Enteignungen sorgen schon heute für rote Köpfe

Spange Nord: Luzern drohen Klagen von Hausbesitzern

Möchte dort wohnen bleiben: Kantonsrat Urban Frye.

(Bild: les)

Wegen der Spange Nord müssen einige Hausbesitzer mit der Enteignung ihrer Immobilie rechnen. Doch nicht alle Betroffenen wurden bereits über die Details orientiert – ein Grüner Kantonsrat wirft dem zuständigen Regierungsrat Robert Küng gar vor, falsch informiert zu sein. Und er kündet Widerstand mit allen Mitteln an.

Seit Mitte Dezember ist klar, wie es mit der Spange Nord weitergehen soll. Neben Autofahrern und Quartierbewohnern sind insbesondere Hausbesitzer auf oder neben der Schneise des Autobahnzubringers vom Projekt betroffen (siehe Box). Mit einschneidenden Konsequenzen: Ihnen droht die Enteignung.

Dazu gehören Armin Henzen und Stephan Stirnimann, deren Immobilienfirma ein Wohnhaus an der Zürichstrasse gehört. Ihr Gebäude steht zu nahe an der Strasse und wird für die Verbreiterung auf der Zürichstrasse eventuell weichen müssen. 13 Mietparteien verteilen sich auf das Haus, das die beiden vor zehn Jahren erwarben und mit einer hohen Investition vollständig sanierten. Nun droht möglicherweise die Enteignung: «Wir wurden vor drei Wochen erstmalig von einem Projektmitarbeiter des Kantons kontaktiert.»

Zwei Varianten möglich

Henzen wurden zwei Varianten vorgestellt: einerseits einen Abbruch und im Anschluss einen zurückversetzten Neubau. Andererseits eine Arkadenlösung, welche die ersten zwei Stockwerke aushöhlt, die Fussgänger und Velofahrer würden dann sozusagen unter dem Haus hindurchlaufen. «Welche Variante zum Zuge kommen wird, ist derzeit nicht beurteilbar», sagt der Hausbesitzer.

Dieses Haus an der Zürichstrasse müsste für die Spange Nord weichen.

Dieses Haus an der Zürichstrasse müsste für die Spange Nord weichen.

(Bild: Screenshot Google Maps)

Der selbstständige Unternehmer schaut der Entwicklung pragmatisch entgegen. «Wenn Kanton und Stadt Luzern sagen, dass ein öffentliches Interesse besteht, werde ich mich dem fügen», sagt Henzen. Für ihn steht der Schutz seiner Eigentumsrechte im Vordergrund: «Unsere Anlagewerte müssen erhalten bleiben und die Investitionen geschützt sein.» Eine Arkadenlösung mit einem Verlust zahlreicher Zimmer hätte eine erhebliche Wertverminderung zur Folge.

Deutlich pointierter äussert sich ein betroffener Hausbesitzer am anderen Ende der Spange Nord beim Lochhof. Ausgerechnet vom Kanton Luzern hat der Grüne Kantonsrat Urban Frye vor 15 Jahren eine Liegenschaft gekauft. Der überzeugte Gegner der Spange Nord ärgert sich über die Pläne der Regierung: «Ich werde mich gemeinsam mit den Quartiervereinen und Parteien mit allen Mitteln gegen die Spange Nord wehren.» Sehr stossend findet Frye die Informationspolitik der Regierung; im Gegensatz zu Henzen wurde er nie persönlich über die Pläne unterrichtet.

«Ich bleibe bei meiner Aussage: Die stark betroffenen Eigentümer sind bereits über das Projekt informiert.»

Robert Küng, Regierungsrat FDP

Das steht im Widerspruch zu Aussagen von Regierungsrat Robert Küng gegenüber den Medien im November 2016: «Die stark betroffenen Eigentümer wurden bilateral über das Projekt und die geplanten Massnahmen informiert.» Frye sagt, das stimme nicht: «Küng wurde von seinen Mitarbeitern offenbar falsch informiert», so der Kantonsrat. Lediglich über das früheste Datum für den Baubeginn, das Jahr 2032, wurde er per Brief erst auf seine Nachfrage hin unterrichtet.

Küng weist Vorwürfe von sich

Regierungsrat Robert Küng lässt diesen Vorwurf nicht gelten: «Ich bleibe bei meiner Aussage: Die stark betroffenen Eigentümer sind bereits über das Projekt informiert.» Küng sagt, die Spange Nord befinde sich noch im Stadium eines Vorprojekts. Vieles sei noch offen – auch hinsichtlich der Betroffenheit der Anwohner. «Erst in der nun folgenden Phase zeigen sich konkret die Punkte, die wir mit den Anrainern zu klären haben», so Küng.

Wo überall Enteignungen drohen

Durch den Bau der Spange Nord müssen verschiedene Gründstücksbesitzer enteignet werden, das zeigen die vorliegenden Pläne des Kantons. Betroffen ist ein Haus an der Zürichstrasse im Besitz einer Immobilienfirma. Auch die Stadt Luzern besitzt Grundstücke entlang der Spange Nord, beispielsweise den Vorplatz des Maihofschulhauses und einzelne Gebäude neben dem Friedhof Friedental.

