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Interdisziplinär studieren an der Uni Luzern

Wie ich über fehlendes Basiswissen stolperte

Im Soziologieseminar versteht die Ethnologin manchmal nur Bahnhof. (Bild: Pixabay)

Im Studium hauptsächlich Seminare wählen, die mich interessieren? Zusammenhänge erkennen und kritisch denken? Unterschiedliche Disziplinen verknüpfen? Klingt schön. Ist es auch. Funktioniert aber nur bedingt.

Interdisziplinäres Studium – das hört sich schon mal echt krass an. Und beeindruckend wissenschaftlich. Das dachte ich zumindest, als ich mein Studium der Kulturwissenschaften begann. Mittlerweile weiss ich immerhin ungefähr, was mit dem Begriff gemeint ist.

Interdisziplinäre Forschung soll sich nicht von den Grenzen einzelner wissenschaftlicher Disziplinen einschränken lassen, sondern unterschiedliche Ansätze kombinieren.

Interdisziplinär studieren an der Uni Luzern

Für Studierende der Kulturwissenschaften bedeutet das konkret, dass sie neben dem Grundlagenfach (Kulturwissenschaften) und einem gewählten Hauptfach zahlreiche freie Studienleistungen zur Verfügung haben. Mit diesen freien Studienleistungen können sie alle Angebote der kultur- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Luzern (und theoretisch noch mehr) besuchen.

Im Optimalfall wählt man sich also einige Themengebiete aus und besucht Veranstaltungen dazu, die in unterschiedlichen Fächern angeboten werden.

Wer sich austauscht, hat mehr vom Studium

An sich ist das ein tolles Konzept, das den Studierenden grosse Entscheidungsfreiheiten lässt. In der Tat habe auch ich viel davon profitiert. Durch Seminare in anderen Fächern konnte ich unbewusste Grundannahmen reflektieren und die möglichen Perspektiven auf ein Thema erweitern.

Wenn ausnahmsweise sogar diskutiert wurde, war der Austausch zwischen Studierenden aus unterschiedlichen Fächern oft bereichernd. Klingt wunderschön und nach «Forschungsmethode der Zukunft».

In Realität sieht’s anders aus

Trotzdem klingt die Interdisziplinarität fortschrittlicher als sie tatsächlich ist. Zu Beginn des Studiums – begeistert vom System – wählte ich meine Seminare nach reinem Interesse. Als Ethnologiestudentin interessierten mich Seminare zu Themen wie «Migration und Integration» um einiges mehr als Vorlesungen mit dem Titel «Einführung in die Methoden der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung II». Entsprechend ahnungslos sass ich dann in politikwissenschaftlichen oder soziologischen Seminaren.

Auf Sand gebaut

Auch nach einem halbstündigen Crashkurs in Statistik kamen mir die Mechanismen der quantitativen Forschung noch absurd vor. Das Unterfangen, eine Seminararbeit in Politikwissenschaften zu schreiben, ohne jemals einen Kurs in politikwissenschaftlichen Methoden besucht zu haben, nahm ich schon gar nicht erst in Angriff.

Dies wäre wohl auch nicht besonders sinnvoll gewesen. Bloss stellt sich dann die Frage, in welchen Fächern Kulturwissenschaftlerinnen ihre drei «freien Seminararbeiten» denn schreiben sollen? Das Problem des fehlenden Basiswissens ist ja überall dasselbe.

Interdisziplinarität verkommt zum Jekami

Das fehlende Vorwissen bekommen aber nicht nur diejenigen zu spüren, denen es fehlt, sondern auch alle anderen. So kann es durchaus passieren, dass ich im sechsten Semester Ethnologie in Seminaren sitze, in denen wir darüber diskutierten müssen, dass es die eine afrikanische Kultur wohl eher nicht gibt.

Oder dass Masterstudierende in Religionswissenschaften wieder und wieder erklären müssen, was es nun mit dieser Ausreise von Mohammed auf sich hatte. Das ist dann wohl auch nicht die Idealversion interdisziplinären Austauschs.

Interdisziplinarität macht grosse Versprechen. Meiner Meinung nach lohnt es sich auch, ihnen nachzuleben. Dafür braucht es jedoch viel Arbeit und Geduld. Und vielleicht ein Konzept, das weiter reicht als der Grundsatz: «Alle dürfen alles besuchen.»

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Samuel Kneubuehler
    Samuel Kneubuehler, 03.09.2019, 17:43 Uhr

    Es bestünde sogar die Möglichkeit, Module an der grössten Hochschule in Luzern zu besuchen: Die ISA-Module der Hochschule Luzern (HSLU), gemeinsam mit der PH! Das ist gelebte Interdisziplinarität nahe an der Praxis! Deies erlaubt Unis einen Blick abseits der Uni-Theorie und den PH- und FH-Studis einen Einblick ins Unistudium. Das kann ich allen Studierenden jeglichen Hochschultypus› empfehlen.

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