Kanton will Entschädigung verdreifachen

Luzerner Bauern fordern mehr Geld bei Enteignungen

Für Hochwasserschutzprojekte – wie hier bei der Kleinen Emme – muss der Kanton Luzern zum Teil Landwirte enteignen. Dafür müssten sie höher entschädigt werden, findet Raphael Felder vom Luzerner Bauernverband. (Bild: zvg)

Wenn der Kanton Luzern Bauern für Bauprojekte Land wegnimmt, will er ihnen künftig eine höhere Entschädigung zahlen und sie früher informieren. Der Luzerner Bauernverband ist trotzdem nur zum Teil zufrieden.

Um grosse Bauprojekte wie das Hochwasserschutzprojekt Reuss oder die inzwischen beerdigte Spange Nord umzusetzen, muss der Kanton Luzern immer wieder Privatpersonen enteignen. Diese schweren Eingriffe in die Eigentumsrechte führen bei den Betroffenen trotz Entschädigung oft zu Unmut (zentralplus berichtete). Mehrere Vorstösse von Luzerner Kantonsräten verlangten darum eine Änderung der Praxis, um den Eigentümerinnen mehr entgegenzukommen.

Martin Birrer (FDP) und Marlis Krummenacher-Feer (Mitte) reichten unabhängig voneinander Postulate ein, die eine höhere Entschädigung verlangen als die 8 bis 10 Franken pro Quadratmeter, die Luzern bis anhin für Landwirtschaftsland zahlt. Zudem verlangt Pius Kaufmann (Mitte) namens der Verkehrs- und Baukommission per Motion einen früheren Einbezug der Betroffenen.

Eigentümer erhalten neu vor Auflage schon Entwurf des Kaufvertrags

Gut zwei Jahre später legt die Luzerner Regierung nun eine Botschaft vor, die das Landerwerbsverfahren und die Entschädigung entsprechend anpasst. Künftig sollen Grundeigentümer bereits während der Projektierung schriftlich informiert werden. Je nach Grösse des Projekts und Bedürfnissen der Eigentümer soll der Kanton auch Infoveranstaltungen oder Gespräche durchführen.

«Damit werden Bauern nicht mehr vor den Kopf gestossen, wenn der Kanton Pläne von fixfertigen Projekten auf ihrem Land präsentiert.»

Raphael Felder, Geschäftsführer des Luzerner Bauernverbands, zum früheren Einbezug der Grundeigentümer

Zudem schickt die Dienststelle Immobilien ihnen künftig vor der öffentlichen Auflage einen Entwurf des Landerwerbsvertrags. Darin stehe bereits die voraussichtlich beanspruchte Fläche und die voraussichtliche Entschädigung des Kantons dafür. Jedoch sieht die Regierung eine Ausnahme bei «geringfügigen Flächen» vor oder wenn das frühe Informieren der Eigentümer das Projekt wegen besonderer Umstände erheblich verzögert. So beispielsweise, wenn die Eigentümerin unauffindbar im Ausland oder verstorben ist.

Kanton zahlt künftig das Dreifache

Weiter verdreifacht der Kanton Luzern seine Entschädigung, die er Eigentümern für Landwirtschaftsland zahlt. Dabei orientiert er sich an einer Gesetzesänderung des Bundes. Nach einer erfolgreichen Motion des St. Galler Mitte-Nationalrats Markus Ritter zahlt dieser Bauern bei Enteignung für Wasser- und Strassenbauprojekte nun das Dreifache. Während der Kanton Luzern früher zwischen 3 und 9 Franken pro Quadratmeter bezahlte, plant er neu eine Entschädigung zwischen 9 und 27 Franken.

Wie viel teurer Bauprojekte damit würden, sei schwer abzuschätzen, wie der Kanton in der Botschaft schreibt. Denn erst bei der Projektbewilligung sei klar, wie viel Land der Kanton zu welchem Preis abkaufen müsse. Gemäss einer Einschätzung rechnet er jedoch im Strassenbau mit 2 bis 6 Prozent mehr Kosten, bei Projekten zum Schutz vor Naturgefahren mit 3 bis 9 Prozent.

