Luzern

Zaghafte Schritte in eine geothermische Zukunft

Geothermie: Ein riesiges Potenzial in der Tiefe wartet auf die Verteilung (Bild: Aura/ Emanuel Ammon)

Der Kanton Luzern ebnet den Weg zur Nutzung tiefer Erdwärme. Die Branche ist in Aufbruchstimmung. Bis zum Bau von Geothermie-Kraftwerken wird es aber noch einige Jahre dauern.

Geothermie ist hierzulande längst eine zuverlässige Wärme-Lieferantin. Insbesondere bei Neubauten setzen Unternehmer und Eigentümer zunehmend auf Wärmepumpen und Erdwärmesonden. Im Kanton Luzern wurden in den vergangenen 30 Jahren rund 5’000 solche Anlagen installiert.

Unter der Erdoberfläche schlummert ein riesiges Energiepotenzial. Aus Erdwärme elektrischen Strom zu machen ist aber aufwändig und daher zunächst vor allem eines: richtig teuer. Zur Wärmegewinnung reicht es, ein paar hundert Meter tief zu bohren. Nicht aber für die Stromproduktion: Im Schweizer Mittelland findet man die erforderliche Mindesttemperatur von 100°C nämlich erst rund 3000 Meter unter der Erdoberfläche.

Beträchtliches Potenzial

Das Bundesamt für Energie (BFE) schätzt, dass die sogenannte Tiefengeothermie bis 2050 gegen 4.29 Gigawattstunden (GWh) Strom liefern könnte. Das entspricht rund der Hälfte der Jahresleistung des grössten Schweizer Kernkraftwerks in Leibstadt. Vom theoretischen Energiepotenzial ist zurzeit nur ein kleiner Teil nutzbar und vieles hängt von der Weiterentwicklung und Optimierung der tiefengeothermischen Verfahren, der Bohrtechnik und der Umwandlung von Wärme in Strom ab.

Gemäss einem Fachbericht der kantonalen Dienststelle Umwelt und Energie ist der Untergrund südlich der Linie Menznau-Sempach-Hochdorf für hydrothermale Systeme geeignet, während nördlich der Linie Wolhusen-Rothenburg-Root petrothermale Anlagen ideale Bedingungen antreffen sollten.

Im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energieträgern wie etwa Wind oder Sonne kann die Geothermie Bandenergie liefern, also Strom rund um die Uhr. Die Ökobilanz der Tiefengeothermie ist vergleichbar mit jener anderer erneuerbarer Energien. Im Rahmen der Energiewende können solche Projekte mit Bundesgeldern und -garantien rechnen. Dies ist angesichts der erheblichen Investitionsrisiken auch nötig.

«Ein durchschnittliches Geothermiekraftwerk kostet 80-100 Mio. Franken, wovon rund 75% für die Bohrungen anfallen», erklärt etwa Peter Meier, CEO von Geo-Energie Suisse AG, dem Schweizer Kompetenzzentrum für Tiefengeothermie zur Strom- und Wärmeproduktion. Er will vorwärts machen, was heisst: möglichst schnell mehrere Pilotprojekte umsetzen, um mittelfristig die technische Machbarkeit von Tiefengeothermiekraftwerken und langfristig deren Wirtschaftlichkeit nachzuweisen.

«Die Geothermie befindet sich in der Entwicklungsphase. Wir brauchen keine Grundlagenforschung, sondern Erkenntnisgewinne aus der Praxis», unterstreicht Meier die Wichtigkeit von Pilotprojekten. Er sagt, das Aktionariat sei offen für weitere Partner, um so das damit verbundene finanzielle Risiko besser verteilen zu können.

Pilotprojekt im Luzerner Hinterland?

Geo-Energie Suisse ist auf Standortsuche für petrothermale Projekte. «Im kristallinen Untergrund liegt schweizweit das grösste Potenzial für geothermische Stromproduktion», sagt Meier. Deshalb konzentriere man sich im Kanton Luzern auf die Region vom Sempachersee bis zur nördlichen Kantonsgrenze. Nebst geologischen Abklärungen hält man Ausschau nach 10’000 bis 20’000 Quadratmeter Industrie- oder Bauland fernab von Wohngebieten.

«Zudem engagieren wir uns für zweckmässige Bewilligungsverfahren und für den Umweltverträglichkeitsnachweis», erläutert Meier. Bis im Herbst soll im Luzernischen mindestens ein Standort feststehen und das Bewilligungsverfahren eingeleitet werden. 2016 soll gebohrt werden, 2020 ein erstes Kraftwerk in Betrieb sein. In Stein gemeisselt ist der Fahrplan aber nicht. «Wichtig ist, dass wir zeigen können, dass es funktioniert. Dem wird alles untergeordnet, auch der Zeitpunkt der Fertigstellung», sagt Meier.

In einem weiteren Schritt muss die Wirtschaftlichkeit der Tiefengeothermie verbessert werden. Die  Stromgestehungskosten müssen sinken. Gegenwärtig liegen diese bei rund 40 Rp./KWh. Realistisch ist laut BFE eine Reduktion auf ca. 12 Rp./KWh. Einiges hängt auch von der Restwärme-Nutzung ab. Es drängt sich auf, Geothermie-Kraftwerke in der Nähe industrieller Grossabnehmer zu bauen oder solche anzusiedeln.

