Urteil des Kantonsgerichts Luzern

Pauschalbesteuerter zahlte keine AHV-Beiträge

Der ehemalige Dirigent wird in der Nähe von Montreux pauschalbesteuert. (Bild: Symbolbild / Emanuel Ammon)

Das Kantonsgericht Luzern hat eine in Luzern ansässige Künstleragentur dazu verknurrt, Sozialversicherungsbeiträge für ihren Besitzer nachzuzahlen. Brisant: Der frühere Dirigent und australische Staatsbürger wird pauschalbesteuert, bezog aber Gehalt in der Schweiz.

Die nach ihrem Gründer und Besitzer benannte Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in Luzern. Die seit 1965 im Handelsregister eingetragene Firma vermittelt und vertritt Künstler sowie deren Werke im Bereich der klassischen Musik und des Balletts. Also genau in dem Bereich, in welcher der Namensgeber Jahrzehnte lang tätig war.

Gemäss Recherchen von zentral+ handelt es sich um Richard B.*, australischer Staatsbürger, über 80 Jahre alt und ein international bekannter Dirigent. Er beflügelte beispielweise Luciano Pavarottis Karriere, als dieser noch ein Nobody war. Der Mann war mit einer berühmten Sopranistin verheiratet und ist Träger zahlreicher Preise und internationaler Auszeichnungen. Mitunter erhielt er sogar von der Queen den Titel «Commander of the British Empire» (CBE).

Kontrolle der Ausgleichskasse

Jetzt haben jedoch hiesige Gesetze den Maestro aber von seinem Podest geholt. Der frühere Dirigent ist seit 1997 VR-Präsident seiner eigenen Firma in Luzern, mit Kollektivunterschrift zu zweien. Der zweite Unterschriftsberechtigte ist der Luzerner Anwalt Bernhard Gübeli. Das Problem: Die Firma hat das Einkommen ihres VR-Präsidenten nicht deklariert, und der Dirigent ist ein Pauschalbesteuerter.

Gemäss Urteil des Kantonsgerichts Luzern gab es eine von der Ausgleichskasse durchgeführte Kontrolle. An dieser stellte der Revisor fest, dass das Unternehmen 2007 bis 2011 jeweils einen Jahreslohn unter der Bezeichnung «Gehalt» dem Aktionärskonto gutgeschrieben hatte, ohne dieses der Ausgleichskasse zu deklarieren.

Die Ausgleichskasse forderte deshalb paritätische Sozialversicherungsbeiträge von rund 47’000 Franken nach. Die Beträge betreffen ausschliesslich die nicht abgerechneten Löhne des Besitzers in Höhe von rund 343’000 Franken, nach Abzug des jährlichen Freibetrags für Altersrentner. Der Dirigent und sein Luzerner Anwalt fochten den Entscheid der Behörde mit einer Beschwerde beim Kantonsgericht Luzern an.

Seit 50 Jahren in der Schweiz

Richard B. hat seit 1965 Wohnsitz in der Schweiz, in Les Avants oberhalb Montreux. Er wird vom Kanton Waadt sowohl für die Staats- und Gemeindesteuern als auch die direkte Bundessteuer nach dem Aufwand pauschal besteuert. Doch: Nach Aufwand besteuerte Ausländer dürfen in der Schweiz eigentlich kein Erwerbseinkommen erzielen.

Das Kantonsgericht schreibt dazu, die AHV-Behörden und das Gericht könnten unabhängig von der steuerlichen Behandlung frei prüfen, ob die umstrittenen Salärzahlungen der Beitragspflicht unterlägen oder nicht. Und es kommt zu folgendem Schluss: «Entschädigungen, die im Zusammenhang mit der früher ausgeübten Dirigententätigkeit stehen, stellen massgebenden Lohn dar.

Eine der zentralen Voraussetzungen zur Anwendung der Aufwandbesteuerung ist das Fehlen der Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Der Verwaltungsrat einer in der Schweiz domizilierten AG gilt als in der Schweiz erwerbstätig.» Die Entschädigungen der AG unterlägen deshalb der Beitragspflicht. Unabhängig davon, wie er besteuert werde.

Altersrente aus Honoraren

Die Musikfirma stellte sich auf den Standpunkt, da der Dirigent pauschal besteuert werde, könne das Erwerbseinkommen, das ihm aus seiner AG zufliesse, auch kein Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit in der Schweiz sein. Die Bezeichnung ihrer Zahlung als Salär müsse daher als «unpräzis und nicht sachgerecht« bezeichnet werden.

Es seien vielmehr aufgrund seiner Jahrzehnte langen Dirigententätigkeit angesammelte Honorare, «die nur aus verwaltungstechnischen Gründen in der Schweiz angesammelt und jetzt sukzessive ausbezahlt werden.» Die Honorare seien eine Art Altersrente für den Musiker.

«Fiskalfreundliches Urteil»

Das Urteil ist rechtskräftig. Die Musikfirma hat auf einen Weiterzug verzichtet. Es sei schade, dass die wirtschaftlichen Hintergründe nicht interessierten, sondern nur der Buchstabe des Gesetzes, sagt Anwalt Bernhard Gübeli auf Anfrage. Seinen Mandanten zu dessen Sicht zu befragen, ist laut Gübeli nicht möglich. Er ist nicht im Telefonbuch zu finden und hat auch keine Homepage.

Niklaus Scherr hat das Luzerner Urteil ebenfalls gelesen.Er ist der Vater der Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung, die am 30. November zur Abstimmung kommt. Scherrs Kommentar: «Es besteht ein offensichtlicher rechtlicher Widerspruch zwischen der Position der AHV-Behörden und des Kantonsgerichts, dass eine abgabepflichtige Erwerbstätigkeit vorliegt, und der Tatsache, dass der Dirigent steuertechnisch als nicht erwerbstätig gilt und pauschalbesteuert wird.»

Ob das Urteil aus Luzern allenfalls Auswirkungen auf die Gewährung des Pauschalbesteuerungs-Status des Dirigenten hatte oder noch haben wird, bleibt offen. Eine Anfrage bei der Steuerverwaltung des Kantons Waadt blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. «Aus sprachlichen Gründen».

* Name der Redaktion bekannt

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