So erlebte ich die Schwangerschaft meiner Frau
Nicht alle ersten Trimester sind gleich. Auch nicht für den Vater des ungeborenen Kindes. Manchmal entdeckt er dabei aber eine neue Tageszeit und ganz viel Literatur.
Glück hatten wir. Das kann durchaus gesagt werden. Denn mit dem ganzen ersten Trimester hatte meine Frau nur sehr wenige Beschwerden während ihrer ersten Schwangerschaft. So dachten wir, das werde in der zweiten Schwangerschaft nicht anders sein. Wir lagen falsch.
Eine ganze Palette an sogenannten Schwangerschaftssymptomen zeigte sich: Übelkeit, Erschöpfung, Müdigkeit, Heisshunger, Ekel vor gewissen Lebensmitteln, Geschmäckern und Geräuschen, aber auch Vergesslichkeit und Stimmungsschwankungen. Und das sind nur die Sachen, die ich mitbekommen habe.
Tage zwischen müde und Übelkeit
Die einen Symptome führten auch mal zu lustigen Situationen, die meisten davon sind aber wirklich fies. Natürlich versuchte ich, meine Frau so gut es ging zu unterstützen. Trotzdem begannen sich ihre Tage immer mehr zu ähneln:
- Aufwachen
- Übelkeit
- Aufstehen
- Müde sein
- Immer noch Übelkeit
- Arbeit oder Kinderbetreuung
- Mittagessen
- Immer noch Übelkeit
- Arbeit oder Kinderbetreuung
- Müdigkeit
- Abendessen
- So schnell wie es geht ins Bett
- Erschöpfung
- Immer noch Übelkeit
- In der Nacht aufwachen mit Übelkeit
Nichts zu machen, ausser machen
Alltägliche Sachen wie Zähneputzen oder Situationen, in denen sich Emil was in den Mund stopfte oder irgendjemand hustete, lösten bei ihr tiefen Ekel aus. Teilweise war es wirklich hart, meine Frau so zu sehen. Gerade weil ich oft nichts tun konnte und meine Hilfe nichts änderte.
Die einzige Möglichkeit war es, ihr Arbeit abzunehmen, möglichst viel mit Emil zu machen und zu schauen, dass sie möglichst früh ins Bett konnte. Das half ein wenig, führte bei ihr aber zum Gefühl, ihr Leben bestehe nur noch aus Arbeit, Übelkeit und Schlaf.
Alleine noch wach
Für mich hingegen intensivierten sich meine Tage und meine Beziehung zu Emil. Aber es führte mich auch zur Entdeckung einer neuen Tageszeit: Abende alleine wach. Denn spätestens um viertel nach acht hatte ich Zeit für mich.
Im Gegensatz zu den Abenden vor meiner Zeit als Vater hatte ich so was wie Pikett. Hierbei ging es einzig und allein darum, dass ich beim Erwachen von Emil zur Stelle war, sodass meine Frau nicht aufstehen musste.
Mit Ausgang und Trinken war also nichts. Sport musste so auch tagsüber erledigt werden. Und auch alles, was Lärm macht, würde irgendwie nicht gut ankommen. Verständlich!
Etwas belesener
So blieb mir nicht viel anderes, als zu lesen. Innerhalb dieser etwas mehr als drei Monate las ich mich wieder auf den neuesten Stand. Und das Schöne daran: Ich konnte so richtig dranbleiben. Denn die Abende wiederholten sich jeden Tag, und ich kam so richtig in den Flow.
Ganz ehrlich, diese Zeit war unglaublich anstrengend, unglaublich brutal für meine Frau, unglaublich intensiv für uns alle. Und ich bin unglaublich froh, dass sie vorbei ist. Aber ich gehe schlauer, oder zumindest belesener, aus ihr heraus. Immerhin. Und manchmal vermisse ich es ein wenig, so tief in andere Welten einzutauchen, wie ich es an den Abenden dieser Monate tun konnte.