Man wolle die Kohleproduktion plafonieren und Metalle wie Kupfer, Kobalt, Nickel und Zink fördern. «Unser Unternehmen spielt eine Schlüsselrolle bei den Veränderungen der Mobilität und einer kohlenstoffarmen Wirtschaft», hiess es am Donnerstag in Zug an der Generalversammlung des umsatzstärksten Schweizer Unternehmens. Doch einigen Glencore-Aktionären reichte das nicht – und sie waren damit nicht alleine.
Wohl kein anderes Unternehmen steht so deutlich für die Internationalität von Zug wie der Rohwarenkonzern Glencore. Nicht, weil er mit einem Jahresumsatz von weit über 200 Milliarden US-Dollar als das grösste Schweizer Unternehmen gilt – und auch nicht, weil er weltweit gegen 158’000 Leute beschäftigt. Nein, Glencore ist schon fast 50 Jahre im Kanton Zug ansässig und ganze Generationen von linken und grünen Politikern haben sich bereits am Unternehmen als Feindbild abgearbeitet.
So auch am Donnerstag, als Glencore seine Generalversammlung im Theater Casino Zug abhielt. 23 Aktivisten hielten Transparente in die Höhe und riefen «Ufe mit de Klimaziel, abe mit em CO2». Im Fokus standen diesmal also keine Verdachtsmomente auf Korruption, in die Glencore verwickelt sein könnte, und auch keine Repressalien gegen Gewerkschafter in Drittweltländern.
Kodex für vorbildliches Verhalten
Diesmal waren es vorab Umweltfragen, die beschäftigten. Neben Juso-Leuten stand etwa auch die grün-alternative Kantonsrätin Mariann Hess aus Unterägeri bei den Manifestanten. Sie gehört zu einer Generation, welche das Unternehmen noch unter dem legendären Trader und Gründer Marc Rich gekannt hatten.
«Wir wollen, dass die Schweiz stolz auf uns sein kann.»
Tony Hayward, Verwaltungsratspräsident Glencore
Innerhalb des Casinos, im diskret gedimmten Licht des Festsaals, lauschten gut 200 Aktionäre und Mitarbeiter den Ausführungen von Verwaltungsratspräsident Tony Hayward. Der Brite zitierte ausgiebig aus dem Verhaltenskodex, den sich die Unternehmensgruppe verpasst hat.
Tu Gutes und sprich darüber
In diesen Richtlinien auferlegt sich Glencore, die Menschen- und Arbeiterrechte zu achten, die Gemeinschaften an Produktionsstandorten zu fördern, den Umweltschutz stark zu gewichten und den Ländern, in denen die Gruppe tätig ist, die rechtmässigen Steuern zu entrichten. Vor allem die Arbeitssicherheit in den Minen hat es Glencore angetan. Hayward sprach davon, die Zahl der 13 tödlichen Unfälle im vergangenen Jahr in Zukunft zur Gänze vermeiden zu wollen.
Nachdem er dann noch die Beträge nachreichte, die Glencore im vergangenen Jahr gesamthaft an Steuern entrichtete – sechs Milliarden US-Dollar – oder die es in Kindergärten und Aufbauprogramme steckte, war klar: Hier arbeitet ein Konzern an seinem Image.
Börsenkurs unter Druck
Bis 2011 war Glencore eine private Gesellschaft, die sich kaum um ihr Ansehen in der Öffentlichkeit kümmern musste. Seit dem Börsengang und der Integration von Minengesellschaften und Raffinerien in die Gruppe ist aber eine ungleich höhere Transparenz gefragt.
Periodisch auftauchende Skandalmeldungen drücken den Börsenkurs, der in London gehandelte Titel gilt als unterbewertet. Ebendies versucht Glencore seit einigen Jahren systematisch aufzuarbeiten und sich vom gerissenen Handelskollektiv zur nachhaltig agierenden Unternehmensgruppe zu wandeln.
Baarer aus dem Kanal
«Wir sind uns der Diskussionen um das Rohwarengeschäft in der Schweiz wohl bewusst», sagte Tony Hayward – wohl mit Blick auf die Konzernverantwortungsinitiative. «Wir wollen, dass das Land stolz auf unsere Aktivitäten sein kann.»
