Restaurants mit Ablaufdatum

Darum sind Pop-up-Beizen in Luzern so beliebt

Hatte an der Hirschmattstrasse seinen ersten Pop-up-Standort: Tobi Beeler von «Smashbrother». (Bild: zvg)

Sie tauchen auf und sind genauso schnell wieder weg: Pop-up-Restaurants. Auch Luzerner Gastronomen setzen auf das Konzept. Gemeinsam ist vielen von ihnen, dass sie es nicht Vollzeit betreiben – aus ähnlichen Gründen.

«Pop-up.» Für die einen ein Begriff, der längst im Allgemeinbewusstsein verankert ist. Für die anderen ein nervig-hippes Modewort. Übersetzt bedeutet er so viel wie «plötzliches Auftauchen». Im digitalen Bereich sind es Fenster, die auf einem Monitor auftauchen.

Im analogen Leben bezeichnet der Begriff temporäre Pärke oder Geschäfte. Während die Luzerner Pop-up-Parks schon von Beginn weg mit gemischten Gefühlen beäugt wurden (zentralplus berichtete), haben Restaurantkonzepte immerhin Sympathiekredit. Schliesslich geht es um Essen.

Pop-up-Restaurants sind ein Trend, der seit einigen Jahren immer mehr Fuss fasst. Auch in Luzern mieten sich Gastronominnen in bestehende Lokale ein, bespielen leerstehende Ladenflächen oder sie ploppen auf öffentlichem Grund. Meistens verkaufen sie ein spezifisches Gericht. Etwa Hamburger, Ramen oder Thai-Gerichte. Zur Pop-up-Kultur gehört, dass die Betriebe nur für einen bestimmten Zeitraum existieren. Meistens nicht mehr als ein paar Wochen. Was haben Gastronomen davon, viel Zeit in ein kurzlebiges Projekt zu investieren? zentralplus hat nachgefragt.

Burger in der Baselstrasse

Als «Sportklub» setzen die Luzerner Gastronomen Raphael Leutenegger und Manuel Kaufmann auf die «Konzeption und Durchführung von temporärer Gastronomie». Erfahrung im Umgang und Betrieb von Restaurants haben die beiden bereits gesammelt. Gemeinsam haben sie die Pizzeria Da Marcello in Kriens eröffnet. Kaufmann ist zudem Mitgründer der Buvette Nordpol und Mitinhaber des Restaurants Drei Könige.

Zusammen mit dem Hotelier Manuel Berger haben Leutenegger und Kaufmann jüngst eine ehemalige Metallwerkstatt an der Baselstrasse gekauft und in eine Eventlocation umgewandelt (zentralplus berichtete). Die «Werkstatt Augustin» soll nicht nur die Baselstrasse mit verschiedenen Anlässen beleben, sondern sie ist auch Austragungsort der Pop-up-Ideen des Duos.

Manuel Kaufmann (links) und Raphael Leutenegger sehen in Pop-up-Lokalen einen «Spielplatz» zum Experimentieren. (Bild: zvg)

In der neu eingebauten Küche in der Werkstatt Augustin steht Manuel Kaufmann bald am Herd, während Raphael Leutenegger den Service übernimmt. Für den Start im Mai setzen sie auf Smashburger – eine amerikanische Zubereitungsart von Hamburgern, bei der das Rindfleisch auf dem Grill flachgedrückt und nur kurz gebraten wird. Dazu werden sie Pommes frites und Softeis servieren. Simpel, ohne Schnickschnack. Für die beiden macht das ein gutes Pop-up aus: der Fokus auf ein spezifisches Gericht.

Pop-up-Lokale als Spielplatz auf Zeit

Was sie am Betrieb von Pop-up-Lokalen reizt? «Ein stetiges Restaurant ist etwas Tolles», sagt Manuel Kaufmann. «Ein Pop-up ist aber direkter, kompromissloser.» Es biete einem Gastronomen mehr Raum zum Experimentieren, mehr Freiheiten. So können sie kulinarische Ideen und Konzepte ausprobieren, ohne sich für längere Zeit verpflichten zu müssen. Kommt eine Idee an – super. Stösst sie auf wenig Gegenliebe, ist nicht gleich ein ganzer Betrieb dem Untergang geweiht und man könne etwas Neues probieren.

«Wenn man die ganze Arbeit auf die aufgewendeten Stunden runterrechnet, rentiert sich ein solcher Betrieb wohl nicht.»

Manuel Kaufmann, Gastronom

Raphael Leutenegger spricht von einem «Spielplatz auf Zeit» auf dem sie sich austoben können. Eine Eröffnung sei trotzdem kein Kinderspiel. Ein Konzept ausarbeiten, Bewilligungen einholen, die Infrastruktur aufbauen, die ganze Werbung und dann der eigentliche Betrieb: Pop-up-Restaurants bedeuten viel Aufwand für eine vergleichsweise kurze Lebensdauer.

