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Das Problem mit der Babybetreuung

Die Farce, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen

Teilzeitarbeit – ein Gesellschaftstrend und was es bringt (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Es ist das Thema Nummer 1 in unserer Wirtschaft. Wie vereint man Familie und Beruf, damit möglichst viele Frauen erwerbstätig (bleiben) und möglichst viele Männer aktive, emotional involvierte Väter werden können. Es geht um die Farce, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Denn, spoiler alert: Einer von beiden leidet immer.

Den folgenden Blogbeitrag brennt mir schon seit geraumer Zeit unter den Nägeln. Aber wirklich getraut, meinem Ärger den nötigen Raum zu lassen, habe ich mich bisher nicht. Neun Monate nach der Geburt unserer Tochter fühle ich mich endlich bereit dazu. Es geht um die Herausforderung, Beruf und Familie gleichermassen gerecht zu werden. Über eine externe, erfolgreiche Babybetreuung und einen Rhythmus, der gesellschafts- aber nicht babygerecht ist.

Bei uns war es so, dass wir bereits relativ früh den Versuch gestartet haben, unsere Tochter an einem Abend von Mama zu trennen. Weil sie eines Abends im Kino und an einem anderen im Zirkus war. Das war knapp drei Monate nach der Geburt. Wie es funktioniert hat? Zu Beginn ziemlich gut. Je länger der Abend jedoch dauerte und je stärker unsere Wohnung den mütterlichen Geruch verlor, desto schlimmer wurde das Geschrei unserer Tochter. Nein, sie war überhaupt nicht bereit, ohne ihre Mutter zu sein.

Die erste Zeit ohne Mami

Einige Wochen später wiederholten wir das Ganze. Dieses Mal lief das Experiment tagsüber. Das funktionierte schon ein bisschen besser. Wohl auch deshalb, weil meine Mutter ganz genau wusste, welche Tricks sie anwenden konnte, um unsere Tochter abzulenken. Und es spielte ihr natürlich auch in die Karten, dass unser Sonnenschein ihr Gesicht bereits kannte und entsprechend akzeptierte. Offenbar merken Babys, dass unsere Mütter eben doch nicht so unerfahren sind, wie sie teilweise von der Gesellschaft behandelt werden.

Was genau soll denn schlimm an dem Ganzen sein? Das hätte ich mich vor einem Jahr auch gefragt, als ich noch keine Mutter war. Die Antwort? Einfach alles! Aber wo soll ich anfangen? Grundsätzlich finde ich es nicht per se falsch, wenn man die Babys früh an weitere Bezugspersonen gewöhnen möchte. Faktisch ist es aber so, dass jedes Baby sein eigenes Entwicklungstempo hat. Heisst: Nicht jedes Baby trinkt von Beginn weg Muttermilch in der Flasche und nicht jedes Baby weiss nach vier Monaten, dass Babybrei genauso essbar wäre wie Muttermilch.

Die Strukturen der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft drängen aber oft darauf, dass wir genau das tun. Unseren Babys einen Rhythmus aufdrücken, der eigentlich nicht der ihre ist und schon gar nicht zu ihrem Tempo passt. Trotzdem müssen sie sich möglichst schnell emanzipieren, schliesslich muss Mama ja möglichst schnell wieder arbeiten gehen. Teilzeitarbeit hurra!

Berufliche Erfüllung versus Babybetreuung

Aber Frauen möchten sich doch auch gerne verwirklichen können und viele tun das über den Beruf, werden wohl einige einwerfen. Das ist natürlich richtig, aber was ist mit denjenigen Frauen (und auch Männern) unter uns, die sich selbst emotional noch nicht imstande fühlen, das Baby nach 14 Wochen Mutterschaft- oder mickrigen 2 Wochen Vaterschaftsurlaub loszulassen? Ja, für diese Personen hat die Gesellschaft leider keinen Platz. Schliesslich erledigt sich die Arbeit nicht von alleine.

Ich persönlich hatte das Glück, eine Mutter um mich zu haben, die meine drei Geschwister und mich Vollzeit betreute. Für ihre Kinder hat sie auf eine berufliche Karriere verzichtet. Seit ich selbst Mutter bin, kann ich besser einschätzen, welche Kräfte sie aufwenden musste, um uns das zu ermöglichen. Die Dankbarkeit, die ich für sie empfinde, lässt sich auch heute nicht in Worte fassen.