Wobei hinzuzufügen wäre, dass Glencore plc eigentlich eine Gesellschaft nach britischem Recht ist. Der Sitz der Holding befindet sich in der Fussgängerzone von St. Helier auf der Kanalinsel Jersey. Dort herrscht ein ebenso mildes Steuerklima wie am operativen Hauptquartier der Gruppe in Baar.
Der Wille zählt
Als Zeichen, dass Glencore gewillt ist, öffentliche Kritik ernst zu nehmen, ist wohl die Ausrichtung des Rohstoffportfolios gemeint. Mehrfach wurde bekräftigt, dass man die Verantwortung beim Umbau der Energiewirtschaft ernst nehme und künftig vorab Metalle fördern wolle, welche etwa für die Elektromobilität gebraucht werden.
Die Produktion von Kohle hingegen, die zu einem Drittel des Betriebsgewinns beiträgt, soll auf einem Niveau von 145 Millionen Tonnen plafoniert werden. Das ist allerdings immer noch um 10 Prozent mehr als 2018 gefördert wurde.
Vorschlag zur Aufforstung von Wald
In der Tat gingen verschiedene Aktionärsvertreter, welche der Klimabewegung nahestehen und ethischen Zielen verpflichtet sind, mit der Unternehmensführung hart ins Gericht. Man sei tief enttäuscht, für einen der grössten Kohleexporteure wie Glencore reiche dies bei Weitem nicht, hiess es.
Ein Aktionär aus dem Zürcher Unterland regte an, aktiv zur Bindung von Kohlendioxid beizutragen und Wiederaufforstungsprogramme zu starten. «Wir haben dies erwogen», gab sich Hayward, der als früherer BP-Manager aus der Ölwirtschaft kommt, unverbindlich. «Aber ich sehe nicht, dass wir uns in grösserem Umfang in ein Pflanzprogramm einbinden lassen.»
Kanadier stören die Feier
Misstöne gab es auch von Arbeitnehmerseite: Kanadische Angestellte, die sich Aktien gekauft hatten, monierten, dass Verbesserungen im Sicherheitsbereich der Minen bei Weitem nicht so energisch vorangetrieben würden, wie vom Verwaltungsrat dargestellt. Hayward reagierte oft ähnlich: Er sei erfreut, dass man ins Gespräch gekommen sei und sehr daran interessiert, diese Diskussionen zu vertiefen, sagte er sinngemäss.
Kein Thema an der Generalversammlung waren die Beziehungen zum umstrittenen Geschäftsmann Dan Gertler im Kongo, weswegen Glencore kürzlich in den Fokus der US-Justiz geraten ist. Dennoch gaben die Aktivitäten im Land Anlass für längere Diskussionen. Glencore ist nämlich daran, in der Bergbauprovinz Katanga eine Kobaltmine aufzubauen. Hier – und in Sambia – mussten erhebliche Wertberichtigungen vorgenommen werden, was schlecht für Glencores letztes Jahresergebnis war.
Fragen zu Katanga
Verschiedene Investoren wollten nun wissen, was dort vor sich ging, zumal Glencore die Unternehmung ohne die Hilfe des staatlichen Joint-Venture-Partners sanieren musste. Denn dieser wollte so schnell wie möglich Gelder aus den Mineralienverkäufen sehen. Ja, man habe verschiedentlich Geschenke an den Partner gemacht, sagte CEO Ivan Glasenberg. «Es ist traurig», sagte er, aber in armen Ländern komme solches im Minengeschäft immer wieder vor.
Dann erklärte er auch, warum das Baarer Unternehmen dies mitmacht. Kobalt ist nämlich ein gefragter Rohstoff für die Batterienproduktion – also die Elektromobilität. Zu einem grossen Teil wird das Element im Kongo unter irregulären Bedingungen abgebaut – zum Teil mit Kinderarbeit oder mit informellen sklavenähnlichen Strukturen.
Anbieter von sauberem Kobalt
«Europäische Automobilhersteller möchten dieses Kobalt aber nicht kaufen», sagte Glasenberg. Sondern sie legten Wert darauf, dass beim Abbau Steuern bezahlt werden und Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden. «Wir sind nun auf dem Weg, zu einem der grössten Anbieter von sauberem Kobalt zu werden», sagte Glasenberg.
Um 12.05 Uhr, nach 65 Minuten, schloss Tony Hayward die Versammlung und lud zum Apéro auf die Terrasse über dem Zugersee. Die 23 Klimaaktivisten vor den Türen des Theater Casino waren da bereits essen gegangen.
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