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Flugzeugabstürze im Meggerwald

Ein US-Bomber über Luzern

Das Trümmerfeld des Absturzes. (Bild: zvg / zeitbildmeggen)

Während der Zweite Weltkrieg auf deutschem Boden in seine finale Phase trat, war die Schweiz eine Insel der Ruhe. Diese Ruhe wurde am 27. Februar 1945 in Luzern jäh gestört: «Im Lauf des heutigen Nachmittags finden erneut heftige Angriffe auf Süddeutschlands Bahnen statt. Fünf Bomber landen in Dübendorf. Ein weiterer stürzt in St. Moritz brennend ab. Die Mannschaft ist gerettet. Zwei andere Bomber werden von unseren Jägern abgeschossen, einer stürzt bei Olten, der andere bei Meggen brennend ab.» Teil eins zu den Flugzeugabstürzen im Meggerwald.

Ein amerikanisches Flugzeug im Schweizer Luftraum? So erstaunlich es sich anhört, Verletzungen des Schweizer Luftraumes waren während dem Zweiten Weltkrieg keine Seltenheit. Insgesamt 250 Flugzeuge stürzten zwischen 1939 und 1945 entweder in der Schweiz ab oder mussten hier landen. Was also lokalgeschichtlich ein spektakuläres Ereignis ist, war schweizweit kein Einzelfall, wie der obige Tagebucheintrag von Arthur Müller am 27. Februar 1945 zeigt.

Luzerner Überflug und Absturz

Die Luzerner Bevölkerung wurde an diesem klaren und sonnigen Dienstagnachmittag durch einen Flugalarm aus ihrer alltäglichen Routine gerissen. Ein von Deutschland her kommender US-Bomber des Typs B-24 Liberator wurde beim Einsatz auf dem Rangierbahnhof in Augsburg stark beschädigt und musste die Formation verlassen. Kurz darauf drang er in den Schweizer Luftraum ein und wurde zur Landung in Dübendorf aufgefordert.

Dieser Aufforderung konnte der Pilot nicht nachkommen. Über Luzern wurde der Bomber von mehreren Schweizer Jagdflugzeugen des Typs Morane beschossen, worauf er kurz danach im Meggerwald in der Nähe der «neuen Buchmattwaldstrasse» abstürzte.

Der angebliche Luftkampf über Meggen

Die «Luzerner Nachrichten» melden am Samstag, dem 3. März, dass ein ausländischer Bomber von Schweizer Flugzeugen «von Reiden her über den Küssnachter Arm des Vierwaldstätter Sees» eskortiert wurde.

Weiter heisst es: «Ungefähr über dem Dorf Meggen entspann sich ein Luftkampf, und man hörte eine Zeit lang wildes Maschinengewehrgeknatter. Bald schoss aus dem Bomber eine Stichflamme hervor, und das Flugzeug stürzte, eine mächtige Rauchwolke hinterlassend, in dem Meggerwald ab. Mit grossem Getöse prallte der Bomber auf den Boden, unter fortwährender Explosion der Bordmunition.»

Die beschriebene Flugroute des US-Bombers entspricht nicht der Realität, denn das Flugzeug flog über Emmen auf die Stadt Luzern zu und wurde dort von den Schweizer Morane getroffen. Dann erst schwenkte es stark nach links ab und stürzte über Meggen ab.

Die Route der Maschine über Luzern bis zur Absturzstelle bei Meggen. (Grafik: zentralplus)

Was die «Luzerner Nachrichten» nicht wussten: Der Pilot der B-25, 1Lt Douglas W. Lambert von der 15th Air Force, 44th Bomb Group, gab der Besatzung bereits über Dietikon den Befehl zum Aussteigen. Er entschloss sich dazu, da die Maschine nicht mehr kontrollierbar sei und die Maschine nicht wie aufgefordert in Dübendorf landen könne. Der Bomber war also zum Zeitpunkt des angeblichen «Luftkampfes» bereits seit geraumer Zeit führerlos und wurde «seinem Schicksal überlassen», wie die Stadtpolizei in ihrem Bericht festhält.

