Hunderte von Gerichtsfällen absehbar

Rückzonungen: Luzern fehlt Geld für Entschädigungen

Für SVP-Kantonsrat Armin Hartmann ist klar, dass zumindest Härtefälle bei Rückzonungen entschädigt werden sollen. (Bild: zvg)

Der Kampf gegen die Zersiedelung fordert Opfer. Wessen Grundstück durch Rückzonungen massiv an Wert verliert, sollte eigentlich entschädigt werden. Doch wie der Kanton Luzern selbst zugibt, ist dies nur in wenigen Fällen so. Auch weil das Geld kaum reichen würde. Nun droht eine Prozesslawine.

Der Traum vom eigenen Haus irgendwo mitten im Grünen. Das Stück Bauland ist bereits gekauft, nur der eigentliche Bau fehlt noch. Doch dann kommt mit der Ortsplanungsrevision alles anders: Wegen angeordneter Rückzonungen im Zuge der Zersiedlungsinitiative wird Bauland in Landwirtschaftsland umgewandelt. Statt vor einem Traumhaus stehen die betroffenen Menschen vor einem riesigen Scherbenhaufen und erleiden einen hohen finanziellen Verlust.

SVP-Kantonsrat fordert Entschädigungen

Im Falle einer Familie in Greppen beträgt dieser Verlust mehrere hunderttausend Franken (zentralplus berichtete). Im Falle von Philipp Barmettler in Schwarzenberg ist sein Grundstück durch die geplante Teil-Rückzonung mehrere tausend Franken weniger wert (zentralplus berichtete). Wie der Luzerner SVP-Fraktionschef Armin Hartmann auf Anfrage erzählt, hätten sich in den letzten zwei Jahren verschiedene Personen mit ähnlichem Schicksal bei ihm gemeldet.

Diese verlieren Bauland mit Werten teilweise im sechs- oder siebenstelligen Bereich und würden vom Staat voraussichtlich nicht entschädigt. «Es ist für mich inakzeptabel, wenn Menschen vom Staat sehenden Auges in den Ruin getrieben werden», findet Hartmann deutliche Worte.

«Wir rechnen mit mehreren Hundert Beschwerdefällen.»

Pascal Wyss-Kohler, Leiter Rechtsdienst beim Luzerner Baudepartement

Die Rückzonungen als solche wolle er nicht infrage stellen, schliesslich seien sie vom Volk abgesegnet. «Mir geht es darum, dass Härtefälle wenigstens grosszügiger unterstützt werden – und sich die Möglichkeit der teilweisen Entschädigung ergibt.» Deshalb hat er sich dem Thema Entschädigungen verschrieben und gleich mehrere Vorstösse eingereicht.

Kanton Luzern will am Verfahren festhalten

Der letzte ist rund ein Jahr her – eine Motion, die eine Rechtsgrundlage zur Entschädigung und Teilentschädigung von Härtefällen fordert. Und zwar subito. Ganz so dringlich wie Hartmann erachtete das Kantonsparlament das Anliegen aber nicht. Und auch der Luzerner Regierungsrat lehnte die dringliche Behandlung ab. Mit der Begründung, dass sich der Rückzonungsprozess noch einige Jahre hinziehen werde.

Nun liegt die Antwort der Regierung vor: Sie lehnt die Motion ab. Die geforderte Rechtsgrundlage zur Entschädigung von Härtefällen bestehe schon. Auch wenn die Kriterien für einen Härtefall recht streng seien, wie die Regierung selbst zugibt. Der Kauf des Baulands muss ein bis zwei Jahre vor Bekanntwerden der kantonalen Rückzonungsanalyse für die Gemeinde getätigt worden sein. Zudem muss die Käuferin beweisen, dass sie nichts von möglichen Rückzonungen wusste. Weiter muss der Kauf eine soziale Komponente haben. Der Kanton entschädigt also nur, wer beispielsweise ein Haus für die eigene Familie bauen wollte.

140 Millionen Franken für potenzielle Gerichtsfälle

Für allfällige weitere Entschädigungen «fehlen die finanziellen Mittel», wie der Kanton schreibt. Zur Erinnerung: Bezahlen wird der Kanton diese Entschädigungen aus dem Mehrwertabgabefonds. Dieser wird quasi aus dem gegenteiligen Prozess zu den Rückzonungen gespiesen. Wenn ein Grundstück um- oder eingezont wird und dadurch an Wert gewinnt, muss der Eigentümer eine Abgabe von 20 Prozent an den Kanton zahlen.

