall vertrugen sich diese Kinder einigermassen. Eine solche Konstellation zu finden, empfand ich als schwierig. Andere Mütter kennenzulernen, war in der Kleinkindphase in einem Dorf nicht so einfach.
Auf den Spielplätzen traf ich wenige davon. Meist traf ich da Mütter mit Migrationshintergrund. Wenn es uns gelang, die sprachliche Barriere zu überwinden, entstanden schöne bereichernde Nachmittage zusammen. Dann war ich auch noch die «berufstätige Mutter», die am «Elki-Morgen» (Eltern-Kind-Morgen) jeweils arbeitete und auch im Klub der jungen Eltern oftmals durch Abwesenheit glänzte. Ich wollte doch gar keine neuen Freundinnen.
So flexibel wie ein Baum
Ich wollte meine Freundinnen. Die so zu anderen Zeiten wach und verfügbar waren und sich oftmals ganz spontan zu einem Feierabendbier in Luzern trafen. Ich dagegen schien ungefähr so flexibel wie ein Baum und weit entfernt. Ja, selbst die Distanzen schienen mir durch die Kinder viel weiter. Einfach noch schnell für zwei Stunden nach Bern fahren, dies überlegte ich mir gleich zweimal. Einen Kater riskieren am Tag danach? Den bereute ich zünftig mit kleinen Kindern, die meine volle Aufmerksamkeit benötigen.
Ich bin unendlich froh um meine kinderlosen Freundinnen. Sie sind mein Tor zur Welt. Sie geben mir auch Rückmeldungen, wenn ich zu sehr «gluggere» (also mein Kind zu fest umsorge). Und sie sehen die Welt klarer, sind nicht unter Schlafentzug und von Hormonen gesteuert. Meine Freundinnen erzählen mir Geschichten von meinem früheren Ich. Freundinnen jedoch zum Hüten fragen? Das getraute ich mich nur im absoluten Notfall. Es wäre mir nicht recht. Wie sollte ich es ihnen zurückgeben können? Bezahlt man Freundinnen? Das wäre auch irgendwie komisch.
Meine Freiheit ist zurück
Heute kann ich wieder viel freier abmachen, mich treffen und auch mal eine Nacht mit wenig Schlaf in Kauf nehmen. Dies, weil mich meine Kinder in der Regel nachts schlafen lassen und auch ein paar Stunden alleine zu Hause sein können. Aber gerade haben sie sechs Wochen Ferien. Sechs. Diese Zeit gilt es abzudecken, und vor allem möchte ich sie auch mit meinen Töchtern geniessen. Es sind 17 Sommer, bis sie erwachsen sind. Vielleicht 14, in denen sie mit uns in die Sommerferien fahren. Ungefähr 13, bis sie einen Ferienjob haben werden.
Es ist eine kurze Zeit, die wir so intensiv zusammen haben. In denen wir uns Erinnerungen schenken. Unvergessliche, lustige und verrückte. «Weisst du noch, diesen Sommer auf dem Campingplatz in Österreich nach eurem Blauringlager – in dem es so viel geregnet hat? Das waren schöne Abende beim Spielen am Schärme!» – so was werden wir uns hoffentlich in Zukunft erzählen. Und ich hoffe, dass meine Freundschaften dies überstehen werden. Wir gemeinsam von unseren so unterschiedlichen Lebensrealitäten profitieren können. Uns zuhören und verstehen können.