Bauernverband lobt Verbesserungen ...

Damit verbessert sich für Grundeigentümer und insbesondere Bäuerinnen einiges. Der Luzerner Bauernverband (LBV) sei mit der Anpassung jedoch nur zum Teil zufrieden, wie Geschäftsführer Raphael Felder auf Anfrage sagt. Zwar seien sehr viele gute Verbesserungen dabei. Dabei hebt er vor allem die Änderung zum frühen Einbezug der Grundeigentümer lobend hervor. «Damit werden Bauern nicht mehr vor den Kopf gestossen, wenn der Kanton Pläne von fixfertigen Projekten auf ihrem Land präsentiert.» Würden alle Betroffenen von Beginn an einbezogen, sei dies auch für die Qualität des Projekts zielführend, so Felder.

Hier sieht er jedoch die grösste Schwierigkeit bei der Umsetzung. Mit dem früheren Einbeziehen der Grundeigentümer müsse der Kanton komplexe und gut eingespielte Prozesse verändern. «Wir werden die Umsetzung deshalb gut verfolgen und uns einbringen, falls wir Handlungsbedarf sehen.»

... kritisiert aber Entschädigung

Kritischer hingegen sieht er die Umsetzung der Entschädigung. Die Verdreifachung klinge zwar zuerst einmal nach viel. Jedoch werde der Grundpreis dabei mit falschen Grundlagen festgelegt, sagt Felder. Der Kanton Luzern stütze sich hierbei auf den Preis nach bäuerlichem Bodenrecht – womit jedoch eigentlich der Preis berechnet werde, wenn eine Bäuerin ihr Land an einen anderen Bauern verkaufe. Sprich: das Land auch künftig noch für die Landwirtschaft genutzt wird.

Im vorliegenden Fall werde das Grundstück nachher jedoch zum Bau von Infrastruktur wie einer Strasse genutzt. Felder zieht einen Vergleich zu anderen Bauprojekten: «Wenn Landwirtschaftsfläche nachher zum Bau von Wohnungen genutzt und der Wohnzone überführt wird, gewinnt das Land x-fach an Wert.» Deswegen sei eine Verdreifachung eigentlich zu wenig. Im Sinne eines Kompromisses habe der LBV in der Vernehmlassung als Alternative einen fixen Preis von 50 Franken pro Quadratmeter vorgeschlagen.

«Es geht uns nicht darum, die Fläche für Bauern zu vergolden, damit die sich ein schönes neues Auto kaufen können. Sondern dass der Wert von Boden wertgeschätzt wird.»

Doch der Kanton Luzern halte trotzdem an der Verdreifachung fest, wie dieser in der Botschaft schreibt. Zwar sei ihm bewusst, dass andere Kantone wie etwa Zug mit 80 Franken pro Quadratmeter deutlich mehr zahlen würden. Er möchte sich jedoch an der Regelung des Bundes orientieren, damit er keine Ungleichbehandlung zwischen Landwirten schaffe.

Bauernverband weibelt für Änderungen

Was Felder bedauert. Er betont: «Es geht uns nicht darum, die Fläche für Bauern zu vergolden, damit die sich ein schönes neues Auto kaufen können. Sondern dass der Wert von Boden wertgeschätzt wird.» Ein höherer Preis fördert gemäss dem LBV einen sparsamen Umgang mit Boden.

Der Bauernverband versuche deshalb nun, Politiker für eine Änderung der entsprechenden Passage im Rahmen der Beratung der Botschaft zu gewinnen. Jedoch nicht um jeden Preis: «Sollte sich keine politische Mehrheit finden, werden wir dies vorerst akzeptieren. Mit der vorliegenden Version setzt der Kanton das geforderte Minimum um.»