Fünf Häuser an der Reussmatt sind laut den Plänen ebenfalls teilweise oder vollständig durch das Strassenprojekt bedroht, darunter das Haus von Kantonsrat Urban Frye sowie einzelne Liegenschaften im Besitz der Firma Anliker. Hinzu kommen weitere Gärten respektive Vorplätze, welche durch die Verbreiterung der Strasse entlang der Friedentalstrasse tangiert sein könnten.

Betroffen sind ausserdem Vorplätze von drei Grundstücken an der Lindenstrasse auf der anderen Seite der Reuss. Ausserdem müsste auf der gleichen Höhe ein Parkfeld an der Reussinsel weichen. Die Kosten für Landkäufe und Prozesse sind laut der Regierung bereits in den Projektkosten von 200 Millionen Franken enthalten – mit wie hohen Kosten der Kanton genau rechnet, gibt er nicht bekannt.

Deshalb stimme der Kanton seine Kommunikation gegenüber den Anwohnern stets mit dem Planungsstand eines Projekts ab. Sobald eine besondere Betroffenheit absehbar sei oder es spezifische Fragen zu klären gebe, nehme man frühzeitig Kontakt mit den Anrainern auf.

Auftretende Fragen werde man in der nun folgenden Planungsphase gemeinsam mit den Grundeigentümern klären. Nach der Ausarbeitung des Bauprojekts wird dieses öffentlich aufgelegt. Damit erhalten die Eigentümer zudem die Möglichkeit, Einsprache zu erheben, um ihre Anliegen in das Projekt einzubringen. Diese werden sodann direkt mit den Betroffenen besprochen.

Vier Millionen für Liegenschaft

Kantonsrat Frye reicht immer wieder Vorstösse gegen die Spange Nord ein. Der Politiker hat keinerlei Intention, dereinst die Koffer zu packen: «Ich finde es schön hier und möchte nicht wegziehen.» Obwohl er betont, dass er im Fall einer Enteignung vermutlich der Einzige in der Umgebung sei, der profitiere vom Strassenprojekt.

Beinahe vier Millionen Franken müsste ihm der Staat für den Rückkauf der Liegenschaft bezahlen: «Eigentlich könnte ich ein Interesse daran haben, dass mich der Kanton möglichst schnell enteignet und ich mit dem Millionensegen samt Familie auswandern kann.» Doch er wehrt sich, weil er um die negativen Konsequenzen für die Stadt und die umliegenden Hausbesitzer weiss: «Wenn die Spange Nord kommt, dann verlieren Tausende von Bewohnern, darunter viele Kinder, ihren Lebensraum und unzählige Gebäude an Wert.»

«Enorme Kosten für den Staat»

Frye vermutet, dass dem Kanton eine Klagewelle droht: «Die Anwohner können sich mit dem Gang vor Gericht gegen die Entwertung ihrer Häuser wehren – da kommen enorme Kosten auf den Staat zu.» Bereits heute würde der Wert der Liegenschaften sinken.

Wie die Spange Nord die Reussmatt verändert:

Anliker besitzt Häuser am Lochhof

Der Kantonsrat vermutet, dass die Regierung die Kosten unterschätzt: «Wahrscheinlich hat sich das der Regierungsrat noch gar nicht überlegt», spekuliert Frye. «Es fragt sich, ob es günstiger wäre, wenn die Friedentalstrasse nicht einfach komplett untertunnelt würde», sagt Frye. Diese Forderung stellt auch der Luzerner Stadtrat. Gegenüber zentralplus sagte Regierungsrat Küng, dass die Kosten für Landkäufe und Prozesse bereits in den Projektkosten von 200 Millionen Franken enthalten sind.

Die Pläne des Vorprojekts bei der Reussmatt unmittelbar neben Fryes Haus zeigen laut dem Grünen, wie einschneidend das Projekt für die Anwohner ist: «Die Häuser erhalten mit dem Bau der Spange Nord gleich vier intensiv befahrene Fahrspuren direkt vor die Nase gesetzt, welche auf die geplante Fluhmühlebrücke respektive die Autobahn führen», sagt Frye. Heute bestehen lediglich eine kleine Zufahrtsstrasse und eine kaum benutzte Strasse für den Lochhof.

Frye plant Studios für Musiker

Die Häuser gehören der Anliker-Gruppe, welche sechs Häuser an der Reussmatte besitzen. Xaver Sigrist, Verwaltungsratspräsident und Leiter der Gruppe sagte gegenüber der «Luzerner Zeitung», dass er im Rahmen der neuen städtischen Bau- und Zonenordnung von der geplanten Baustelle auf seinem Grundstück erfahren habe. «Unsere Einsprache wurde damals von der Stadt beziehungsweise vom Regierungsrat abgewiesen. Wir sind blockiert.» Geplant war eine verdichtete Bauweise, doch dieses Bauvorhaben ist nun auf Eis gelegt.

Anders sieht es im Fall von Urban Frye aus. Er plant auf seinem Grundstück ein fünfstöckiges Gebäude mit rund 25 Wohnstudios, speziell konzipiert für angehende Musiker der neuen Hochschule für Musik beim Südpol. Es handelt sich um temporäre Bauten mit einer vorläufigen Nutzungsdauer von zehn Jahren. Zurzeit läuft das Bewilligungsverfahren. «Ich rechne damit, dass die Baubewilligung im Januar vorliegt.»

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