Künftig nur noch 100 statt 120 km/h?

Darum schleichst du auf der A14 – trotz wenig Verkehr

Auf der A14 zwischen Luzern und Rotkreuz gilt normalerweise grösstenteils eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h. (Bild: Fabian Duss)

Auf der Autobahn zwischen Zug und Luzern herrschte in den vergangenen Wochen kaum Verkehr. Freie Fahrt also? Mitnichten: Eine wahre Schleichfahrt.

Manche würden am liebsten mit 140 km/h über die hiesigen Autobahnen brettern. So etwa der Zuger Jungpolitiker Nicolas Burnier (zentralplus berichtete). Anderen sähen lieber eine Begrenzung auf 100 Kilometer pro Stunde, beispielsweise der Verkehrs-Club Schweiz (VCS).

Doch die Maximalgeschwindigkeit auf Schweizer Autobahnen liegt bekanntlich nach wie vor bei 120 km/h. Auch auf der A14 zwischen Luzern und Zug gilt dies zu einem grossen Teil. Allerdings nicht immer: Bei hohem Verkehrsaufkommen greift das Bundesamt für Strassen Astra ein und reduziert das Tempo. Es setzt dabei auf sogenannte Anlagen zur Geschwindigkeitsharmonisierung mit Gefahrenwarnung. Das System kann nicht nur die Geschwindigkeit auf der Autobahn anpassen, sondern auch vor Unfällen, Pannenfahrzeugen oder Ähnlichem warnen.

Kaum Verkehr: Trotzdem nur Tempo 80

Die Anzeigen scheinen allerdings nicht perfekt zu funktionieren. In den vergangenen Tagen ist es laut einem zentralplus-Leserreporter immer wieder zu Problemen gekommen. Vom Rathausentunnel ausgangs Luzern bis nach Buchrain, wo die Maximalgeschwindigkeit zulässig wäre, sei der Verkehr auf 100 km/h und am Donnerstagabend gar auf 80 gebremst worden – obwohl kaum Autos unterwegs oder keine sonstigen Gründe für die Reduzierung auszumachen gewesen seien.

Am Freitag das gleiche Phänomen in umgekehrter Richtung. Gemäss dem Leserreporter galt ab Rotkreuz bis zum Rathausentunnel – also auf gut 20 Kilometern – Tempo 100. Und auch hier: kaum Verkehr.

Am vergangenen Montagabend schliesslich zeigte das System gemäss dem Leserreporter in Gisikon-Root einen Unfall und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h an. «Es hatte jedoch sehr wenig Verkehr und schon gar keinen Stau oder Unfall», teilt der Autofahrer mit.

Algorithmus muss noch lernen

Was ist also los mit dem System? Astra-Mediensprecher Jérôme Jacky teilt auf Anfrage mit, die Geschwindigkeitsreduktion hänge mit dem gemessenen Verkehrsaufkommen zusammen. Ein Algorithmus gebe vor, wann welche Geschwindigkeit möglich sei, um die Autobahn «bestmöglich auszulasten». Aktuell laufe eine «Optimierungsphase», während derer der Algorithmus verbessert und im Betrieb getestet werde.

«In dieser Phase kann die Verkehrsmanagementzentrale nicht manuell eingreifen, da dies sonst zu Fehlfunktionen und zu Verfälschungen des Algorithmus führen würde. Aus diesem Grund wurde temporär Tempo 100 angezeigt, auch wenn dies aus betrieblichen Gründen nicht notwendig war», sagt der Pressesprecher. Die Tests seien aber notwendig, denn die Anlagen sollen gemäss dem Astra nur aktiv geschaltet werden, wenn dies aus verkehrstechnischen Gründen nötig sei. «Bei normalem Verkehrsaufkommen ausserhalb der Stosszeiten sollte dies nicht der Fall sein.»

System 2018 in Betrieb genommen

Das Bundesamt für Strassen nahm die Anlagen gemäss eigenen Angaben im April 2018 in Betrieb. Damals wurden sie noch manuell aktiviert. Das heisst, das Astra griff erst bei Stau ein.

Das ist nun nicht mehr der Fall: 2023 wurde das System auf den neuesten Stand der Dinge gebracht. Neu ist es das Ziel, dass das System automatisch erkennt, wann es zu stockendem Verkehr oder gar zu Stau kommen könnte und entsprechend bereits zuvor eingreift. Es soll also prophylaktisch Stau verhindern.

Nun befinde sich die Anlage in einer Prüfungsphase. Die Schaltungen würden laufend protokolliert und die Daten analysiert. Wie lange diese Phase noch dauert, ist noch unklar. «Erst wenn die Anlagen wie gewünscht funktionieren, wird der ordentliche Betrieb aufgenommen», sagt der Mediensprecher.

