Lino Martschini über den Aufschwung der Zuger

«Wir haben aufgehört, Pingpong zu spielen»

Die EVZ-Teamkollegen Oscar Lindberg (links) und Erik Thorell (rechts) gratulieren dem Doppeltorschützen Lino Martschini zum 4:2 gegen Pilsen. (Bild: Daniela Frutiger/freshfocus)

Der EV Zug in der Hauptrolle der diesjährigen Eishockey-Meisterschaft: Die ungleich grösser gewordene Kragenweite scheint dem meistgenannten Titelanwärter immer mehr zu passen. Eine erste Zwischenbilanz nach schier einem Fünftel der Qualifikation.

Sie hätten sich auch sagen können: Was soll's? Wir sind ja eh eine Runde weiter. Aber das taten die Zuger nicht. Sie warfen die Flinte nach dem zwischenzeitlichen 0:2 in der Champions League gegen den HC Pilsen nicht ins Korn. «Ich spürte eine ganz andere Stimmung auf der Bank als zu Saisonbeginn», sagt EVZ-Torjäger Lino Martschini am Tag danach. «Wir blieben ruhig, machten hinten dicht und pushten uns gegenseitig.»

Als das zweite Drittel Geschichte war, stand es 4:2 für die Zuger und Martschini hatte sich innerhalb von 80 Sekunden zum Doppeltorschützen gemausert. «Es war ein Schritt vorwärts in unserer Entwicklung», findet der 26 Jahre alte und vor kurzem erstmals Vater gewordene EVZ-Flügelstürmer. Zugs Sportchef Reto Kläy bezeichnet den erfolgreichen Auftritt gegen die Tschechen gar als «eine unserer besten Leistungen in dieser Saison».

Die wichtigste Erkenntnis der Zuger

Nach einem harzigen Saisonstart scheint die Marschrichtung beim EVZ mittlerweile zu stimmen. «In einer langen Saison, in der leistungsmässige Wellenbewegungen so sicher sind wie das Amen in der Kirche, ist das die wichtigste Erkenntnis», betont Kläy. Entscheidend sei immer, was man aus weniger guten Phasen mache.

Das 5:2 über den HC Pilsen bekräftigt den Aufschwung, den die Mannschaft von Dan Tangnes mit drei Siegen aus den letzten fünf Meisterschaftsspielen demonstriert hat. Die positive Entwicklung ist allerdings kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis einer kritischen Selbstbetrachtung.

«Harte Arbeit ist die Grundlage von allem.»

EVZ-Stürmer Lino Martschini

In den ersten sechs Meisterschaftsspielen sorgten die Zuger für Spektakel – allerdings nicht bloss vor dem gegnerischen, sondern auch vor dem eigenen Tor. Nach aktuellem Stand sind sie mit 15 Punkten aus neun Spielen an sechster Stelle der National League rangiert. Im Durchschnitt schiessen sie zwar mehr Tore als der Leader ZSC und sonstige Konkurrenten, aber sie fischen zusammen mit Lausanne auch die meisten Pucks aus dem eigenen Netz.

Wie es einem Spitzenteam gebührt

Was ist denn nun das eigentlich Gute daran? Die Tendenz in den letzten drei EVZ-Meisterschaftsspielen (zwei Siege, eine Niederlage nach Penaltyschiessen) generiert eine positive Aussage: Die offensive Feuerkraft der Zuger hält ihr hohes Niveau, derweil die defensive Verlässlichkeit um einiges besser geworden ist. Im Durchschnitt nur noch zwei Gegentore pro Spiel – so wie es einem Spitzenteam und Titelanwärter gebührt.

«Nach einer guten Vorbereitung und einem starken Start in die Champions League sind wir dem Irrtum erlegen, dass wir es mit unseren individuellen Fähigkeiten aus jeder brenzligen Situation schaffen können», sagt Martschini. Und wie um einen Pflock einzuschlagen, schlägt er seine flache Hand gegen die dem EVZ-Garderobeneingang gegenüberliegende Wand und hält fest: «Harte Arbeit ist die Grundlage von allem. Erst in einem zweiten Schritt können und dürfen wir unsere individuellen Fähigkeiten in einem Spiel zur Entfaltung bringen.»

Zuger Forechecking passte nicht

Aber was hat sich denn nun augenfällig im EVZ-Spiel geändert? Damit das System funktioniert, müssen sich die fünf auf dem Eis stehenden Feldspieler aufeinander verlassen können. Vor allem im Spiel ohne Scheibenbesitz.

«Wir kreierten zwar viele Chancen, aber sogleich kam der Gegenangriff.»

Martschini erklärt: «Unser System beruht darauf, den Gegner mit unserem Forechecking in 60 Spielminuten müde zu machen. Das heisst nicht, dass wir jedesmal den Puck beim Forechecking erobern müssen. Ein unkontrolliertes Wegschlagen reicht uns auch.» Und dann rollt der nächste EVZ-Angriff, mit viel Talent gesegnet, auf den Gegner zu.

Das Problem beim harzigen Saisonstart der Zuger? Die Abstimmung im Forechecking hat nicht gepasst. «Wir haben zu viel Pingpong gespielt. Wir kreierten zwar unsere Chancen, aber sogleich kam der Gegenangriff. Mit diesem Pingpong haben wir nun aufgehört», sagt Martschini.

Martschini: «Deckungsgleiche Lösungsansätze»

Selbstredend steckt dahinter ein Arbeitsprozess. «Die Coaches haben uns auf Video schön vor Augen geführt, wie wir zwar viele Torchancen kreieren, aber im Gegenzug auch viele Gelegenheiten zu Gegentoren eröffnen. Weil die Trainer wissen wollten, was unsere Lösungsansätze sind, haben wir teamintern viel darüber diskutiert», blickt Martschini zurück.

Letztlich hätten sie herausgefunden, dass die Lösungsansätze von Trainerteam und der Mannschaft praktisch deckungsgleich gewesen seien. «Wichtig war, alles anzusprechen, damit keiner die Faust im Sack machen muss.»

Den Zuger Aufwärtstrend soll der HC Ambri-Piotta am Freitagabend in der heimischen Bossard-Arena (ab 19.45 Uhr) zu spüren bekommen. Denn in der Meisterschaft sind die Zuger noch lange nicht für die K.o.-Runde, also für die Playoffs, qualifiziert.

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