Schule geschmissen in Luzern

Diese Jugendlichen haben weder Lehre noch Matura

Rauchen, Schwänzen, Schulabbruch: Neue Daten zeigen, dass die Sache komplizierter ist. (Bild: Adobe Stock)

Wer nach dem neunten Jahr die Schule verlässt und nicht zurückkehrt, findet nur schwer einen Job. Eine Gruppe Jugendlicher in Luzern ist besonders gefährdet.

Erwachsen werden ist nicht leicht. Gerade heute, in einer Welt, in der Abschlüsse und Jobs mehr zählen als je zuvor. Viele Junge sind dem Druck gewachsen und gehen einen linearen Weg. Andere hingegen bleiben auf der Strecke.

Wer sind diese Jugendlichen, und warum kann das Bildungssystem sie nicht auffangen? Diese Fragen hat sich Lustat gestellt. Anhand von Daten des Bundesamts für Statistik (BFS) hat die Luzerner Statistikstelle untersucht, wie ein durchschnittlicher Bildungsweg nach der obligatorischen Schule aussieht. Die Ergebnisse zeigen nun, warum das Luzerner Bildungswesen für die meisten Schüler auch nach ihrem neunten Schuljahr funktioniert. Und erklären, warum es bei anderen versagt.

Von 4000 Jugendlichen blieben 232 auf der Strecke  

Rund 4000 Jugendliche kamen im Jahr 2012 in ihr siebtes Schuljahr im Kanton Luzern. Acht Jahre später, im Schuljahr 2020/2021, schaute das BFS, wo die dannzumal 20-Jährigen im Leben standen. Die meisten hatten erst die Sekundarstufe I beendet und dann eine Lehre oder die (Fach-)Matura gemacht. Der Weg durch die Sekundarstufe II, also beispielsweise eine Matura oder eine Lehre, verlief bei zwei Dritteln von ihnen ohne Unterbruch.

Doch 232 Jugendliche blieben auf der Strecke. Denn sie standen fünf Jahre nach der obligatorischen Schulzeit ohne Abschluss da. Ihr Anteil an den 4000 Jugendlichen betrug bei der Messung rund 5 Prozent. Wie die Grafik zeigt, schwankt der Anteil der frühzeitigen Schulabgänger in Luzern seit Jahren um diesen Wert.

(Bild: Lustat)

Etwa die Hälfte der 232 Jugendlichen begann nach dem neunten Schuljahr eine Lehre oder versuchte, die Matura zu machen. Viele mussten aber Klassen oder Lehrjahre wiederholen. Andere unterbrachen ihre Ausbildung für eine Zeit, wieder andere nutzten ein Brückenangebot. Häufig versuchten sie dann, erneut ins Bildungssystem einzusteigen. Lustat schreibt, dass viele dieser Jugendlichen «mehrere Versuche unternahmen, um einen Erstabschluss zu erlangen».

Ausländer stranden häufiger auf dem Bildungsweg

Wer sind diese Jugendlichen? Die Daten von Lustat zeigen keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern – aber einen grossen zwischen den Nationalitäten. Jeder zehnte ausländische Jugendliche hatte im Schuljahr 2020/2021 keinen Abschluss auf Sekundarstufe II. Bei den ausländischen Jugendlichen, die nicht in der Schweiz geboren sind, war der Anteil ohne diesen Abschluss noch höher (14 Prozent). Unter den Schweizern war es nur jeder zwanzigste.

«Jugendliche, die das Bildungssystem ohne Abschluss der Sekundarstufe II verlassen, sind eine potenzielle Risikogruppe.»

Bundesamt für Statistik

Auch die Region machte in der Erhebung einen Unterschied. Während mehr Jugendliche in der Agglomeration auf der Strecke blieben, war der Anteil im Entlebuch, Seetal und in Sursee dreimal geringer. Was, ein wenig salopp gesagt, zeigt: Je schweizerischer und ländlicher, desto häufiger klappt es mit dem linearen Bildungsweg. Je städtischer und ausländischer, desto mehr Fallstricke lauern.  

