Frauen müssen theoretisch nicht alle Luzerner Gesetze einhalten
:focal(1265x1424:1266x1425)/www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2022/06/AdobeStock_315479847-scaled.jpeg)
Auch 2022 sind noch längst nicht alle Luzerner Gesetze gendergerecht formuliert. Denn rund ein Drittel davon ist im generischen Maskulin formuliert. Das will selbst die Männerregierung ändern – wenn auch nur langsam.
Der Genderstern polarisiert. Worin wir uns einig sind, ist, dass das generische Maskulinum nun wirklich von gestern ist.
Auch die Luzerner Regierung müht sich mit dem Thema ab. Vor kurzem hat sie beispielsweise den 14-jährigen Sprachleitfaden entstaubt und 12 Regeln geschaffen, von denen 11 die alten waren (zentralplus berichtete).
Jedes dritte Luzerner Gesetz spricht nur Männer an
Auch bei den Gesetzen besteht Nachholbedarf, wenn es darum geht, alle gleichermassen ansprechen zu wollen. Noch längst nicht alle Luzerner Gesetze sind im Jahr 2022 gendergerecht formuliert. Obwohl die Regierung dieses Ziel seit 1994 verfolgt. Seit 28 Jahren gilt nämlich die Regel, dass Gesetze bei Totalrevisionen oder beim Erlassen stets «geschlechtergerecht legiferiert» werden. Das heisst: Gesetze zu verabschieden, die Frauen und Männer gleichermassen ansprechen.
Gut 25 Jahre später ist ein Drittel der Luzerner Gesetze immer noch nicht geschlechtergerecht formuliert. In 35 Gesetzen und insgesamt rund 1750 Paragraphen herrscht das generische Maskulin. Das schreibt die Regierung in einer nun vorliegenden Stellungnahme auf ein Postulat, das SP-Kantonsrat Urban Sager im Namen der Redaktionskommission eingereicht hat.
Gesetze sollten einfacher geschlechtergerecht umformuliert werden
Mittels Postulat forderte Sager im Namen der Redaktionskommission die Regierung auf, die Richtlinien über die Gesetzestechnik zu verändern. Nämlich daraufhin, dass bei jeglichen Gesetzesanpassungen – also auch bei Teilrevisionen – überprüft wird, ob Frau und Mann sprachlich gleichermassen angesprochen werden. Ist dies nicht der Fall, soll dies angepasst werden. Heute sind solche Änderungen nur bei Totalrevisionen möglich oder beim Erlassen von neuen Gesetzen.
Zuerst wollte die Kommission gar noch weiter gehen. Sie diskutierte darüber, die Regierung mittels Kommissionsmotion zu beauftragen, einen Mantelerlass über die Änderung aller geschlechterungerecht formulierten Gesetze vorzulegen. In einem solchen Mantelerlass würden sämtliche Änderungen gefasst werden. Die Kommission verwarf die Idee jedoch wieder. Weil sie den Aufwand dahinter nicht einschätzen konnte.
Gendergerechte Sprache würde fast 300 Stunden dauern
Müsste die Regierung dem Kantonsrat einen Mantelerlass zusammen mit einer erläuternden Botschaft vorlegen, so würde das seine Zeit dauern. Wie viel Aufwand das mit sich brächte, führt die Regierung in ihrer Antwort auf die Anfrage auf. Weil 35 Gesetze von Änderungen betroffen sind, geht die Regierung davon aus, dass sich mehrere Mantelerlasse aufdrängen würden.
Nur schon das Justiz- und Sicherheitsdepartement alleine würde es 150 Stunden kosten, alle Gesetze auf die gendergerechte Sprache hin zu überprüfen und gendergerecht umzuformulieren. Das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement müsste 100 Stunden investieren. Über alle Departemente hinweg rechnet die Regierung mit nicht ganz 300 Stunden. Hinzu kommt der Aufwand bei den Fachkommissionen.
Das ist viel Aufwand. Zu viel, wenn es nach der Regierung geht. Sie rechnet damit, dass es zwei bis drei Jahre dauert, bis die Botschaft erarbeitet ist und die Mantelerlasse entworfen sind. Und dabei seien die Rechtsdienste der Departemente bereits ohne dieses Geschäft stark ausgelastet – unter anderem wegen Erlassänderungen im Zusammenhang mit dem Klima-Bericht und vielen weiteren.
Warum dauert es so lange, Gesetze gendergerecht zu formulieren? Die Regierung begründet das wie folgt: «Obwohl der Ersatz der Personenbezeichnungen im generischen Maskulin durch geschlechtergerechte Formulierungen […] in vielen Fällen formal und inhaltlich unproblematisch sein wird, gilt es doch jede Änderung und ihre Auswirkungen genau zu überprüfen, damit mit den Anpassungen keine materiellen Unklarheiten, Uneinheitlichkeiten und schwer verständliche Formulierungen in die Gesetze gelangen.»
Regierung will Gesetze nach und nach gendergerecht formulieren
Die Luzerner Regierung beantragt, das Postulat der Kommission als erheblich zu erklären. Und sie steht somit hinter dem Vorschlag der Kommission, Gesetze auch bei kleinen Teilrevisionen auf ihre gendergerechte Sprache hin zu überprüfen.
Die Regierung führt aus, dass dies der zielführendste Weg sei. Und so die 35 Gesetze, die noch nicht geschlechtergerecht formuliert sind, in den kommenden Jahren nach und nach anzupassen.
So könnten die Verantwortlichen die Gesetze nämlich dann formell überarbeiten, wenn sie ohnehin inhaltlich angepasst werden müssen. So verteilt sich der Mehraufwand über mehrere Jahre. Und auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei gemäss Regierung so tragbar.
Aber: Es dauert länger, als wenn ein Mantelerlass zur Umsetzung gefordert wird. Mit diesem wären schneller alle Gesetze gendergerecht formuliert, aber es wäre mit erheblichem Aufwand verbunden.
Urban Sager freut sich, dass die Regierung dem Postulat zustimmt. «Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Beschleunigung.» Ob sie als Kommission weiter gehen wollen, werden sie nach der Debatte zur entsprechenden Anfrage im Parlament entscheiden. Im Parlament wird sich dann zeigen, ob der vorgeschlagene Weg der Männerregierung den Kantonsrätinnen zu langsam geht.
- Anfrage Urban Sager namens der Redaktionskommission A 734
- Antwort der Regierung auf die Anfrage A 734
- Postulat Urban Sager namens der Redaktionskommission P 735
- Stellungnahme der Regierung auf das Postulat P 735
- Schriftlicher Austausch mit Urban Sager