Verdichtung im Geissensteinquartier

Gleiche Fläche, Wohnungen doppelt: In Luzern wird gezaubert

Eine Innenansicht einer der 60 geplanten Wohnungen. (Bild: indievisual AG)

Die Wohngenossenschaft Geissenstein will eine alte Siedlung im Quartier in die Neuzeit holen: mit mehr Wohnraum und einer attraktiven Gemeinschaftsfläche. Jetzt steht fest, wer Hand anlegen wird.

Im Luzerner Geissensteinquartier bahnt sich ein Lehrstück in Sachen Verdichtung an. Genauer gesagt in der kleinen Quartierstrasse Am Rain. Aus den 32 Wohnungen in sechs Wohnhäusern sollen 60 Wohnungen werden. Gleichzeitig wird eines der sechs Gebäude abgerissen. Gleiche Grundfläche, doppelt Wohnungen – wie ist das möglich?

Wettbewerb stösst auf grosses Interesse

Hinter dem Projekt «Am Rain» steckt die Wohngenossenschaft Geissenstein – EBG. Sie sitzt nur wenig weiter an der Dorfstrasse. «Wir haben sehr viele Genossenschaftler, aber zu wenig Wohnungen», sagt Johannes Schlattau, Leiter der Bauabteilung, auf Anfrage. Ausserdem benötigt die 70 Jahre alte Siedlung dringend einige Sanierungen.

Die Wohngenossenschaft hat daher einen offenen Architekturwettbewerb ausgerufen – zum Umbau der Siedlung. Eine der Auflagen: Es müssen mindestens 55 gemeinnützige Wohnungen entstehen.

Das Interesse der Architektinnen sei enorm gewesen, rund 50 Büros hätten fristgerecht ein Projekt eingereicht. «Das Projekt ist in einer Grössenordnung, die auch für kleinere Büros noch bearbeitbar war», meint Johannes Schlattau. Teilgenommen hätten viele Luzerner Architekten, aber auch Büros aus Zürich und Basel.

Die Sieger kommen aus Zürich und St. Gallen

Nun wurde das Siegerprojekt gekürt. «… täglich frisches Obst und Gemüse» lautet der Name des Entwurfs von Bischof Föhn Architektur aus Zürich und Akla Landschaftsarchitektur aus Gossau in St. Gallen. Mit geplanten 60 Wohnungen haben die Architektinnen die Vorgabe der Wohngenossenschaft übertroffen.

Überzeugen konnten die Büros, weil sie fast gänzlich mit dem Bestand arbeiten. «Wo es Sinn macht, wird die Baustruktur übernommen», erklärt Johannes Schlattau. Zudem werde der Rohbau ergänzt und erweitert. Geplant sind 1,5- bis 6,5-Zimmer-Wohnungen, etwa jede zweite Wohnung wird 4,5 Zimmer haben.

Ausserdem wird es einen Quartierplatz mit einem kleinen Pavillon geben – dafür muss eines der sechs Wohnhäuser weichen. «Mit dem Gemeinschaftsraum wollen wir den Zusammenhalt der Genossenschaft fördern», sagt Schlattau. Das hatten sich die Genossenschaftlerinnen im Vorfeld gewünscht.

Eine Aussenansicht auf den neuen Gemeinschaftsplatz. (Bild: indievisual AG)

Die Architekten knüpfen mit dem ungewöhnlichen Projekttitel «… täglich frisches Obst und Gemüse» an die Geschichte der Siedlung an. Diese war zwischen 1930 und 1955 gebaut worden. Und orientierte sich an den Ideen der englischen und deutschen Gartenstadtbewegung. Bedeutet: Die Menschen wollten Gärten haben und sich selbst versorgen können.

Das neue Projekt sollte diesen Gedanken weiterentwickeln – auch das war ein Wunsch der Genossenschaftler. Geplant seien daher auch gemeinschaftlich bewirtschaftete Beete, erzählt Schlattau.

Wohngenossenschaft wird Mietern kündigen

Im nächsten Schritt wird die Wohngenossenschaft ein Vorprojekt erarbeiten und es nächsten Sommer der Genossenschaft zur Urabstimmung präsentieren. Sollte das Resultat positiv ausfallen, könnte es schon Ende 2024 eine Baueingabe geben. Baustart wäre dann etwa im Herbst 2025.

Doch wenn die Bauarbeiten beginnen, werden die rund 90 Mieter ihre Wohnungen verlieren. «Weil der Eingriff in die Gebäude so tiefgreifend ist, müssen wir den Mietern kündigen», sagt Johannes Schlattau. Sie seien darüber längst informiert. Ausserdem seien im aktuellen Vermietungsreglement Bonuspunkte bei Kündigung vorgesehen. Sie gelten für die «interne Wohnungssuche» und erhöhen die Chancen der alten Mieter auf eine neue Wohnung im Quartier.

Wie hoch die Mieten zukünftig sein werden, will die Wohngenossenschaft noch nicht sagen. Auch zur Bausumme schweigt sie. Geplant sei aber günstiger Wohnraum, betont Johannes Schlattau, mit einer «Kostenmiete ohne Rendite».

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Wohngenossenschaft Geissenstein – EBG
  • Telefonat mit Johannes Schlattau, Leiter der Bauabteilung EBG
  • Website der Wohngenossenschaft Geissenstein – EBG
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1 Kommentar
  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 20.07.2023, 10:03 Uhr

    Sehr geehrter Herr Schlattau,
    Wie heisst es bei Goethes Faust so schön? „Die Botschaft hör´ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Letztendlich wird doch die Marktwirtschaft ein Wörtchen mitreden wieviel Mietzins diese Wohnungen kosten werden.

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