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Seestern im Kopf

Magisches Nichtdenken in den Semesterferien

Den Kopf lüften und an nichts denken – das gelingt Campusbloggerin Denise in ihren Semesterferien dank der Hitze und des Rauschen des Meeres. (Bild: denise donatsch)

In den Semesterferien fiel ich zeitweise in einen komplett lethargischen Zustand und vergass für einmal alles, was mir sonst wichtig erscheint. So wie an diesem heissen Sommertag in Südfrankreich.

Flimmernde Luft, Flimmern im Kopf. Die Temperatur klettert an diesem Julitag auf 40 Grad – im Schatten. Ich sitze am Strand. Das Rauschen des Meeres umgibt mich wie eine zarte Decke, zieht mich zusätzlich zu der enormen Hitze mehr und mehr in eine tiefe, schwüle Lethargie. Mein Herzschlag pochend, mein Blutdruck im Keller.

La canicule

Irgendwo in meinem Kopf blitzen immer wieder für Sekundenbruchteile Gedanken auf; versuchen mich an mein Leben vor dieser gewaltigen Hitzewelle im Süden Frankreichs zu erinnern. «La canicule» wird sie von den Einheimischen genannt. Eine Hitze, die sogar ihnen enorm zu schaffen macht.

Da war doch noch was – ein Philosophiestudium, eine Seminararbeit – ertönt eine Stimme in mir wie ein Echo. Gedankenblitz vorbei. Wieder nur das Rauschen, wieder nur das Flimmern.

Das Land von Simone de Beauvoir

Der Gang vom Strandtuch zum Meer erweist sich als Herkulesaufgabe. Die wenigen Meter im feuerheissen Sand werden zur Qual. Doch das – im Verhältnis zur heissen Luft – kühle Wasser, welches wie eine Erlösung meine Füsse umspült, war jeden Meter des Weges wert.

Hier in Frankreich, im Land von Simone de Beauvoir, wollte ich mich ganz speziell jenen philosophischen Themen zuwenden, die mich schon seit meiner Kindheit umtreiben: die Unterdrückung der Frau. Und die Bewertung der Frau in gut und schlecht aufgrund ihres Aussehens und aufgrund des Ausmasses ihrer Bereitschaft, sich fürsorglich und hingebungsvoll zu verhalten. Verhaltensweisen, die nie zu mir passten.

Innere Zerrissenheit

Fürsorglich sein ist selbstverständlich eine wertvolle Eigenschaft, ohne die unsere Gesellschaft schlicht nicht funktionieren würde. Bloss sah ich nie ein, warum nur wir Frauen diesen Part übernehmen sollten, während sich die männlichen Mitglieder unserer Gesellschaft den spannenden, aufregenden Dingen zuwenden durften.

Die innere Zerrissenheit, welche diese Rollenbilder – in Anbetracht meiner eigenen, deutlich davon abweichenden Bedürfnisse – erzeugten, sollte zu einer meiner grössten Lebensaufgaben werden. Soll ich mich den Erwartungen, welche die Gesellschaft an eine Frau bis heute hat, fügen, oder soll ich sein und tun, wer und was ich will? Die schier unerträgliche Hitze verunmöglicht es mir, ausführlich darüber nachzudenken.

Mittlerweile liege ich im Wasser. Auch dieses ist in diesem Sommer – gemäss einheimischen Stimmen – mit 28 Grad unnatürlich warm. Normalerweise erreicht das Mittelmeer an der Côte d’Azur im Sommer maximal 25 Grad. Trotzdem spült das salzige Wasser die schlimmste Hitze aus meinem Körper – lullt mich dafür mit rhythmisch sanften Auf-und-Ab-Bewegungen ein. Wie ein Baby, welches in den Schlaf gewiegt wird.

Seestern im Kopf

Ich liebe das Meer. Nirgendwo sonst kann ich einfach alles, was ist, was war und was vielleicht einmal sein wird, vergessen. Ob sich ein Seestern – eines der langsamsten Tiere der Erde – in etwa so fühlt? Einfach nur sein, einfach nur existieren. Nicht denken, nur noch atmen.

Und obwohl ich weiss, dass ich schon bald wieder aus diesem Zustand auftauchen muss, will ich an diesem heissen Julitag einfach genau nur das: Vor mich hindämmern. Nicht denken können und auch nicht wollen, erscheint mir in diesem Moment nämlich geradezu magisch.

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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