Einsprachen erschweren Bauprojekte

Schnell mehr Wohnungen in Zug? Ein Ding der Unmöglichkeit

Im Gebiet Göbli in Zug soll bald zünftig gebaut werden. (Bild: wia)

In Zug müsste mehr gebaut werden. Denn die Bevölkerung braucht Platz zum Wohnen. Nur: So einfach ist die Sache mit der baulichen Verdichtung nicht – die Umsetzung von Bauprojekten dauert heute oft doppelt so lange wie noch vor einigen Jahren.

In rund einem Drittel der Schweizer Haushalte lebt nur gerade eine Person. Ende 2021 waren 5516 der insgesamt rund 14'400 Stadtzuger Wohnungen Einzelhaushalte. Diese Tendenz ist problematisch. Schweizweit fehlen aktuell 10'000 Wohnungen, bis in drei Jahren sollen es gut 50'000 sein.

Schon jetzt ist die Wohnungssuche im Kanton Zug eine Plage. Insbesondere, wenn man über ein begrenztes Budget verfügt. Warum wird denn nicht mehr respektive verdichteter gebaut, mag man sich beim Durchscrollen der kargen Suchresultate denken. Nur: So einfach ist das nicht.

Abnehmende Bewohnerdichte in der Stadt Zug?

Wie die «NZZ am Sonntag» vor Kurzem berichtete, würden Bauprojekte oft an kaum umsetzbaren Vorschriften scheitern. Die Zunahme der Wohnungen um drei bis fünf Prozent in den letzten fünf Jahren reiche nicht aus, um dem Bevölkerungswachstum gerecht zu werden.

Die «NZZ am Sonntag» gibt zu bedenken, dass die Bewohnerdichte in einigen Schweizer Städten gar abnehmend sei. Darunter auch Zug. Als Hauptgrund wird der Trend zu Kleinhaushalten genannt. Die Zeitung beruft sich auf Zahlen der Bundesämter für Raumentwicklung und Statistik sowie des Beratungsunternehmens Wüest Partner. Als weiteres Problem betreffend der Umsetzung von Bauprojekten nennt die Zeitung die Zunahme von Baueinsprachen.

Stadt Zug spricht von stetig steigender Verdichtung

Auf die Abnahme der Verdichtung angesprochen, äussert sich das Stadtzuger Baudepartement wie folgt: «Die in der ‹NZZ am Sonntag› vom 16. April 2023 verwendete Statistik können wir nicht analysieren und kommentieren, da wir keine Kenntnisse über die in der Statistik verwendeten Grundlagen haben.» Und weiter: «Sie erscheint uns für die Stadt Zug jedoch nicht richtig zu sein.»

Die Daten von Kanton und Stadt Zug – also die jährliche Erhebung der bebauten und unbebauten Bauzonen sowie der ständigen Wohnbevölkerung – würden ein anderes Bild zeigen.

«Die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner wie auch der Arbeitsplätze pro Quadratmeter Bauland hat in den vergangenen vier Jahren zugenommen, was einer inneren Verdichtung gleichkommt», so das Baudepartement. «Dies bedeutet, dass im Jahr 2015 in der Stadt Zug pro Einwohner und Arbeitsplatz 61 Quadratmeter Bauland benötigt wurden, während es im Jahr 2022 noch 57 Quadratmeter waren.»

Bei der Stadt Zug verweist man überdies auf eine Mitteilung des Kanton Zug, die besagt, dass dieser hinter Basel-Stadt die zweithöchste Dichte aufweise. Die Bauzonenfläche sei zwischen 2017 und 2022 nur gerade um ein Prozent gewachsen.

Mit unterschiedlichen Ellen gemessen

Wo liegen also die Gründe für die unterschiedlichen Feststellungen in Sachen Verdichtung? Wie eine Nachfrage bei Wüest Partner zeigt, messen Stadt und Beratungsunternehmen mit unterschiedlichen Ellen. Während die Stadt «nur» mit Anzahl Einwohnerinnen pro Quadratmeter Baufläche rechnet, gehen die Immobilienexperten von Wüest Partner weiter. Dort berechnet man die Verdichtung mit Einwohnern pro Quadratmeter bebauter Baufläche. Und diese Zahl sei 2022 im Vergleich zum Jahr 2017 gesunken.

