Die Farce, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen
:focal(50x50:51x51)/www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2023/06/AdobeStock_397005242.png)
Es ist das Thema Nummer 1 in unserer Wirtschaft. Wie vereint man Familie und Beruf, damit möglichst viele Frauen erwerbstätig (bleiben) und möglichst viele Männer aktive, emotional involvierte Väter werden können. Es geht um die Farce, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Denn, spoiler alert: Einer von beiden leidet immer.
Den folgenden Blogbeitrag brennt mir schon seit geraumer Zeit unter den Nägeln. Aber wirklich getraut, meinem Ärger den nötigen Raum zu lassen, habe ich mich bisher nicht. Neun Monate nach der Geburt unserer Tochter fühle ich mich endlich bereit dazu. Es geht um die Herausforderung, Beruf und Familie gleichermassen gerecht zu werden. Über eine externe, erfolgreiche Babybetreuung und einen Rhythmus, der gesellschafts- aber nicht babygerecht ist.
Bei uns war es so, dass wir bereits relativ früh den Versuch gestartet haben, unsere Tochter an einem Abend von Mama zu trennen. Weil sie eines Abends im Kino und an einem anderen im Zirkus war. Das war knapp drei Monate nach der Geburt. Wie es funktioniert hat? Zu Beginn ziemlich gut. Je länger der Abend jedoch dauerte und je stärker unsere Wohnung den mütterlichen Geruch verlor, desto schlimmer wurde das Geschrei unserer Tochter. Nein, sie war überhaupt nicht bereit, ohne ihre Mutter zu sein.
Die erste Zeit ohne Mami
Einige Wochen später wiederholten wir das Ganze. Dieses Mal lief das Experiment tagsüber. Das funktionierte schon ein bisschen besser. Wohl auch deshalb, weil meine Mutter ganz genau wusste, welche Tricks sie anwenden konnte, um unsere Tochter abzulenken. Und es spielte ihr natürlich auch in die Karten, dass unser Sonnenschein ihr Gesicht bereits kannte und entsprechend akzeptierte. Offenbar merken Babys, dass unsere Mütter eben doch nicht so unerfahren sind, wie sie teilweise von der Gesellschaft behandelt werden.
Was genau soll denn schlimm an dem Ganzen sein? Das hätte ich mich vor einem Jahr auch gefragt, als ich noch keine Mutter war. Die Antwort? Einfach alles! Aber wo soll ich anfangen? Grundsätzlich finde ich es nicht per se falsch, wenn man die Babys früh an weitere Bezugspersonen gewöhnen möchte. Faktisch ist es aber so, dass jedes Baby sein eigenes Entwicklungstempo hat. Heisst: Nicht jedes Baby trinkt von Beginn weg Muttermilch in der Flasche und nicht jedes Baby weiss nach vier Monaten, dass Babybrei genauso essbar wäre wie Muttermilch.
Die Strukturen der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft drängen aber oft darauf, dass wir genau das tun. Unseren Babys einen Rhythmus aufdrücken, der eigentlich nicht der ihre ist und schon gar nicht zu ihrem Tempo passt. Trotzdem müssen sie sich möglichst schnell emanzipieren, schliesslich muss Mama ja möglichst schnell wieder arbeiten gehen. Teilzeitarbeit hurra!
Berufliche Erfüllung versus Babybetreuung
Aber Frauen möchten sich doch auch gerne verwirklichen können und viele tun das über den Beruf, werden wohl einige einwerfen. Das ist natürlich richtig, aber was ist mit denjenigen Frauen (und auch Männern) unter uns, die sich selbst emotional noch nicht imstande fühlen, das Baby nach 14 Wochen Mutterschaft- oder mickrigen 2 Wochen Vaterschaftsurlaub loszulassen? Ja, für diese Personen hat die Gesellschaft leider keinen Platz. Schliesslich erledigt sich die Arbeit nicht von alleine.
Ich persönlich hatte das Glück, eine Mutter um mich zu haben, die meine drei Geschwister und mich Vollzeit betreute. Für ihre Kinder hat sie auf eine berufliche Karriere verzichtet. Seit ich selbst Mutter bin, kann ich besser einschätzen, welche Kräfte sie aufwenden musste, um uns das zu ermöglichen. Die Dankbarkeit, die ich für sie empfinde, lässt sich auch heute nicht in Worte fassen.
Mein Kind – meine Werte
Und für unsere Kindererziehung wird sie mit jedem Monat unentbehrlicher. Denn am Ende ist es meist das soziale Umfeld, das für die Baby- oder Kinderbetreuung verantwortlich ist. Schliesslich kennt auch unsere Tochter mein Umfeld am besten. Dann überrascht es auch nicht, dass ich sie – wenn ich arbeiten muss – in die Obhut meiner Eltern gebe. Schliesslich weiss ich da genau, welche Werte ihr vermittelt werden. Meine eigenen.
So betrachtet ist das Konzept Teilzeitarbeit sicherlich ein Gewinn. Die Frage ist nur: für wen? Tun wir das für die nächste Generation? Oder für uns selbst? Oder für die Wirtschaft? Das, liebe Leserin und lieber Leser, muss jede und jeder selbst beantworten. Ich persönlich habe auch noch keine Antwort auf diese Frage gefunden. Ich weiss nur, dass ich unsere Tochter möglichst lange bei mir haben möchte, denn eines erhalte ich im Leben nie mehr zurück: die Zeit mit ihr in diesen wichtigen Entwicklungsjahren.