Mental-Coach aus Baar

Wie eine Zugerin für mehr Frauen im Topkader kämpft

Tanja Kunz ist seit zwei Jahren als Coach tätig. (Bild: ida)

Tanja Kunz ist Female Empowerment Coach. Ihr Ziel ist klar: Mehr Frauen im Topkader. Wir haben nachgefragt, wie sie die Frauen dabei unterstützen will.

Es harzt. Trotz jahrelanger Bemühungen ist der Frauenanteil in Schweizer Führungsetagen nach wie vor sehr tief. Eine neue Studie der Universität St. Gallen zeigt, dass Männer 83 Prozent aller Top-Kader-Positionen und 81 Prozent aller Vorstandssitze besetzen.

Eine, die das ändern will, ist Tanja Kunz aus Baar. Die 33-Jährige bezeichnet sich selbst als «mentale Bergführerin». Just am Tag des Lockdowns im März 2020 hat sie ihre Firma Female Power Coaching gegründet. Ihr Ziel: Frauen zu helfen, im Berufsalltag zu überzeugen. Sie an die Spitze von Unternehmen zu bringen.

In Kunz löst es vor allem eines aus, wenn wieder einmal schwarz auf weiss steht, wie rar Chefinnen sind: Wut. «Alle sagen es geht vorwärts. Aber die Zahlen zeigen, es passiert einfach nicht so viel. Der Leidensdruck für Veränderung ist für viele Unternehmen zu klein. Sie sehen die Vorteile in Zahlen nicht, was es bringt, Diversität auch wirklich zu leben.»

Selbst in Männerdomänen gearbeitet

Kunz, ist gelernte Bankkauffrau. Nach der Lehre hat sie Wirtschaft studiert. Sie hat in Branchen gearbeitet, die von Männern dominiert waren. Zuletzt in der Seilbahnbranche. Ein Ereignis hat sie damals besonders aufgerüttelt. Sie war verantwortlich für eine Kunden-Studienreise nach Russland. Zur Verfügung standen 100 Sitzplätze für den Charterflug. Wer diese Plätze füllte? 100 Männer. Seilbahndirektoren und Verwaltungsratspräsidenten aus hiesigen Tourismusregionen. «Das hat mich echt schockiert. Bei dem hohen Frauenanteil in der Tourismusbranche. Da scheitert es schlicht am Willen.»

Und auch in ihrem Job hat sich Kunz manchmal blockiert gefühlt. Sie hat in Männerrunden abgewogen, ob sie sich zu einem Thema überhaupt äussern solle. Ob es relevant sei. Schliesslich hat sie sich nach einer persönlichen Lebenskrise zum Mental Coach ausbilden lassen. Unter anderem bietet sie Frauen ein 12-wöchiges Coaching-Programm an – für Frauen, die beruflich durchstarten wollen.

Wachrütteln und ermutigen

Was macht Kunz konkret als Female Empowerment Coach? «Ich bin überzeugt, dass das Potenzial vieler Frauen brachliegt. Ich will Frauen wachrütteln und sie ermutigen, mit kleinen Schritten zu beginnen. Ich erarbeite mit ihnen gemeinsam einen Weg, mit dem sie es bis zum Gipfel ihres Potenzials schaffen. Dass sie den Glauben zu sich selbst gewinnen.»

Teil des Coaching-Programms ist ein gut 70-seitiges Workbook. Aufgaben, die zum Reflektieren anregen, aber auch eine Bestandesaufnahme erlauben. Und einen Blick in die Zukunft – wie man sich selbst beispielsweise in zwei Jahren sieht und welche Schritte es bis dahin benötigte. Die Aufgaben sollen aufbauend sein, erklärt Kunz. «Damit Frauen lösungs- und nicht mehr problemorientiert denken.»

«Den Frauen den Spiegel hinzuhalten kann auch mal weh tun.»

Tanja Kunz

Gerade das positive Denken sei wichtig. Kunz weist auf Studien hin, die besagen, dass wir täglich bis zu 60'000 Gedanken haben. Die meisten sind negativ, wiederholen sich dauernd in unserem Kopf. «Eigentlich sind wir gefangen in einer negativen Dauerschleife. Und aus dieser müssen wir ausbrechen.»

An sich selber arbeiten

Nicht selten wird Kritik laut an solchen Coaching-Programmen. Skepsis besteht, ob es auch wirklich etwas bringt. Oder ob diese Rolle nicht einfach eine gute Freundin einnehmen könnte, die einen motiviert.

«Den Frauen den Spiegel hinzuhalten und mit ihr durchzuackern, was die ganze Situation mit ihr zu tun hat, kann auch mal weh tun», sagt Kunz. Was sie von der guten Freundin unterscheide: Sie bringt neurologisches und psychologisches Wissen mit. Sie kommt aus der Wirtschaft, hat sich in Männerdomänen beweisen müssen und steht ihren Kundinnen mit Tools und konkreten Vorgehensweisen zur Seite.

Die Frage, ob man «in sich selbst investieren möchte», muss natürlich jeder für sich entscheiden, so Kunz. Das 12-wöchige Coaching-Programm kostet 2590 Franken. Andere Angebote wie ein 6-wöchiges Programm mit Gruppen-Gesprächen, die online durchgeführt werden, kosten 965 Franken. In ihrem eigenen Female-Power-Podcast gibt sie aber auch kostenlos Tipps.

