Unglück über dem Vierwaldstättersee
Unweit von der Absturzstelle des US-Bombers 1945 ging nur ein Jahr später auf Luzerner Boden ein weiteres Flugzeug nieder. Dieses Mal was es kein fremdes Flugzeug, sondern eine Morane-Saulnier der Schweizer Luftwaffe. Von Fakten und fehlenden Quellen, ein Aufruf.
Der Unfallhergang ist schnell erzählt. Am Montag des 3. Juni 1946 startete die Fliegerstaffel 19 der Schweizer Luftwaffe um 13 Uhr zu einem fatalen Patrouillenflug vom Militärflugplatz Buochs nach Emmen: Von den vier Fliegern sollten nur zwei ihr Ziel erreichen.
Abstürze im Vierwaldstättersee und Nahe der Büttenen
Leutnant Carl Stieffel war der Führer der 2. Patrouille in der Position des «Due» und Oberleutnant P. Kleiner startete als «Due Sohn». Nach der Umrundung des Bürgenstocks touchierten sich ihre beiden Morane-Saulnier D-3800 auf der Höhe Hertensteins über dem Vierwaldstättersee. Mit Glück konnte Kleiner seine beschädigte Maschine mit dem Kennzeichen J-57 über den See in Richtung Meggen steuern. Bevor die Morane im bewaldeten Gebiet hinter der Büttenenhalde abstürzte, konnte sich der Pilot aus dem Flugzeug befreien und landete mit dem Fallschirm in der Nähe der Schönau in Meggen. Über seine Verletzungen ist nichts bekannt.
Dramatischer ist das Schicksal von Leutnant Stieffel: Kurz nachdem sich die beiden Flugzeuge touchierten, stürzte er mit seiner Morane mit dem Kennzeichen J-77 direkt in den See und wurde beim Aufprall tödlich verletzt. Der technische Untersuchungsbericht vom 12. Juli 1946 stellt fest, dass Stieffel noch versucht hatte, das Kabinendach zu öffnen, sich aber nicht mehr rechtzeitig mit dem Fallschirm retten konnte.
Von Hard Facts und sensationellen Funden
So weit die Faktenlage zum Unfall. Sie erzählen aber bei weitem noch nicht die ganze Geschichte. Ähnlich wie zum Absturz des US-Bombers 1945 begab ich mich ins Staatsarchiv und suchte Zeitungsberichte über den tödlichen Flugzeugabsturz. Fündig wurde ich lediglich im «Liberalen Volksblatt», den «Luzerner Nachrichten» in den Ausgaben vom 8. und 15. Juni, wenn auch diese beiden kurzen Artikel nicht viel Neues zutage förderten. Im Ersten erwähnte die Zeitung die Zürcher Herkunft des tödlich verunglückten Piloten und verwies auf die laufende Untersuchung. Am 15. Juni berichteten die «Luzerner Nachrichten», dass die Leiche von Carl Stieffel im Vierwaldstättersee «auf der Höhe von Hammetschwand» in einer Tiefe von 150 Metern geborgen werden konnte. Das abgestürzte Flugzeug konnte aber nicht lokalisiert werden.
Diesen Fund hat Roger Eichenberger erst 67 Jahre später gemacht. Nach jahrelanger Suche, mit Sonargerät und Kameraroboter ausgerüstet, konnte er 2013 die versunkene Morane ausfindig machen.
Bern und die Flugunfälle 1946
Bei der lokalen Bedeutung des Flugzeugabsturzes blieb es nicht: Die militärischen Flugunfälle des Jahres 1946 setzten auch in Bundesbern ein Zeichen. Erstens wurde dort über den Zweck und den Erfolg des medizinisch-psychologischen Dienstes der Fliegertruppe sinniert. Diese Untersuchung sei aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die Piloten zwar notwendig, man müsse aber prüfen, ob sie ihren Zweck bisher erfüllt habe oder in Zukunft weiter erfüllen könne.
Zweitens sollte damit verbunden auch untersucht werden, «ob die vielen Flugzeugunfälle auf ein allfälliges Versagen dieses medizinisch-psychologischen Dienstes oder auf eine ungenügende Ausbildung oder eine mangelhafte Instruktion zurückführen seien, denn bei allen diesen Unfällen ergab sich bisher, dass nicht das Material, nicht die Flugzeuge, Veranlassung zu diesen Katastrophen gegeben haben».
Drittens ist das Dokument der Wintersession 1946 aus aktuellem Anlass spannend. In einem Communiqué des Bundesrats wird explizit vom «Trosteswort an die Witwen und Waisen der verunglückten Piloten» gesprochen. Dass diese Rollenbilder definitiv Geschichte sind, wurde Anfang 2019 deutlich: Fanny Chollet wurde in diesem Jahr die erste weibliche Kampfjetpilotin der Schweizer Luftwaffe. Ermöglicht wurde dies durch die Armeereform von 2003.
Der steinige Weg der Recherche: Ein Aufruf
Zurück nach Luzern: Abgesehen von den Archivalien im Bundesarchiv und den Mikrofilmen der Lokalzeitungen im Staatsarchiv Luzern ist die Quellenlage über das Flugzeugunglück vom 3. Juni 1946 ziemlich dürftig. Gerne hätte ich mehr über die Absturzstelle im Wald beim Würzenbach und den Verbleib des Piloten P. Kleiner herausgefunden. Doch mit den begrenzten Ressourcen war weder die Recherche im Stadtarchiv noch im Gemeindearchiv Meggen ergiebig. Gemeinderatsunterlagen oder Polizeiberichte wie beim Absturz des US-Bombers 1945? Fehlanzeige.
An dieser Stelle möchte ich deshalb einen Aufruf starten: Wissen Sie etwas über den Flugzeugabsturz 1946 auf Luzerner Boden oder über die Geschichte des Piloten, der in Meggen mit dem Fallschirm landete? Dann wenden Sie sich an die Redaktion von zentralplus und mit etwas Glück erscheint ein Teil 3 der Flugzeugabstürze in Luzern.