Abenteuerliche Idee aus Luzern

Wer bauen will, soll Kunst bezahlen

Die Projektgruppe «Kunst im Fluss»: Hans Stricker, Barbara Hennig Marques und Hansjürg Egli (v. l. n. r.). (Bild: Simon Villiger)

Emmenbrücke und Luzern wachsen zusammen. Die unschönen Wege an den Flüssen werden wichtiger. Kunst könnte eine Lösung sein, findet das Team von «Kunst im Fluss». Und schlägt etwas Spannendes vor.

Ein ungewöhnlicher Vorschlag ist zuletzt auf dem Schreibtisch des Gemeinderates von Emmen gelandet. Wer am Fluss Emme bauen will, soll «verpflichtet werden, Kunst im öffentlichen Raum in die Projektplanung zu integrieren» – und auch als Teil der Baukosten zu finanzieren. Die Regel soll für Private genauso wie für die Gemeinde selbst gelten.

Was hat es damit auf sich? Könnte es sein, dass künftig neben einem Lärmschutzkonzept und den nötigen Bewilligungen auch künstlerische Konzepte bei Neubauten verlangt werden? zentralplus hat sich auf die Suche gemacht nach den Urhebern der Idee – und ist auf einen altbekannten Verband gestossen.

Berufsverband macht auf sich aufmerksam

Es handelt sich um Visarte Zentralschweiz, den Berufsverband visuell arbeitender Künstler, Kuratoren und Architekten. 60 Mitglieder zählt die regionale Gruppe von Visarte Schweiz, 125 Jahre gibt es sie schon in Luzern. Eines ihrer bekannteren Projekte führte im letzten Sommer zu einer Ausstellung, die viele Luzerner nur am Rande mitbekamen (zentralplus berichtete).

«Rollsreuss» von Stephan Wittmer
«Rollsreuss» von Stephan Wittmer – einer von acht Künstlern, die bei der Ausstellung «Im Fluss I» ausstellen durften. (Bild: Barbara Hennig Marques)

«ROLLSREUSS» – in grossen Lettern prangte das Wort letzten Sommer unter dem Rüssegg-Viadukt am Ufer der Reuss. Fussgänger und Velofahrer konnten das Kunstwerk kaum übersehen. «Der Schriftzug hat viel zur Bekanntheit von ‹Kunst im Fluss› beigetragen», sagt Hansjürg Egli, als zentralplus diese Woche nachfragt. 

Der Architekt ist nicht nur Vorstandsmitglied von Visarte Zentralschweiz, sondern auch Teil der dreiköpfigen Projektgruppe «Kunst im Fluss» – ebenjener Projektgruppe, die bei der Gemeinde Emmen vorgeschlagen hat, Kunst für Bauwerke an der Emme vorzuschreiben.

«Kunst im Fluss» will Verbindungsachsen stärken

Das Projekt «Kunst im Fluss» unter der Schirmherrschaft von Visarte Zentralschweiz will Kunst entlang der Reuss und der Emme fördern. Vom Reusswehr in der Stadt Luzern bis zum Emmenkanal bei der Swiss Steel planen die Macher «künstlerische Interventionen». Die Strecke nahe der Autobahn ist nicht zufällig gewählt.

Zahlreiche neue Projekten lassen Emmenbrücke und Luzern zusammenwachsen. Die Viscosistadt, die Hochschule Luzern – Design & Kunst und die Überbauung «Vierviertel» hat Emmenbrücke bereits erhalten. Im Sommer 2026 soll die neue kantonale Verwaltung auf dem Seetalplatz eröffnen und die Entwicklung von «Luzern Nord» vorantreiben (zentralplus berichtete).

Für die Köpfe hinter «Kunst im Fluss» ist klar, dass dieser Wandel bedeutsam ist. Sie finden: Die Wege entlang der Flüsse werden an Bedeutung gewinnen. Reuss und Emme mit ihren Velo- oder Fusswegen werden stärkere «Verbindungsachsen». Die Räume und «Unorte» auf der Strecke müssen aufgewertet werden.

So soll das Verwaltungsgebäude des Kantons Luzern dereinst aussehen. (Bild: zvg)

«Unser langfristiges Ziel ist es, entlang der Flüsse Reuss und Emme innerhalb unseres Perimeters dauerhafte Kunstwerke zu hinterlassen», erzählt der Architekt. Circa zehn Jahre Zeit haben sich er, Hans Stricker und Barbara Hennig Marques von «Kunst im Fluss» gegeben. Damit das Ziel Realität wird, verfährt das Team zweigleisig.

