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Dichtestress

Die Treppe hat auch für den Letzten noch einen Sitzplatz. (Bild: Jocelyne Iten)

Wer kennt es nicht, das ewige Warten im Pendlerverkehr, gigantische Menschenmassen in der Rushhour und überall ein steter Kampf um ein wenig Platz. Nicht nur der öffentliche Verkehr leidet unter diesem Dichtestress, auch die Universität Luzern bleibt davon nicht verschont.

11.43 Uhr Hörsaal 11, nur noch 17 Minuten durchhalten, dann ist die erste Doppellektion des Tages überstanden. Geballte 90 Minuten lang wurden die Sinneswahrnehmungen meiner Wenigkeit und die meiner Kommilitonen geschärft. Hier eine Folie mit farbigem Diagramm, dort eine kaum lesbare Skizze und dazu die Nerv tötende Technik, welche versucht, dem Dozenten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Für einmal hoffe ich, dass die Technik Überhand nimmt und einen vollumfänglichen Shut-Down produziert: Endlich wäre ich erlöst vom Geschwafel über Kohorten, Likert-Skalen und Validität. Doch die überladenen Folien werden nur durch sein ununterbrochenes Plappern getoppt. Mein Kopf brummt und mein Magen knurrt. Nach zwei grollenden Lauten aus der Körpermitte habe ich den genervten Blick meiner Sitznachbarin auf sicher. Nur noch wenige Minuten bis zur lang ersehnten Mittagspause.

Um dem Knurren des Magens ein Ende zu setzen, habe ich nun drei Optionen.

Es ist 12.03 Uhr und der Dozent ist weit davon entfernt, seinem Monolog ein Ende zu setzen. Ein paar dreiste Studierende haben sich bereits pünktlich davongeschlichen. Hätte ich auch tun sollen. Dahin geht ein Sitzplatz am Tisch, «Hallo», ruft die Treppe. Bevor irgendwelche Politiker über die Zuwanderung und überfüllte Autobahnen meckern, sollten sie den Ort des wahren Dichtestresses kennen lernen: Es grüsst die Universität Luzern. Glück für jene, welche sich noch einen Platz inmitten der bereits mit Schals, ZGB’s und Taschen besetzten Stühle ergattern konnten. Um dem Knurren des Magens ein Ende zu setzen, habe ich wie, alle anderen hungrigen Studis, drei Optionen.

Option 1 ist der Gang in die hauseigene Kantine, der in der Regel so aussieht: Vom neuerdings grösstenteils veganen Salatbuffet schweift dein Blick zum Free-Choice Buffet und zu guter Letzt zur wartenden Schlange vor dem Mittagsmenu. Dicht gedrängt kämpfst du dich mit deinem Tablett zum Free-Choice. Die «Choice» ist allerdings alles andere als «free», denn mehr als die Hälfte wurde bereits geschöpft. Du musst dich mit dem letzten Broccoli und ein wenig Spinatgnocchi begnügen. Leicht gereizt schlenderst du zum Salatbuffet, nur um zu sehen, dass auch dort die Auswahl spärlich ist. Einen Löffel Hüttenkäse später stehst du in der endlosen Schlange zur Kasse und wartest.

Option 2 ist das Aufwärmen des mitgebrachten Mittagessens. In Scharen finden sich vorwiegend Studentinnen vor der Mikrowelle zusammen und feiern eine Weiss-Rote-Tupperware Party. Zu dieser östrogengeladenen Runde habe ich mich genau einmal in den vergangenen fünf Semestern dazugesellt.

Option 3 ist das gekaufte oder mitgebrachte kalte Mittagessen, meine präferierte Wahl. Damit umgehe ich elegant die vollbepackte Mensa, plus mache ich einen grossen Bogen um die Strahlung der Mikrowellen. Ein Platz am Tisch ist mir damit jedoch auch nicht gesichert. Ein Scanblick durch die Tische reicht und ich wandere mit meinem Essen schmollend zur Treppe. Die Standardfrage, «Sind diese Plätze noch frei?», spare ich mir, da die Antwort ja nur schwer zu erraten ist. Angekommen bei der Treppe, schicke ich noch schnell eine Nachricht an die Kollegin: «The stairs it is, once again!» und dem Genuss steht nichts mehr im Wege.

Die Tortur ist (noch) nicht zu Ende

Der Magen ist gefüllt, die Rederei zu Ende, jetzt wäre Zeit für einen Wachmacher. Diese Idee scheine ich mit vielen Anderen zu teilen, denn auch vor dem Kaffeestand heissts wieder einmal: Warten. Nachdem ich meinen Kaffee hinuntergeleert habe, folgt der obligate Gang zur Toilette. Frauen und Toiletten sind ja so eine Sache. Bis ich an der Reihe bin, habe ich mir schon fast in die Hosen gepinkelt. Ist die Blase wieder in ihrer Wohlfühlzone, geht es ab in die Nachmittagssession…

Es schlägt 17.00 Uhr, die Uni ist zu Ende. Mit der abendlichen Unterhaltungslektüre unterm Arm eile ich auf Gleis 5 und steige in Wagen 4. Ein kurzer Blick ins Abteil und sofort folgt die Ernüchterung. Nicht weit entfernt höre ich auch hier den stillen Ruf der Treppe.  

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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