«Wenn man die ganze Arbeit auf die aufgewendeten Stunden runterrechnet, rentiert sich ein solcher Betrieb wohl nicht», sagt Kaufmann, fügt aber an: «Man kann durchaus davon leben – wenn man es richtig macht.» Grundvoraussetzung sei es aber, dass man nicht arbeitsscheu sei. Raphael Leutenegger: «Wir machen es nicht wegen des Geldes, sondern, weil wir Lust dazu haben.»

«Brutal viel Arbeit»

Und wie weit sie für ihre Herzensangelegenheiten gehen, zeigt Raphael Leutenegger, als er das zweite geplante Pop-up-Konzept erläutert. Im Sommer soll nämlich ein vietnamesisches Lokal in die Werkstatt einziehen. Dafür haben sie direkt vor Ort in Vietnam eingekauft. Von speziellen Zutaten, Dekorationsgegenständen bis hin zu den bunten Plastikstühlen, die aus der asiatischen Streetfood-Gastronomie nicht mehr wegzudenken sind.

Die ganze Chose haben die beiden Luzerner dann mittels Container in die Schweiz verfrachten lassen. Alles, um ein Vietnam-Erlebnis in Luzern zu ermöglichen. «Es ist brutal viel Arbeit, aber eben auch schöne Arbeit», sagt Kaufmann.

Von Vietnam an die Baselstrasse: Das Inventar für ein Pop-up in der «Werkstatt Augustin». (Bild: zvg / Werkstatt)

Der Bewilligungsdschungel bleibt

Leutenegger und Kaufmann agieren nach der Devise: «Wenn schon, denn schon.» – «Wir wollen das geilste Essen anbieten, in der passenden Atmosphäre und mit der richtigen Musik», erklärt Leutenegger den eigenen Anspruch.

Gäste sollen sich für die Dauer des Aufenthalts an einem anderen Ort wähnen. Darum sehen sie ihr Konzept auch nicht als klassisches Pop-up-Lokal. Ein Begriff, mit dem Manuel Kaufmann sowieso seine Mühe hat. «Der Begriff Pop-up wird fast schon inflationär benutzt. Und das, was wir machen, geht in meinen Augen darüber hinaus.»

Selbst wenn Gastronominnen weniger Zeit und Arbeit in den Aufbau und die Gestaltung eines Pop-up-Betriebs investieren, als es die Sportklubtruppe tut, haben sie genug zu tun. Alleine schon aus administrativer Sicht. Für jeden einzelnen Pop-up-Betrieb gilt es, die nötigen Bewilligungen einzuholen. Etwa mit einer Anmeldung bei der Gewerbepolizei oder der Einhaltung von verschiedenen Schutzbestimmungen. An Papierkram mangelt es also definitiv nicht.

Es braucht viel Werbung

Das beste Essen und der hübscheste Betrieb nützen herzlich wenig, wenn niemand davon erfährt. Gerade, weil die «Lebensdauer» von Pop-up-Betrieben beschränkt ist – den «Smashburger» in der Werkstatt Augustin gibts nur während knapp zwei Wochen vom 23. Mai bis zum 2. Juni – ist es umso wichtiger, alle möglichen Kanäle zu befeuern. Social Media, Print und nicht zuletzt auch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Pop-up-Essen in Luzern: Smashburger. Hier aus der Küche von Manuel Kaufmann und Raphael Leutenegger. (Bild: zvg / Sportklub)

«Es braucht viel Werbung», bestätigt Leutenegger. Selbstläufer seien solche Temporärbetriebe nie. Deswegen sind er und Manuel Kaufmann vor einigen Tagen losgezogen, um die selbstgestalteten Flyer und Plakate zu ihrem Smashburger-Pop-up in der Stadt zu verteilen. Mit Erfolg. «Wir haben schon viele Reservationsanfragen erhalten.» Kommen die bisher angedachten Konzepte gut an, sind weitere Pop-ups in der Werkstatt geplant. Ideen seien da, sagt Raphael Leutenegger. Viele sogar.

Mit fettigen Fingern ins exklusive Hinterzimmer

Von Dezember bis März liess die Flüsterkneipe «Biz» an der Hirschmattstrasse vergangene Zeiten aufleben. Der Eintritt in die Bar im Hinterzimmer – zugänglich durch einen Kühlschrank – wurde nur mit einem wöchentlich wechselnden Codewort gewährt. Das zumindest war die ursprüngliche Idee. Ganz so exklusiv war der Barbetrieb in der Praxis dann doch nicht (zentralplus berichtete). Im vorderen Bereich sorgten einzelne Pop-ups für die bissfeste Verpflegung.

Das Lokal war eine Idee mehrerer Gastronomen, darunter Co-Geschäftsführer Philipp Kathriner, der in der Luzerner Gastronomie für verschiedene Projekte verantwortlich ist. Darunter etwa «Rudolfs Weihnachten» und dem Blue-Balls-Nachfolger «Luzern Live» (zentralplus berichtete). Bei Pop-ups könne man sich mit 120 Prozent ins Projekt hineingeben, sagte Kathriner damals zu zentralpls. Sich quasi absichtlich überarbeiten – während das Ende absehbar sei.