Durch diese Massnahme soll über eine Zeitspanne von 15 bis 20 Jahren genügend Geld zusammenkommen, damit der Kanton Luzern die Rückzonungen entschädigen kann. Würde der Härtefallbegriff ausgedehnt, müsste die Regierung den Mehrwertabgabesatz massiv erhöhen, um die benötigten Mittel zur Verfügung stellen zu können, so der Regierungsrat.

«Es ist für mich inakzeptabel, wenn Menschen vom Staat sehenden Auges in den Ruin getrieben werden.»

Armin Hartmann, SVP-Kantonsrat

Wie viel Geld derzeit im Fonds enthalten ist, will die Luzerner Baudirektion auf Anfrage nicht bekannt geben. In der damaligen Botschaft des Regierungsrats zur Schaffung des Mehrwertabgabefonds rechnete er jedoch mit einem Betrag von etwa 110 bis 140 Millionen Franken in den nächsten 20 Jahren. Potenziell aber eher tiefer.

Für den Kanton steht fest, dass er dieses Geld für Entschädigungen auch benötigt: «Wir rechnen mit mehreren Hundert Beschwerdefällen im Rahmen der Genehmigung und einer ähnlich hohen Zahl in den anschliessenden Gerichtsverfahren», schreibt Pascal Wyss-Kohler, Leiter Rechtsdienst des Luzerner Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements, auf Anfrage.

Prozesse werden Kanton noch über 10 Jahre beschäftigen

Bis der Kanton das Geld aus dem Fonds braucht, werden aber noch einige Jahre ins Land ziehen. Zuerst werden nun die Rückzonungen in den 21 Luzerner Rückzonungsgemeinden beschlossen – bei einem Drittel davon sind diese bereits unter Dach und Fach. Danach folgt eine zehnjährige Frist, innert welcher Eigentümer Entschädigungsforderungen an die Schätzungskommission richten können. Deren Entscheid kann anschliessend bis vor Bundesgericht weitergezogen werden, wie Wyss-Kohler ausführt.

Ein allfälliger Entschädigungsprozess könne also deutlich über zehn Jahre dauern. Armin Hartmann fordert jedoch bereits jetzt Lösungen. Denn mit der Antwort der Regierung zeigt er sich nicht zufrieden. Beispiele wie die Gemeinde Flühli zeigten, dass der Kanton «zunehmend in eine Sackgasse gerate». Dort sind an der Gemeindeversammlung mehrere Einsprachen entgegen dem Antrag des Gemeinderats gutgeheissen worden. Für den SVP-Kantonsrat könnte der Kanton mit der Aussicht auf Entschädigungen solche Debakel künftig verhindern, weshalb er auch an der Motion festhält.

Ob der restliche Kantonsrat das ähnlich sieht, wird sich frühestens in der Juni-Session zeigen.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Paul
    Paul, 12.06.2022, 20:02 Uhr

    In den ruin getrieben …… landbesitzer? Speckulanten? ….. eher sehr wenige einzelfälle. Da hat jemand angst um sein „verdientes“ geld.

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  • Profilfoto von Simplicius von Adelsheim zu Hanswurstenshausen bei der Aare ob Bittersheim, Ammansrat der Eidestrychler, der 2te
    Simplicius von Adelsheim zu Hanswurstenshausen bei der Aare ob Bittersheim, Ammansrat der Eidestrychler, der 2te, 10.06.2022, 05:53 Uhr

    Ich musste zwei mal hinschauen. Die SVP fordert staatliche Unterstützung? Keine Eigenverantwortung?

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    • Profilfoto von Michel von der Schwand
      Michel von der Schwand, 10.06.2022, 11:42 Uhr

      Natürlich, denn bei der SVP gibt es auch ein paar Grossgrundbesitzer.

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      • Profilfoto von Russenlover_Beter_lic.phil.
        Russenlover_Beter_lic.phil., 10.06.2022, 13:52 Uhr

        inklusive dem genannten Kantonsrat…..

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