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Zurück auf Start – den Traumjob hinschmeissen

Der Traumjob hat sich erledigt.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Nach nur zwei Monaten schmeiss ich den Traumjob hin. Ich kapituliere, schwinge die weisse Fahne, gebe auf, steig aus, verzichte, ja, ich kündige!

Manchmal, da läuft im Leben alles perfekt. Bis auf die Tatsache, dass es sich nicht richtig anfühlt. Vor zwei Monaten habe ich einen Traumjob angenommen. Von der schlechten Bezahlung abgesehen ist es tatsächlich ein Traumjob: sinnstiftend, fordernd, lehrreich, abwechslungsvoll.

Einen schlechten Job zu schmeissen, ist was für Anfänger. Einen zu schmeissen, der eigentlich perfekt in den Lebenslauf passt und sogar Spass macht, ist dagegen kein leichtes Unterfangen. Zwei Monate lang habe ich gegrübelt, Entscheidungsmatrizen erstellt, mich mit Freunden und Familie beraten, meine Finanzen und damit verbundenen Risiken der Folgen eines Ausstiegs gecheckt, um heute hier zu schreiben, dass ich mich auf mein Bauchgefühl verlasse.

Zwischen Welten

Angekündigt hat sich dieser innere Kompass bereits bei der Vertragsunterzeichnung: «Bin das wirklich ich? Ist das der Kampf, den ich führen will?» Sicher, so viel ist sicher, war ich mir nicht. Ein Blick auf die Jobbeschreibung liess mich dann aber doch die erprobte Signatur auf den Vertrag setzen, womit die Halbpatzigkeit seinen Anfang genommen hat.

Drei Fächer studieren, einen Vereinsstandort und ein Privatleben führen, dazu eine grosse Auslandrecherche planen, für Freunde da sein, meine kleine Schwester besuchen, mich ehrenamtlich engagieren – alles auf Halbmast. Kurz vor den Semesterprüfungen fand ich mich, den Stoff in mich hineinprügelnd, wieder. «Moment mal, so habe ich mir das nicht vorgestellt», dachte ich und fing erneut an zu grübeln.

Generation Praktikum

So wie mir geht es Hunderten von Studierenden, auch hier in Luzern. Generation Praktikum lässt grüssen. Ständig haben wir das Gefühl, mehr leisten zu können, uns auszeichnen zu müssen und dankbar zu sein, für jede noch so kleine Chance, die sich im Leben ergibt. Nicht wenigen wächst der Mist über den Kopf.

Gefangen zwischen zwei Welten lässt die Zerrissenheit nämlich nicht lange auf sich warten. Besonders, wenn einem täglich vor Augen geführt wird, wie sehr sich die Arbeit vom Studium unterscheidet. Am Morgen spricht der Professor über historischen Institutionalismus. Nachmittags gehts ins Büro, um stundenlang Excelkästchen in einem Zweijahresplan einzufärben. Zwischendurch ein ekliges Sandwich aus der Bäckerei am Bahnhof Luzern.

«Teilzeitstudieren wird noch immer als eine absichtliche Halbverbundenheit wahrgenommen.»

Im Studium zurückgeblieben

Vor ein paar Wochen habe ich dann die Informationsveranstaltung zur neuen Wirtschaftsfakultät der Universität Luzern besucht. Darin musste ich erfahren, dass ich einige Vorlesungen nicht mehr so besuchen kann, wie ursprünglich geplant.

Der Studiengang «politische Ökonomie», der im Grunde zwei Drittel meines Studiengangs ausmacht, wird früher oder später eingestanzt. Für die meisten «Regulärstudierenden» ändere sich dabei nichts. Doch diejenigen, «die im Studium etwas zurückgeblieben sind», könnten Probleme kriegen. Mein Blutkreislauf hat daraufhin die Zirkulationsrichtung gewechselt. Zurückgeblieben, von wegen!

Leider war ich in diesem Moment zu müde, um zu toben. Zu erschöpft, um zu protestieren. Und zu sehr darüber enttäuscht, dass Teilzeitstudieren noch immer als eine absichtliche Halbverbundenheit wahrgenommen wird. Dabei reissen sich Teilzeitstudierende – meine WG ist voll von denen, weshalb ich mir auch ein Urteil darüber erlaube – ihren Allerwertesten auf. Zwei Tage studieren (8–21 Uhr), drei Tage in einem einschlägigen Praktikum unterbezahlte Stunden leisten, wochenends bis spätabends kellnern, dazwischen Modelle bauen, Arbeiten schreiben, Prüfungen vorbereiten. Und dann blickt uns im Vierzehner-Bus Richtung Dreilindenpark die Werbung entgegen: «Flexibel studieren.» 

Oder etwa doch?

Ich bin vier Semester tief und hab erst 60 Punkte gesammelt. Von dem Stoff, den ich bulimieartig in mich hineingestopft habe, weiss ich nicht mal mehr die Hälfte. Mit der Work-Life-Balance hat es letztens nur auf zwei Arten geklappt. Erstens kaum, und zweitens gar nicht.

«Kündige oder kündige nicht, du wirst es sowieso bereuen!»

Nichtsdestotrotz sieht, zumindest auf Papier, alles perfekt aus. Die grossen Herausforderungen in meinem 50-Prozent-Job habe ich bisher vorbildlich gemeistert, und genauso die 15 Credits pro Semester, die bei einem Teilzeitstudium als angebracht gelten.

Den Job hinschmeissen

Und doch lässt mich das Gefühl nicht los, dass ich was verpasse. Mein Studium zum Beispiel. Oder die grosse Auslandrecherche, von der ich seit einem Jahr träume. Deshalb also, schmeisse ich meinen Traumjob hin. Mit der kleinen Anmerkung, dass es nicht mein Traumjob ist.

All denen, die sich in der gleichen Situation befinden, rate ich mit Kierkegaard Folgendes: Kündige deinen Job, du wirst es bereuen. Kündige ihn nicht, du wirst es auch bereuen. Kündige oder kündige nicht, du wirst es sowieso bereuen!

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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