Während im «Biz» zuletzt Tacos serviert wurden, war das erste Pop-up im «Biz» amerikanischer unterwegs. Zum Start gab es hier ebenfalls Smashburger, allerdings vom Grill des umtriebigen Tobi Beeler, der als «Smashbrother» unterwegs ist.

Luzerner Lehrer am Grill

Tobi Beeler kurvt seit etwas mehr als einem Jahr mit einem umfunktionierten Lastenvelo durch Luzern. «Ich fand es spannend, selbst etwas auf die Beine zu stellen», sagt der 33-Jährige. Auf die Smashburger sei er gekommen, weil er «richtig geile» Burger in der Stadt Luzern bisher vermisst hatte.

Als «Smashbrother» bezieht er vor allem in den Frühlings- und Sommermonaten an verschiedenen Orten in der Stadt und an Anlässen wie dem «Luzern Live» Stellung und grilliert seine Smashburger. Administrativ halte sich der Aufwand in Grenzen. Nötig seien nur die Anmeldung bei der Lebensmittelkontrolle und eine Standbewilligung gewesen. Letztere sei aber nicht immer leicht zu erhalten. Selbst wenn es nur um Temporäreinsetze geht.

Social-Media-Plattformen wie Instagram helfen ihm dabei, seine Kreationen zu bewerben. Seit vergangenem März folgen ihm fast 20'000 Leute auf der Plattform. Selbst Leute aus Bern und Zürich seien schon angereist, um seine Burger zu probieren. «Das ist schon ziemlich verrückt», sagt Tobi Beeler und lacht.

Auf diesem umgebauten Lastenvelo bereitet Tobi Beeler seine Smashburger zu. (Bild: zvg)

Dank Pop-up zu mehr Aufträgen

Einen Popularitätsschub hat ihm ausserdem das Pop-up im «Biz» beschert. Die Anfrage dafür sei von den Betreibern ausgegangen. Schnell sei alles gegangen, erinnert er sich. «Von der Anfrage bis zum ersten Verkauf im Lokal sind nur etwa zwei Wochen vergangen.» Die Abwechslung, in einem stationären Betrieb zu arbeiten, sei eine spannende Erfahrung gewesen. «Ich konnte quasi in ein gemachtes Nest sitzen», sagt er. Stressig seien die sieben Wochenenden, die er im «Biz» verbracht hat, trotzdem gewesen.

Das Stelldichein in der Flüsterkneipe hat sich für den Luzerner ausgezahlt. «Die Anfragen haben definitiv zugenommen.» Etwa für Privatanlässe und Festivals, wie die Lucerne Regatta Ende Mai. Darum ist Beeler gerade dabei, Mitarbeiter für einzelne Einsätze zu rekrutieren. Bislang halfen ihm jeweils Leute aus dem Kollegenkreis aus. Das soll sich ändern. Denn alleine kann und möchte er «Smashbrother» auf Dauer nicht stemmen, weil das Burgerbusiness für ihn ein Nebenerwerb ist, den er an Wochenenden oder an einzelnen Wochentagen betreibt. Hauptberuflich ist Beeler als Lehrer unterwegs.

Obwohl Tobi Beeler in den kommenden Monaten wieder auf öffentlichen Plätzen oder eben an Anlässen unterwegs ist, könnte er sich einen weiteren fixen Pop-up-Betrieb vorstellen. Bislang sei noch nichts geplant, sagt er. Aber das war zwei Wochen vor der «Biz»-Eröffnung auch der Fall.

Ein Luzerner Thai-Konzept geht in die nächste Runde

Auch die «Alpineum»-Crew setzte während mehrerer Jahre auf ein Pop-up. Das «Mai Jim Fun» getaufte Thai-Restaurant servierte zuletzt während eines Monats an der Pilatusstrasse 53 Küche aus Fernost. Ein Pop-up-Betrieb sei mit viel Aufwand verbunden, sagte Julia Furrer im September 2022 zu zentralplus. Gerade auch mit beschränkten Öffnungszeiten. «Aber wir würden es nicht so machen, wenn wir keine Möglichkeit zur Rentabilität sehen würden.» Und die schien gegeben.

Das «Mai Jim Fun» ging im Folgejahr an derselben Adresse in die Verlängerung. Und wäre vielleicht ein drittes Mal wiedergekehrt. Derzeit gibt es allerdings Pläne, das in die Jahre gekommene Haus grossflächig zu sanieren. In die Räumlichkeiten soll in Zukunft wieder ein Restaurant oder Café einziehen (zentralplus berichtete). In welcher Form das sein wird, steht noch in den Sternen. Klar ist aber, dass es mit «Mai Jim Fun» diesen Oktober weitergeht, wie Julia Furrer auf Anfrage erklärt. Wo genau – das ist hingegen noch nicht bekannt.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Tobi Beeler, Smashbrother
  • Persönliches Gespräch mit Raphael Leutenegger und Manuel Kaufmann, Werkstatt Augustin
  • Schriftlicher Austausch mit Julia Furrer, Alpineum
  • Website «Lightspeed» Gastronomie
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon