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Zentralschweizer Luftschifffahrt als kurze Episode

Als Luzern davon träumte, ein Luftschiffmekka zu werden

Was wie eine Fotomontage aussieht, ist 1910 tatsächlich geschehen. (Bild: Aviation History Switzerland)

Am 24. Juli 1910 nahm in Luzern die erste Luftschiffstation der Schweiz seinen Betrieb auf. Nur zwei Jahre später war der Traum vom Luzerner Luftschiff-Touristenmagnet bereits wieder vorbei.

Vor rund 120 Jahren standen die Luzerner Hoteliers vor einem Problem: Die traditionellen, gut betuchten Gäste wandten sich neuen Destinationen zu, während der aufkommende Gruppentourismus die Preise drückte. Eine neue Idee musste her, um die wohlhabenden Touristen erneut für Luzern zu begeistern. Der scheinbar wahnwitzige Plan: Was, wenn man die Stadt von oben erkunden könnte?

Was im ersten Moment verrückt klingen mag, war aus damaliger Sicht gar nicht so abwegig: Die noch junge Luftschifffahrt faszinierte die Menschen, so auch die Luzerner Einwohner. Erfasst hatte das Luftschifffieber die Leuchtenstadt am 1. Juli 1908.

1908 überflog ein Zeppelin auch Luzern.
1908 überflog ein Zeppelin auch Luzern. (Bild: Aviation History Switzerland)

Damals tauchte im Rahmen einer zwölfstündigen Schweizrundfahrt ein Zeppelin am Himmel von Luzern auf. «Tücherschwenken und vielhundertstimmiges Hurra begrüsste die Fahrenden. An allen Fenstern, auf den Hausdächern, auf jeder Anhöhe, auf dem Quai, auf dem Postplatz standen zu Hunderten die Einwohner Luzerns in heller Begeisterung, überall das Lob des genialen Erfinders preisend», berichtete später eine Zeitung über das Ereignis.

Das erste Luftfahrtunternehmen der Schweiz

Und so wurde im Jahr 1910 im sumpfigen Tribschenmoos die erste Luftschiffstation der Schweiz errichtet. Die Stadt Luzern stellte die Finanzierung von fast 220’000 Franken für die Infrastruktur am Boden zur Verfügung. Das Ergebnis: eine Halle für zwei Luftschiffe und eine Gasfabrik, um diese zu befüllen. Fast 100 Meter lang und 46 Meter breit war der Hangar, um die beiden geplanten Luftschiffe fassen zu können.

Dieser Plan der Luftschiffhalle Luzern wurde 1910 in der Schweizerischen Bauzeitung veröffentlicht.
Dieser Plan wurde 1910 in der «Schweizerischen Bauzeitung» veröffentlicht. (Bild: Gemeinfrei)

Betrieben wurde die Luftschiffstation von der neu gegründeten Genossenschaft Aero Luzern, die damit zum ersten Luftfahrtunternehmen der Schweiz wurde. Nun musste man sich nur noch auf die Suche nach geeigneten Luftschiffen machen. Fündig wurden die Luzerner Pioniere beim französischen Hersteller Astra Société de Construction Aéronautique. Dieser baute unter der Typenbezeichnung «Astra 1» ein 60 Meter langes Prallluftschiff. Es hat, im Gegensatz zu Starrluftschiffen wie dem Zeppelin, kein tragendes Gerüst.

Unerschwinglich für Normalsterbliche

Eins dieser Modelle nahm am 2. April 2010 unter dem Namen «Ville de Pau» in Frankreich den Betrieb auf. Bereits wenig später wurde es dann aber nach Luzern verlegt, wo es im Juli 1910 als «Ville de Lucerne 1» in Dienst gestellt wurde. Die Leuchtenstadt hatte ihr erstes eigenes Luftschiff.

Wo heute alles zugebaut ist, stand 1910 der erste Luftschiffhafen der Schweiz inmitten einer Wiese.
Wo heute Sportanlagen und die Eishalle stehen, stand 1910 der erste Luftschiffhafen der Schweiz. (Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Am 24. Juli 1910 hob die «Ville de Lucerne 1» zu ihrem Jungfernflug ab. Ganze 20 Minuten schwebte das Gefährt in der Luft, begleitet von der Nationalhymne und neugierigen Zuschauern. Der 110 PS starke Motor lieferte immerhin genug Schub für eine Geschwindigkeit von 45 km/h. Danach startete der reguläre Betrieb für die Touristen.

Rundflug in Luzern mit dem Luftschiff Ville de Lucerne 1.
Eine Werbepostkarte, wie sie damals vertrieben wurde. (Bild: Aviation History Switzerland)

Einen Rundflug mit der «Ville de Lucerne 1» liess sich das Unternehmen teuer bezahlen. 100 Franken kostete die 20-minütige Spezialfahrt, eine Fahrt zur Rigi oder dem Pilatus sogar das Doppelte. Obwohl sich das kaum jemand leisten konnte, startete das erste Jahr vielversprechend: Die Aero Luzern konnte mit 66 Fahrten 235 Passagiere transportieren. Eine der Fahrten führte sogar nach Zürich Wollishofen und wieder zurück – und war damit die erste Luftverbindung zwischen zwei Schweizer Städten.

Vom Luftschiffhafen zum Eisfeld

Doch die anfängliche Erfolgsstory dauerte nicht lange. Bereits im zweiten Jahr machte das Luzerner Luftschiff vor allem mit Pannen von sich reden. Das war wohl mit ein Grund, warum viele Leute sich nicht trauten, dieses zu besteigen. Nach nur zwei Jahren gab die Aero Luzern das defizitäre Unternehmen auf.

Ville de Lucerne 1.
Die Gondel der «Ville de Lucerne 1». Hier einzusteigen, brauchte Mut. (Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Die nun überflüssige Halle diente in den folgenden Jahren noch ganz unterschiedlichen Zwecken. Unter anderem nutzte das Militärdepartement sie im Ersten Weltkrieg als Strohlager. Ab 1920 wurde aus dem Hangar eine Eishalle, bevor er 1923 abgerissen wurde.

Verwendete Quellen
  • Artikel «Luftschiffe in der Schweiz» aus dem Magazin «Zeitlupe» (2000)
  • «Schweizerische Bauzeitung» von 1910
  • Historische Mediathek
  • «Berner Zeitung»
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