Ob dies auch der Kantonsrat so sieht, wird sich frühestens Mitte September zeigen, wenn das Parlament das nächste Mal tagt. Weniger umstritten als die Höhe der Entschädigung dürfte ein Nebeneffekt der Anpassung sein. Die Revision nimmt der Kanton Luzern zusätzlich zum Anlass, das Enteignungsgesetz gendergerecht zu formulieren. Dies basierend auf einem Vorstoss der Redaktionskommission (zentralplus berichtete).

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Stefan Heller
    Stefan Heller, 09.08.2023, 08:40 Uhr

    Liebe Kommentarschreiberinnen und Kommentarschreiber, teilweise sind doch diese Kommentare sehr flach. Es handelt sich hier um einen politischen Prozess, bei welchem legitime Ansprüche von Seiten der Verwaltung und von Seiten der Grundeigentümer eingebracht werden. Abgeschlossen ist dieser Prozess nach der Schlussabstimmung im Kantonsrat. Gerade bezüglich des Projektes Reuss würde die Verwaltung heute wahrscheinlich vieles anders machen, von daher ist die Bemerkung von Hegard überflüssig. Und Hand auf’s Herz, wie würdet ihr reagieren wenn die öffentliche Hand euer Grundeigentum für ein Trinkgeld enteignen würde. Also, der poltische Prozess läuft und wir haren der Dinge die da kommen.

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  • Profilfoto von Rudolf Schweizer
    Rudolf Schweizer, 09.08.2023, 08:38 Uhr

    Die frage lautet: » Muss der Kanton Luzern den Bauern soviel Land weg nehmen für die Überschwemmungsmassnahmen? Die letzte grosse Überschwemmung war vor 18 Jahren
    und es wurden sehr viele Massnahmen auch unnötige Umgesetzt. Es ist besser wenn der Fluss seinen Lauf selbst sucht, für das braucht der Bauer keine Entschädigung, kann sein Land über Jahre weiter Bewirtschaften, denn die Emme tritt nur alle 100 Jahre über die Ufer. Kommt es zu Massiven Regenfällen wie es in Niederösterreich, Slowenien und Kroatien der Fall war, dann Nützen die Massnahmen die der Kanton überbordet nichts mehr. Der Mensch ist der Naturgewalt nicht gewachsen, darum sollte er sich dort Ansiedeln wo die Gefahr eher Gering ist. Der Mensch muss sich dem Gesetzt der Natur beugen und nicht Umgekehrt.

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  • Profilfoto von Reto
    Reto, 08.08.2023, 15:56 Uhr

    Ihr vergoldet den Boden, damit ihr nicht immer verhandeln müsst. Ihr gebt mehr Geld, damit ihr eine ruhige Kugel schieben könnt. So ist das!

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  • Profilfoto von Meinrad Huser, Zug
    Meinrad Huser, Zug, 08.08.2023, 13:33 Uhr

    Die gewünschte Erhöhung verstösst wohl gegen das eidgenössische Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht. Die Regelung im Kanton Zug (80 Franken pro m2) jedenfalls wurde vom Verwaltungsgericht als verfassungswidrig bezeichnet. Auch die Verdreifachung des Preises im eidgenössischen Enteignungsgesetz war im Gesetzgebungsverfahren als Verstoss gegen die Eigentumsgarantie der Bundesverfassung bezeichnet worden. Die Diskussionen lassen sich in der Fachzeitschrift «Blätter für Agrarrecht» 2021 /Heft 2, S. 81 – 140 nachlesen.

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  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 08.08.2023, 10:53 Uhr

    Es wäre ja mehr als ein Wunder, wenn sich der Bauernverband einmal nicht Beklagen würde .. Bei denen geht es immer nur nur ums Geld .. Selber nichts Beitragen, nur ständig die Opferrolle spielen und Geld verlangen .. Auch ein Geschäftsmodell ..

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 08.08.2023, 08:06 Uhr

    Wurde die gewonnene Ufer Landschaft damals gekauft,die man damals der Emme und Reuss Enteignete!

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  • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
    Markus Rotzbeutel, 08.08.2023, 06:21 Uhr

    Ich möchte auch mehr Geld, klage aber deswegen nicht in den Medien.

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