Zugegeben: Für viele der 232 Jugendlichen ist nichts verloren. Denn etwa 40 Prozent befanden sich, als die Daten erhoben wurden, wieder oder immer noch in Ausbildung. Für sie ist ein Abschluss auf Sekundarstufe II greifbar. Doch die übrigen 60 Prozent haben gemäss der Erhebung das Bildungssystem verlassen.

Kein Abschluss der Sekundarstufe II ist ein Problem

Warum das problematisch ist? Ohne einen weiterführenden Abschluss nach dem neunten Schuljahr sind die beruflichen Chancen deutlich geringer. Wer einen Job ergattert, wird für einen guten Lohn nicht viel Verhandlungsspielraum haben. Das Bundesamt für Statistik bezeichnet diese Jugendlichen als «potenzielle Risikogruppe», weil ihre Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt stark eingeschränkt seien.

Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) hatte sich daher gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und dem Bund ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis 2020 sollte der Anteil der 25-Jährigen, die keinen Bildungsabschluss auf Sekundarstufe II erworben haben, auf unter 5 Prozent sinken. Luzern hat an dieser Marke bei der Erhebung im Schuljahr 2020/2021 knapp gekratzt: Der Anteil der 18- bis 24-Jährigen ohne Lehre oder (Fach-)Matura betrug 5,4 Prozent.  

Hinweis: Vom Bundesamt für Statistik analysiert wurden folgende Ausbildungstypen: eidgenössisches Berufsattest (EBA); 3-jähriges eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ); 4-jähriges EFZ; Fachmittelschulausweis; gymnasiale Maturität. Sie wurden im Text mit «Lehre oder (Fach-)Matura» abgekürzt.

Verwendete Quellen
  • Website der Konferenz der kantonalen Bildungsdirektorinnen und -direktoren
  • Lustat-Beitrag zu den frühen Schulabgängern
  • Webartikel von Lustat zu Bildungsverläufen
  • Artikel des Bundesamts für Statistik über Jugendliche ausserhalb des Bildungssystems
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3 Kommentare
  • Profilfoto von MT
    MT, 26.11.2023, 06:08 Uhr

    Sorry, aber wegen dem 10. schuljahr praktisch als schulabbrächer betitel zu werden, ist schon etwas dreist… im bericht wird es gegen ende noch richtig gestellt, aber es ist trotzdem übertieben dargestellt. wenn man nach dem 10. schuljahr eine 4 jährige lehre macht, ist man nämlich (je nach geburtstag) erst mit 21 jahren fertig. macht man nach dem 10. schuljahr aber «nur» eine 3 jährige lehre, wäre man mit 20 jahren fertig und man würde somit in diesem bericht/statistik besser da stehen, als die personen mit der 4 jährigen lehre…

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 24.11.2023, 14:12 Uhr

    Auch für Leute ohne Berufslehre (und eine Matura ist für sich allein nicht viel wert) gibt es einen grossen Stellenmarkt. Die vielen Zuwanderer, die in Gastgewerbe/Hotellerie, in der Reinigung, Entsorgung, im Baugewerbe, in Verkaufsläden etc. arbeiten, haben kaum eine abgeschlossene Ausbildung, da es in den meisten Herkunftsländern gar keine Lehre wie in der Schweiz gibt. Für viele dieser Tätigkeiten ist auch keine nötig, trotzdem sind sie wichtig.
    Die Hauptsache ist, dass auch Leute ohne Ausbildung eine Chance erhalten – das funktioniert dank Schweizer KMUs.

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  • Profilfoto von Windom Earle
    Windom Earle, 24.11.2023, 14:03 Uhr

    Ich finde die Schilderung etwas verwirrend. Verstehe ich das richtig: Von 4000 Personen haben nach 8 Jahren 232 (5.8 %) keinen Sek-II-Abschluss (Lehre oder Matura), wobei etwa 93 Personen (40 % von 232) noch in der Sek-II-Ausbildung sind, 139 haben alles abgebrochen. Das heisst, ca. 3.5 % der Leute haben nach 8 Jahren weder Ausbildung noch Abschluss.
    So betrachtet ist man auf gutem Weg, das EDK-Ziel 5 % zu erreichen.

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