Gemeinderat von Emmen lehnt Vorschlag ab

Einerseits wollen sie mit Ausstellungen wie «Im Fluss I» diesen Sommer auf ihre Ziele aufmerksam machen. Andererseits ist das Team auf politischer Ebene aktiv. Es gebe Gespräche mit dem Hoch-/Tiefbauamt der Stadt Luzern und der Stadt Emmen, erzählt Hansjürg Egli. Als man im Jahr 2022 bei der Emmer Ortsplanung mitreden konnte, nutzte er die Gelegenheit.

«Wenn man eine Handhabe hätte, Kunst bei Bauprojekten einzufordern, wäre das ein Gewinn.»

Hansjürg Egli, Projektgruppe «Kunst im Fluss»

Sein Vorschlag: Kunst im öffentlichen Raum muss künftig Teil der Projektplanung bei Bauten an den beiden Flüssen sein. Den Emmer Gemeinderat konnte die Gruppe damit nicht überzeugen. Eine Verpflichtung sei nicht «zweckmässig», Kunstprojekte müssten im Einzelfall abgeklärt werden. Emmen sah davon ab, den Vorschlag in die Ortsplanung aufzunehmen.

«Fledermaus» von Roman Signer
Eins von acht Werken, die im Sommer 2023 ausgestellt wurden: «Fledermaus» von Roman Signer. (Bild: Barbara Hennig Marques)

Hansjürg Egli kann die Antwort verstehen, auch wenn er ein Gebot hilfreich fände. «Wenn man eine Handhabe hätte, Kunst bei Bauprojekten einzufordern, wäre das ein Gewinn. Ich denke aber, unser Anliegen muss auf Freiwilligkeit basieren», sagt er zu zentralplus. Warum also die Eingabe beim Gemeinderat?

Die Ideen finden in Luzern und Emmen Anklang

«Wir haben das Thema bei der Ortsplanung platziert, damit das Projekt ‹Kunst im Fluss› bekannter wird. Die Menschen sollen erfahren, was wir entlang der Emme und der Reuss vorhaben», erklärt er. Ebenfalls zur Bekanntheit beitragen soll diesen Sommer die Ausstellung «Im Fluss II», die gemeinsam mit Studenten der Hochschule Luzern (HSLU) auf dem Hochschulgelände an der Kleinen Emme realisiert wird. In drei Jahren plant das Team am Emmenbogen eine dritte Ausgabe der Ausstellung.

Vertreter der Hochschule Luzern (HSLU) schauen sich mit Hansjürg Egli (2. v. l.) und Barbara Hennig Marques (r.) von «Kunst im Fluss» das Areal für die zweite Ausstellung an. (Bild: Hans Stricker)

Bei ihren Vorhaben hoffen die Macher auf die Unterstützung der Gemeinde Emmen. Ein Sprecher der Gemeinde versichert zentralplus, das Projekt werde ideell und mittels Kontakten unterstützt. Er verspricht zudem, dass die Gemeinde Projektgesuche der Gruppe «wohlwollend» prüfe. Auch Geld aus der Kulturförderung stellt er in Aussicht – sofern das Projekt die Förderkriterien erfüllt.

In der Stadt Luzern hat «Kunst im Fluss» die Kriterien bereits erfüllt. Die erste Ausstellung unter dem Rüssegg-Viadukt wurde mit 2000 Franken aus dem städtischen FUKA-Fonds zur Förderung und Unterstützung kultureller Projekte und Aktivitäten unterstützt. Weitere 7000 Franken gewann die Gruppe vom Gebietsmanagement «Luzern Nord» für ihre Ausstellung (zentralplus berichtete). Zudem gab es Unterstützung vom lokalen und regionalen Gewerbe.

Dauerhafte Installationen als Langzeitziel

Die Vergangenheit zeigt: Die Vision von «Kunst im Fluss» stösst auf Anklang. Eine Pflicht, Kunst zu finanzieren, will die Gemeinde Emmen aber nicht. Freiwillig muss das Engagement sein, findet auch die Projektgruppe.

Wie geht es also weiter? Denn eigentlich will das Team schliesslich langfristige Werke an den Flüssen hinterlassen. Eines ist sicher: Damit das gelingt, braucht es weiterhin Rückenwind seitens Gemeinden und Bevölkerung. Dann könnte es beispielsweise am Reusszopf irgendwann so aussehen.