Wenig Konkretes in Luzern

Beflügelt durch die Energiewende ist die Tiefengeothermie in der Schweiz auf dem Vormarsch. Geo-Energie Suisse evaluiert zurzeit auch Projekte in der Romandie und im thurgauischen Etzwilen. Die Stadt St. Gallen investiert derweil 160 Mio. Franken in ein Geothermie-Heizkraftwerk, seit zwei Wochen wird gebohrt. Das Elektrizitätswerk des Kantons Thurgau verkündete neulich, zusammen mit der Axpo bis 2018 im Bodensee-Raum ein Kraftwerk für 100 Mio. Franken zu bauen und im Raum Herisau/Gossau erarbeitet ein Konsortium zurzeit eine Machbarkeitsstudie.

Noch steht in der Schweiz kein Geothermie-Kraftwerk. Die Branche schielt aber fleissig nach Deutschland. Die Axpo etwa beteiligt sich an einem Kraftwerk in Taufkirchen (Bayern). Dort will sie Know-How und Erfahrungen für eigene Projekte in der Schweiz sammeln. Für die Zentralschweiz hat die Axpo keine Pläne, wie sie auf Anfrage bestätigt. Sie verweist auf ihre Tochtergesellschaft, die CKW. Diese plant, bis 2050 rund 450 Mio. Franken in Geothermie-Projekte zu investieren und rechnet in ihrem Einzugsgebiet mit einem Potenzial von 140 GWh.

Die CKW liess die Entwicklungsmöglichkeiten der Tiefengeothermie im Kanton Luzern durch eine Fachfirma prüfen. «Die hydrothermale Methode hat im Kanton Luzern auf Grund der Geologie wenig Chancen», sagt Mediensprecherin Simona Gambini. Potenzial sieht die CKW hingegen für petrothermale Systeme. Konkretes gibt es aber noch nicht zu verkünden.

Hoffen auf private Initiative

Mit dem vergangene Woche behandelten Gesetz über die Gewinnung von Bodenschätzen und die Nutzung des Untergrunds macht der Luzerner Kantonsrat den Weg frei für die Tiefengeothermie. Wie weit das kantonale Engagement schliesslich gehen soll, ist unklar. Ein Planungsbericht ist noch nicht in Bearbeitung. Das neue Gesetz lässt Beteiligungen an Geothermie-Projekten zu, doch signalisierte der zuständige Regierungsrat Robert Küng Zurückhaltung.

Den Sozialdemokraten ist das zu wenig. In der Debatte im Kantonsrat forderten sie Mehrheitsbeteiligungen an Geothermie-Projekten. Ihr Antrag wurde klar abgelehnt, was JUSO-Kantonsrat Hasan Candan bedauert. «Als Miteigentümer der Axpo beteiligen sich Aargau und die Nordostschweizer Kantone aktiv an solchen Projekten. Das sollte Luzern auch tun. Wenn man für das KKL-Dach oder die Jugend-Olympiade Millionen locker machen will, kann man das auch für Geothermie-Kraftwerke.» Die SP fordert, dass sich der Kanton an der Stromproduktion beteiligt und so die Preise mitbestimmt. Er solle den Privatunternehmen nicht bloss als Steigbügelhalter dienen, ohne am Ende mitreden und profitieren zu können, sagte Kantonsrätin Silvana Beeler Gehrer in der Debatte.

Ganz anders sieht das Josef Langenegger von der FDP. Es sei eine Illusion zu glauben, dass der Kanton durch eine Beteiligung grossen Einfluss auf die Strompreise haben werde. «Wenn der Kanton intervenieren will, soll er es dort tun, wo ein Monopol herrscht. Und das ist beim Netz, nicht bei den Produktionsanlagen», sagt er gegenüber zentral+. Eine kantonale Mehrheitsbeteiligung kann Investoren abschrecken, ist sich Langenegger sicher. «Deshalb soll der Kanton bloss die Rahmenbedingungen herstellen und die Gründung einer Trägerschaft für geothermische Kraftwerke initiieren.»

Solche Trägerschaften gibt es in Form des «Vereins Geothermische Kraftwerke Schweiz» (VGKS) bereits in den Kantonen Aargau, Zürich und Zug. Der Verein will zunächst die hydrothermale Option ausschöpfen. «Unsere Absicht ist, die Bevölkerung zu informieren, frühzeitig in den Prozess einzubinden und den Boden für die Tiefengeothermie vorzubereiten, erklärt VGKS-Präsident Mark Eberhard. Es gehe darum, Know-How, Investoren und politische Kräfte zwecks Realisierung geothermischer Kraftwerkprojekte zusammenzubringen.

Ist im Kanton Luzern also bald mit einer neuen VGKS-Sektion zu rechnen? «Das würden wir begrüssen», sagt Eberhard. «Es gab zwar Kontakte, diese müssten aber erst reaktiviert und vertieft werden.» Es liege an den Wirtschaftsakteuren, die Initiative zu ergreifen. Danach könne allenfalls auch der Kanton ins Boot geholt werden, so Eberhard.

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