Kaugummis und explodierende Bordmunition

Um 15.20 Uhr trafen nacheinander die Luzerner Stadtpolizei, die Ortswehr Meggen und der Luftschutz der Stadt Luzern an der Absturzstelle ein. Da das Rumpfteil noch brannte, wurde der betroffene Waldabschnitt sofort mit einem Sperrband abgeriegelt und mit den Löscharbeiten begonnen. Dies hielt die herbeigeeilten, neugierigen Schüler aus Meggen nicht davon ab, unter dem Absperrband hindurchzuschleichen. «Wir wussten, dass die Amerikaner Kaugummis hatten und wir wollten auch welche», erzählt ein Anwohner.

Von der Maschine, in der die Schüler nach Kaugummis suchen konnten, blieb nicht mehr viel übrig: Der Polizeibericht hält fest, dass sie «bis zur Unkenntlichkeit zerschellt» sei. Der Bericht der «Luzerner Nachrichten» wies mangels Informationen einige Fehler auf. Jedoch stimmt die Behauptung, dass die Bordmunition nach dem Absturz explodiert sei. Dies bestätigt sowohl der Polizeibericht, wie auch mein Interview mit einem Anwohner in Meggen.

Amerikaner im Meggerwald?

Der Absturz ging einigermassen glimpflich aus: Zwei Besatzungsmitglieder, die auf Anweisung von Lambert den Bomber frühzeitig verliessen, wurden nur leicht verletzt. Da sich die Polizei nur auf Zeugenaussagen vor Ort verlassen konnte, gingen sie anfangs davon aus, dass sich immer noch Personen im Wrack befänden. Denn Waldarbeiter hätten noch zwei Männer beim Flugzeug gesehen. Andere behaupten, sie hätten zwei Fallschirmspringer über Adligenswil gesichtet.

Pistolen, Fallschirme, Fliegerdolch und heizbare Schuheinsätze: Die Inventarliste der Direktion der Militärflugplätze. (Bild: zvg/zeitbildmeggen) (Bild: zvg / zeitbildmeggen)

Grosses Glück hatte Walter Joller: Er arbeitete in unmittelbarer Nähe des Absturzes im Wald und wurde durch die Wucht der Explosion zu Boden geschleudert. Dabei zog er sich lediglich eine Quetschung der linken Brustseite zu und konnte nach acht Tagen wieder an die Arbeit zurückkehren.

Schäden in der Natur

Grössere Schäden verursachte die Maschine in der Natur: Die Parzellen 99 und 100 der Besitzer Sigrist und Hofer wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Baumkronen wurden abrasiert, Bäume angebrannt und eine Tanne stürzte durch den Absturz sogar um. Dort wo sich der Rumpf und zwei der vier Motoren in die Erde bohrten, entstanden zwei Krater von je etwa zwei Metern Durchmesser. Teile der B-24 wurden bis zu zweihundert Meter weit geschleudert.

An Dokumenten fand die Polizei nur ein Kartenstück von Oberitalien, das unverzüglich dem Beauftragten von der Flieger & Flab, Hauptmann Scheitlin, übergeben wurde. Gesamthaft entstand ein Kulturschaden von je 900 und 800 Franken. Einen Teil davon haben die Amerikaner Jahre später vergütet, wie ein Anwohner anmerkt.

Der Spuk ist noch nicht zu Ende

Wer jetzt denkt, der Absturz sei eine einmaliges Ereignis in der Dorfgeschichte Meggens gewesen, der irrt sich. Nur ein Jahr später krachte erneut ein Flugzeug in den Meggerwald. Dieses Mal war es aber kein fremder Bomber, sondern ein Flugzeug der Schweizer Armee.

Teil zwei der Flugzeugabstürze im Meggerwald erscheint demnächst.

Das Trümmerfeld des Absturzes. (Bild: zvg/zeitbildmeggen) (Bild: zvg / zeitbildmeggen)
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Roli Müller
    Roli Müller, 14.02.2020, 16:15 Uhr

    Grüezi Herr Bucher
    Ich recherchiere seit 2008 die Geschichte dieses B24. letztes Jahr hatten wir sogar eine Ausstellung zu diesem Thema anlässlich des 10. Oldtimer am Rigi. Falls sie an weiteren Informationen interessiert sind könnte ich da sicher helfen.
    Freundliche Grüsse
    Roli Müller Küssnacht

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