Im Video verrät dir Tanja Kunz 5 Bewerbungs-Tipps:

Selbstbewusster für sich einstehen

Kunz hat schon mehr als 100 Frauen auf ihrem Weg begleitet. Bei ihr suchen Frauen Rat, die nicht mehr weiterkommen. «Es sind Frauen, die sagen, sie krampfen sich in ihrem Job ab, werden aber bei einer anfälligen Beförderung ausser Acht gelassen. Frauen, die das Gefühl haben, übersehen zu werden.» Kunz will sie sichtbarer machen. Sie coacht auch weibliche Führungskräfte. «Ich beobachte häufig, dass diese Frauen sich nicht getrauen, ihren Raum auch einzunehmen. Dass sie es allen recht machen wollen.»

Frauen seien häufig selbstkritischer, würden Dinge persönlicher nehmen. Wie eine Jobabsage, durch die man selber an sich zu zweifeln beginne. «Und das ist unsere Aufgabe. Selbstbewusster für uns einzustehen.»

Kunz ist es aber auch wichtig, dass das Diversitätsproblem nicht nur auf den Schultern der Frauen ausgetragen wird. «Schliesslich dürfen auch Männer ihre Denkmuster verändern, Denkmuster, die in patriarchalen Strukturen verankert sind.»

Kunz wagt einen Blick zurück. Vor 50 Jahren durften Frauen noch keinen eigenen Arbeitsvertrag unterschreiben. Seit 1977 ist es Männern verboten, die Arbeitsstelle seiner Frau zu kündigen, weil er das Gefühl hat, sie vernachlässige den Haushalt. Und seit 1988 ist die Gleichstellung eherechtlich festgesetzt, dass der Mann nicht mehr das Oberhaupt der Familie ist, sprich beide Partner gleichgestellt sind. «1988: Das ist mein Jahrgang», sagt die junge Frau und schüttelt den Kopf.

Ignoranz: Niemand schaut genau hin

Was läuft falsch, dass Chefinnen so rar sind? Etwas so zu belassen, wie es schon immer war, ist natürlich der einfachere Weg. Etwas zu verändern, kann unangenehm und unbequem sein, sagt Kunz. Diversität ist harte Arbeit, sagte auch Diversity-Expertin Christiane Bisanzio gegenüber zentralplus. «Wenn es nicht wehtut, passiert auch nichts.»

«Niemand steht hin und sagt, dass man im Betrieb ein Diversitätsproblem oder Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern hat. Jeder weist die Verantwortung von sich.»

Kunz spricht auch den Begriff der «homosozialen Kooptation» an. Dass sich Menschen überwiegend gerne mit Menschen umgeben – oder in Firmen eben auch rekrutieren, die einem selbst ähnlich sind. Und weil viele Männer in solchen Positionen sind, sei es für sie am einfachsten, gleichdenkende Personen zu rekrutieren. Also Männer mit ähnlichem Hintergrund und Ausbildungsweg. «Gelebte Diversität würde heissen, dass Köpfe von Männern rollen müssten. Und das kratzt natürlich am eigenen Ego, wenn jemand zurücktreten muss und an seiner Stelle eine Frau rekrutiert wird.»

Kunz spricht auch von einer gewissen Ignoranz. «In einem Unternehmen fühlt sich niemand dafür verantwortlich. Niemand steht hin und sagt, dass man im Betrieb ein Diversitätsproblem oder Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern hat. Jeder weist die Verantwortung von sich.»

Laut Kunz kommt man wohl nicht dran vorbei, Quoten einzuführen. Bis das Geschlecht bei der Rekrutierung keine Rolle mehr spielt.

Erfolgsgeschichte motivieren sie

Mit dem 12-wöchigen Coaching kann man das Leben nicht auf einmal ganz umkrempeln, sagt Kunz. «Aber es bringt eine Entwicklung ins Rollen.»

Die gebürtige Bündnerin erzählt von einer Frau, die sie gecoacht hat. 27-jährig, nach der Ausbildung zur Lehrerin hat sie ein Studium im Umweltbereich begonnen. Sie hat sich auch politisch engagiert und spielte beim Kennenlerngespräch mit Kunz mit dem Gedanken, sich als Gemeinderätin aufzustellen. Kunz begleitete sie durch die Phase ihrer Kandidatur, in der die Frau Interviews gab und an Podiumsdiskussionen überzeugen musste. Immer wieder kamen Zweifel auf. Weil sie insbesondere vor dem zweiten Wahlgang von den Anhängern der beiden (männlichen) Mitkandidaten zu hören kriegte, dass sie nicht auf den Platz einer Gemeinderätin gehöre. «Trotz des Widerstands kämpfte sie weiter – und wurde schliesslich auch gewählt.»

Solche Erfolgserlebnisse spornen Kunz an.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Martin Müller
    Martin Müller, 10.01.2022, 05:47 Uhr

    Paid Post?

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    • Profilfoto von Redaktion zentralplus
      Redaktion zentralplus, 10.01.2022, 09:44 Uhr

      Nein. Paid post werden bei zentralplus ausgewiesen.

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