Geschwindigkeit könnte vermehrt reduziert werden

Wird der Abschnitt künftig also öfters nur noch mit 100 km/h befahrbar sein? Das sei derzeit noch offen, sagt Jérôme Jacky. Gleichzeitig hält er fest: «Einfach die Geschwindigkeit zu reduzieren, ist nicht im Interesse des Astra.» Doch wenn es notwendig und sinnvoll sei, solle das System die Geschwindigkeit drosseln.

Denn das Astra will wie erwähnt die Autobahn «bestmöglich auslasten». Doch was heisst das genau? Ein Autobahnabschnitt erreiche gemäss aktuellem Forschungsstand dann seine maximale Kapazität, wenn die Fahrzeuge mit 80 km/h unterwegs seien, erklärt Jérôme Jacky. «Durch die schrittweise Reduktion der Maximalgeschwindigkeit von 120 auf 100 oder 80 km/h können die Fahrzeuge näher aufschliessen. So kann die Autobahn bei dichtem Verkehr besser ausgelastet werden.»

Nicht alle sehen das gleich wie das Astra. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Bestrebungen, die Geschwindigkeit auf Autobahnen zu erhöhen. So wie eingangs ausgeführt von einem Zuger Jungpolitiker. Vincent Kaufmann hingegen, Professor für Stadtsoziologie und Mobilitätsanalyse an der EPFL in Lausanne, fordert in einem «Blick»-Interview gar eine Halbierung. 60 Kilometer pro Stunde sollen es sein. Er geht also noch weiter als das Astra und stellt sich auf den Standpunkt, dass die maximale Kapazität auf Autobahnen bei 60 km/h erreicht werde.

60 statt 120 km/h? Da muss man sich als Autofahrer ja fast schon freuen, wenn man wie dieser Tage zwischen Luzern und Rotkreuz noch 100 fahren darf. Auch wenn der Grund dafür nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Verwendete Quellen
  • Leserreporter
  • Schriftlicher Austausch mit der Medienstelle des Bundesamts für Strassen Astra
  • Artikel auf «Watson»
  • Artikel im «Blick»
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9 Kommentare
  • Profilfoto von Mirco
    Mirco, 15.01.2024, 17:44 Uhr

    Ich bin für Tempo 30 auf Autobahnen inkl. Veloweg.

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    Jerome Halter, 11.01.2024, 14:26 Uhr

    Ja, wie gut das funktioniert sieht man ja jeweils.
    Wie wäre es denn bei praktisch keinem Verkehr auf 150 km/h anzuheben?

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 11.01.2024, 13:00 Uhr

    Bei hoher Verkehrsdichte macht eine Temporeduktion auf 100 km/h durchaus Sinn, bei geringer Verkehrsdichte eben nicht. Intelligente Lösungen sind gefragt, existieren tun sie schon länger.

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    Hegard, 11.01.2024, 10:21 Uhr

    Diese Systeme sind so intelligent wie des Programierers!
    Jarzente wird mit inteligenten Ampeln auf Kosten des Vehrkers gespielt. In Buchrain wurde bewiesen, dass ein meschlicher Verkehrslotse effenzienter ist, als so ein intelligentes Ampelsystem. Deshalb würde wahrscheinlich ein Kameralotse den Verkehr lockerer führen. Die Kameras zb auf höhe von Strassenlampen montieren, so dass man den Verkehrsfluss weitreichend übersehen und leiten kann!

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    Kasimir Pfyffer, 11.01.2024, 09:02 Uhr

    Eine tiefere Geschwindigkeit bringt eine höhere Kapazität. Das gilt nicht nur innerorts oder auf Autobahnen, sondern sogar im Güterverkehr (siehe «Cargo Sous Terrain» mit einer angestrebten V= 30 km/h). In der Forschung seit Jahrzehnten bekannt, jedem ehrlichen Autofahrer ebenfalls bekannt. Aber bitte nicht dem «Jungpolitiker» erzählen, jetzt, wo er endlich einmal ein tolles und überaus wichtiges Thema gefunden hat!

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      martin.vonrotz, 11.01.2024, 10:33 Uhr

      Das ist korrekt wenn es sehr viel Verkehr hat, aber wenn es wenig oder fast keinen Verkehr hat, dann ist es nicht ok.

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      A. Kunz, 11.01.2024, 11:31 Uhr

      Höhere Kapazität benötigt man, wenn entsprechend viel Verkehr herrscht. Aber nicht bei halbleeren Autobahnen. Auch das ist jedem halbehrlichen Autogegner bekannt.

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      Sim Framiger, 12.01.2024, 15:05 Uhr

      Jaja, haargenau, siehe die Traktoren in Deutschland hihi. Die machen den Verkehr auch flüssiger oder….????

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  • Profilfoto von Uli Hubert
    Uli Hubert, 11.01.2024, 08:28 Uhr

    Guten Morgen, evtl sollte die KI lernen die automatisierte Verkehrsdichtemessung ohne die Mittelspur zwischen Zug und Rotkreuz zu machen. Da tummelt sich alles und meistens unter der Richtgeschwindigkeit.
    Vermutlich läuft es dann besser.

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