Mein Kind – meine Werte

Und für unsere Kindererziehung wird sie mit jedem Monat unentbehrlicher. Denn am Ende ist es meist das soziale Umfeld, das für die Baby- oder Kinderbetreuung verantwortlich ist. Schliesslich kennt auch unsere Tochter mein Umfeld am besten. Dann überrascht es auch nicht, dass ich sie – wenn ich arbeiten muss – in die Obhut meiner Eltern gebe. Schliesslich weiss ich da genau, welche Werte ihr vermittelt werden. Meine eigenen.

So betrachtet ist das Konzept Teilzeitarbeit sicherlich ein Gewinn. Die Frage ist nur: für wen? Tun wir das für die nächste Generation? Oder für uns selbst? Oder für die Wirtschaft? Das, liebe Leserin und lieber Leser, muss jede und jeder selbst beantworten. Ich persönlich habe auch noch keine Antwort auf diese Frage gefunden. Ich weiss nur, dass ich unsere Tochter möglichst lange bei mir haben möchte, denn eines erhalte ich im Leben nie mehr zurück: die Zeit mit ihr in diesen wichtigen Entwicklungsjahren.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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7 Kommentare
  • Profilfoto von verena
    verena, 27.06.2023, 14:56 Uhr

    mich erstaunt, dass der vater als betreuungsperson hinter der grossmutter rangiert. familie und beruf in einklang zu bringen ist kein mütternthema, sondern betrifft väter in gleichem masse.

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  • Profilfoto von C. Bucher
    C. Bucher, 25.06.2023, 22:23 Uhr

    Die Schweiz ist sehr knausrig mit Mutterschafts»urlaub» oder Elternzeit. Und unsere Arbeitsbedingungen mit langen Wochenarbeitszeiten und wenig Ferien per se kinderfeindlich – egal, wie alt die Kinder sind.

    Wie würden sich dieselben Fragen stellen, wenn die Schweiz wie Schweden 18 Monate Elternzeit kennen würde?

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    • Profilfoto von Michail Alexandrowitsch
      Michail Alexandrowitsch, 26.06.2023, 11:14 Uhr

      Tja, wollen wir tatsächlich alles von unserer Gesellschaft den finanz-marktwirtschaftlichen Bedürfnissen unterordnen? Wohin das führt? Bitte mal darüber sinnieren.

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    Mirjam, 25.06.2023, 17:37 Uhr

    Tja, die Zeit der eierlegenden Wollmilchsau ist vielen Frauen zu bunt geworden. Deshalb folgt ein Trend von einigen jungen Frauen, mit Kindern zu Hause zu bleiben. Gut ausgebildet, selbst mit Studiumsabschluss diese Zeit mit den Kindern zu Hause zu geniessen. Nicht jedes Kind ist für die Kita geeinigt und einige leiden sehr darunter. Es gibt darüber noch keine Studie, ob Traumatas daraus entstanden sind. Natürlich möchte die Wirtschaft diese Frauen im Job sehen. Den Preis bezahlen viele Frauen mit der Gesundheit, aber auch die Kinder sind betroffen, eigentlich das ganze Familiensystem. Die gesündere Variante für die Frau ist klar, das Leben ohne Kinder zu planen. Ja, wir haben es in der Hand, aber oft nicht wirklich die Wahl!

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    LD, 25.06.2023, 17:27 Uhr

    Ein derbes, komisches Lustspiel, eine Posse? = Definition von Farce.
    Es gibt das Wort noch in der Küche als Füllung oder die metaphorische Bedeutung als lächerliche Sache.
    Eine andere Definition ist mir nicht bekannt.

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    Scholl Richard, 25.06.2023, 16:24 Uhr

    Ach Gott, haben diese Eltern keine Grosseltern, Tanten, Paten oder pensionierte Nachbarn?
    Dieses Netzwerk lässt sich man vor dem Zeugen von Nachkommen organisieren, was wir seit über 140 Jahren in unserer Familie erfolgreich hinkriegten. Der Staat ist nicht Ersatz für den mangelnden Familienzusammenhalt.

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  • Profilfoto von Rebzrd
    Rebzrd, 25.06.2023, 16:21 Uhr

    Es geschehen noch Wunder – Kompliment zu dieser Wahrnehmung. Lange, lange Zeit nicht mehr so was Wertvolles und zutreffendes gehört.

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