Ein Entwurf für eine Installation. (Bild: Kunst im Fluss)
Verwendete Quellen
  • Website von Kunst im Fluss
  • Telefonat mit Hansjürg Egli
  • Mitwirkungsbericht zur Ortsplanungsrevision Emmen
  • Schriftlicher Austausch mit Philipp Bucher, Gemeinde Emmen
  • zentralplus-Medienarchiv
  • Website von «Luzern Nord»
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10 Kommentare
  • Profilfoto von libelula60
    libelula60, 22.01.2024, 05:30 Uhr

    Was alles noch soll subventioniert werden mit öffentlichen Geldern? Das geht so nicht.

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  • Profilfoto von libelula60
    libelula60, 22.01.2024, 05:23 Uhr

    Kommt mir nicht im Traum in den Sinn, mit meinen hart verdienten Steuergeldern Kunst zu finanzieren, welche mir meistens nicht gefällt! Da gäbe es wohl driglicheres in einer Gemeinde zu erledigen!

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  • Profilfoto von LD
    LD, 21.01.2024, 20:43 Uhr

    Kunst ist schon heute vom Staat abhängig mit Stipendien, Studienbeiträge, Werkbeiträgen, Ankäufe, Lehrstellen. Auch die Ausbildung kontrolliert der Staat über die Hochschulen, die sich die Akademien und Konservatorien einverleibt haben. Die Vielfalt ist verloren, Konformität das Resultat. Im Verein mit privaten Stiftungen und privaten Aufträgen für Hochschulen und Universitäten ist PPP bereit Realität. In der Folge entstehen solche Ideen. Betrifft nicht nur Kunst, sondern die ganze Wissenschaft. Auf diesem Weg landen wir schon bald in einer Korpokratie, gesteuert von Privatinteressen.
    Die vielen Künstler, die aus der Produktionsstätte Hochschule jährlich ausgestossen werden, brauchen dringend eine stabile Auftragslage.

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    Roli Greter, 21.01.2024, 15:12 Uhr

    Es gibt eine ganz einfache Lösung; wer Kunst will muss einfach nur Häuser bauen

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    Remo, 21.01.2024, 13:33 Uhr

    Was für eine Idee. Wer bauen will soll mir das Mittagessen zahlen und 250 personen welche bedürftig sind auch. Für eine woche. Danke

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    Jerome Halter, 21.01.2024, 13:17 Uhr

    Was für eine wirre Vorstellung… Die sollen ihr Hobby bitte selber finanzieren!

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    TG, 21.01.2024, 12:44 Uhr

    Das geht gar nicht, sollen diese Künstler Geld verdienen und ihre Kunst selber finanzieren. Ich finde es auch nicht schön, sondern eher beschämend.

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    Reto, 21.01.2024, 10:06 Uhr

    Wer bauen will muss meiner Berufsgruppe auch etwas bezahlen…… eine Art Sozialhilfe? Oder wie soll dieser Vorschlag aufgefasst werden?

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    Marie-Françoise Arouet, 21.01.2024, 09:50 Uhr

    Was für ein dreister Vorschlag: Ein Berufsverband will Private ebenso wie die öffentliche Hand verpflichten, in Zukunft Geld an die Klientel eben dieses Berufsverbandes zu vergeben. Entstehen soll gehäuft sogenannte „Kunst am Bau“, die jetzt schon immer wieder für Kopfschütteln oder im besten Fall Gleichgültigkeit sorgt. „Kunst“ „muss“ Teil einer Projektplanung sein. Was man sich darunter vorzustellen hat, konnte man an dieser kalauernden „Rollsreuss“-Sache im letzten Jahr ablesen. Wie richtig geschrieben steht: „Eines ihrer bekannteren Projekte führte im letzten Sommer zu einer Ausstellung, die viele Luzerner nur am Rande mitbekamen.“ Muss das sein?

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  • Profilfoto von Paul
    Paul, 21.01.2024, 08:45 Uhr

    Bitte nicht. Kunst einzufordern…. Nicht jeder möchte kunst. Und kunst braucht es nicht überall. Wie der holzpfosten auf dem bild oben….
    Das wäre sozusagen eine unterstützungsmassnahme für künstler oder so. Macht lieber etwas für schulen , spielplätze, freiräume. Ein gewinn für die bewohner und nicht für einzelne

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