Betreffend der vermeintlichen Zunahme von Baueinsprachen heisst es bei der Stadt Zug: «In den vergangenen zehn Jahren wurde gegen 14 bis 40 Prozent der Baugesuche im ordentlichen Verfahren Einsprache erhoben. Der schwankende prozentuale Anteil lässt in den letzten zehn Jahren keinen klaren Trend nach oben erkennen.»

Zuger Bau- und Immobilienfirmen spüren Verzögerungen stark

Zuger Bau- und Immobilienunternehmen scheinen den «Trend» hingegen klarer zu spüren. So erklärt Heinz Ineichen von der gleichnamigen Unternehmung auf Anfrage: «Als ausführende Bauunternehmung sind wir von Einsprachen insofern betroffen, da sich der Baustart von erhaltenen Aufträgen verzögern kann – was in der Tat in den letzten Jahren häufiger geworden ist.» Er erklärt weiter: «Die Gründe dafür können wir nicht mit Sicherheit ermitteln.»

Christoph Müller, Verwaltungsratspräsident der Alfred Müller AG, sagt dazu: «Unserer Erfahrung nach dauern Bauverfahren heute doppelt so lange wie noch vor 15 Jahren.» Das habe mehrere Gründe. «Zum einen ist die Zahl der Einsprachen sicher gestiegen, zum anderen dauern die Verfahren in den Behörden länger. Hier gibt es aber auch grosse Unterschiede.» So würden ähnliche Verfahren in einigen Gemeinden doppelt so viel Zeit beanspruchen wie in anderen. «Und das innerhalb des gleichen Kantons», so Müller.

«Unsere Arbeit wird durch Verzögerungen nicht nur anspruchsvoller, die Kosten für die Projekte und damit für die Kundinnen und Kunden steigen.»

Christoph Müller, Verwaltungsratspräsident Alfred Müller AG

Die Verzögerungen haben grosse Auswirkungen, denn in diesen bis zu 15 Jahren könne sich viel ändern: «Boden-, Material- und Energiepreise, das Umfeld, die Nachfrage und vieles mehr. Unsere Arbeit wird dadurch nicht nur anspruchsvoller, die Kosten für die Projekte und damit für die Kundinnen und Kunden steigen.»

Wer Einsprache macht, geht kaum ein Risiko ein

Es seien nicht unbedingt die Gründe für die Baueinsprachen, die sich gemäss der Alfred Müller AG in den letzten Jahren verändert hätten. «Es ist eher das allgemeine Verhalten. Heute können Betroffene gegen fast jedes Detail innerhalb eines Projekts klagen. Und das machen auch immer mehr.»

Selbst wenn ein gültiger Gestaltungsplan vorliege und das Projekt in einem Wettbewerb unter Architekten gekürt worden sei, gebe es Einsprachen – durch alle Instanzen. «Das Risiko für die Einsprechenden ist dabei sehr gering. Es steht in keinem Verhältnis zu den zusätzlichen Kosten für die Unternehmen und die Allgemeinheit.»

Verwendete Quellen
  • Artikel «NZZ am Sonntag»
  • Schriftlicher Kontakt mit der Stadt Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Bauunternehmern
  • Medienmitteilung Kanton Zug zum Umgang mit Boden
  • Statistik Bund zur Zusammensetzung der Haushalte in der Schweiz
  • Artikel SRF bezüglich Wohnungsknappheit
  • Mündlicher Kontakt mit Wüest Partner
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
    Markus Rotzbeutel, 25.04.2023, 18:17 Uhr

    Höchste Zeit eine Einsprachengebühr einzuführen – Rückerstattung nur bei erfolgreicher Einsprache.

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