Goalie verkörpert die Auferstehung des FCL

Marius Müller: «Letzte Saison hatte ich nicht so viel Freude am Sport»

Er ist der derzeit wahrscheinlich beste Goalie der Super League: Marius Müller vom FC Luzern. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Er kam aus der sportlichen Versenkung in Deutschland, um sich als neue Galionsfigur des FC Luzern zu installieren: Marius Müller hält nicht nur Bälle und Punkte fest. Der 26-Jährige hilft dem Team auch mit seiner Persönlichkeit. Ein Gespräch über Gunst und Geld.

Schweizer Fussball in Zeiten des Coronavirus. Der Meisterschaftsbetrieb wird frühestens am Wochenende des 21./22. März aufgenommen, so denn der Bundesrat will.

Marius Müller scheint das nichts anhaben zu können. Der auf diese Saison hin neuverpflichtete Pfälzer demonstriert Gelassenheit im Umgang mit der Epidemie.

zentralplus: Marius Müller, was heisst es für Sie und ihre Teamkollegen, dass der Meisterschaftsbetrieb wegen des Coronavirus eine unfreiwillige Pause einlegen muss?

Marius Müller: Wir haben überall im Stadion Desinfektionsständer stehen, um uns die Hände zu reinigen. Darüber hinaus verzichten wir Spieler als reine Vorsichtsmassnahme darauf, Hände zu schütteln. Vor allem aber versuchen wir, die Spannung mit Trainingseinheiten und Testspielen hoch zu halten. Damit wir bereit sind, wenn es wieder losgeht. Vor dieser Herausforderung steht ja jeder Super Ligist.

«Weil ich Profi-Fussball auch als Teil der Unterhaltungsindustrie verstehe, will ich den Fans etwas bieten.»

FCL-Goalie Marius Müller

zentralplus: Sie stehen in der Gunst der FCL-Fans ganz oben, weil kein anderer Spieler den Verein so sehr verkörpert wie Sie. Wie fühlt sich diese Wertschätzung für Sie an?

Müller: Natürlich sehr schön. Ich schätze es sehr, dass die Fans und die Leute im Umfeld des Vereins das so empfinden und zeigen. Ich versuche jeden Tag, alles für den Verein zu geben, ganz egal, ob ich nun seit zwei Tagen oder schon zehn Jahren die Klubfarben vertrete. Und ich versuche vom ersten Tag an, mich mit dem Arbeitgeber voll und ganz zu identifizieren. Weil ich Profi-Fussball auch als Teil der Unterhaltungsindustrie verstehe, will ich den Fans etwas bieten.

zentralplus: Und das gelingt am besten mit starken Leistungen, wie Sie sie auch schon in der Vorrunde gezeigt haben.

Müller: Ja, das freut mich extrem. Besonders auch deshalb, weil ich in der letzten Saison nicht so viel Freude am Sport hatte. Diese wurde mir durch meine Reservistenrolle in Leipzig auch ein Stück weit genommen. Darum macht es mir in Luzern gerade doppelt Spass.

zentralplus: Würden Sie soweit gehen zu sagen, dass die schönste Zeit in ihrer bisherigen Karriere angebrochen ist?

Müller: Sportlich auf jeden Fall. Bei Kaiserslautern hats ja immer gebrannt, wenn ich gespielt habe, weil wir ja immer unten drin waren in der Tabelle (schmunzelt). Was ich auf und neben dem Platz mit dem FC Luzern erleben darf, reiht sich sehr weit vorne ein. Es ist definitiv eine sehr schöne Zeit.

«Du lernst, sinnvoller mit deinem Leben umzugehen.»

zentralplus: Sie waren die Nummer 3 bei RB Leipzig in der Bundesliga – und jetzt diese Leistungsexplosion beim FCL. Wie erklären Sie sich das?

Müller: Von meinem Körper und meinen Anlagen her habe ich schon immer an mein Potenzial geglaubt, ganz oben gut mitspielen zu können. Ich war ja damals auch mit Marc-André ter Stegen, Loris Karius und Bernd Leno in Deutschlands U21. Da fehlte mir nicht viel, vielleicht die Erfahrung, aber in den letzten Jahren halt auch die Möglichkeit, auf gutem Niveau zu spielen und Leistung zu erbringen.

zentralplus: Ihr Förderer Gerry Ehrmann sprach bei einer Einschätzung Ihrer Qualitäten von Konzentrationsfehlern, als Sie zum FC Luzern wechselten.

Müller: Wenn es mir damals gelungen wäre, meine Konzentrationsfehler so abzulegen wie heute, hätte ich es bestimmt weiter geschafft in Deutschland. Am Ende habe ich aber aus meinen Fehlern gelernt. Und wenn ich bezüglich Konzentration in jedem Spiel so weiterfahre mit ganz wenigen Fehlern und darüber hinaus noch meinen Teamkollegen helfen kann, dann freut es mich umso mehr, dass ich meine Fähigkeiten in der höchsten Liga eines Landes zeigen kann.

zentralplus: Ist Konzentrationsfähigkeit eine Frage der Reife oder des richtigen Mentaltrainers?

Müller: Konzentrationsfähigkeit setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Sicher gehts um Reife, schliesslich entwickelt sich das Gehirn weiter und du lernst, sinnvoller mit deinem Leben umzugehen. Es ist nicht mehr nur ein Nach-Hause-Kommen und dann an die Playstation und wieder raus. Damit es beim Spiel am Wochenende gut läuft, gehört eine Vorbereitung aufs Training dazu und eine Nachbereitung, Videoanalysen und so weiter. Ich habe gelernt, mich mehr mit dem Job zu beschäftigen. Auf dem Platz kommt dann die Erfahrung und das gute Gefühl dazu. Aber von aussen habe ich mir keine Hilfe geholt. Ich habe mir selber Wege gesucht, um meine Konzentrationsfähigkeit positiv zu beeinflussen.

zentralplus: Und wie geht das?

Müller: Wenn es nach ein paar Minuten ohne Arbeit für mich einen Eckball gegen uns gibt, versuche ich mich daran zu erinnern, wie die letzten zwei, drei gegnerischen Pässe liefen, die dazu führten. Und wenn ich mich daran nicht erinnern kann, weiss ich, dass ich nicht auf dem Platz war.

zentralplus: Und wenn Sie es in dem Moment nicht mehr wissen?

Müller: Das kam bisher zum Glück fast nie vor. Und wenn, dann trieb ich mich sofort wieder selber an. Damit fahre ich ganz gut.

«Ich verdiene lieber ein paar Franken weniger, um dafür langfristig zwei Schritte vorwärts machen zu können.»

zentralplus: Wie kann man sein eigenes Leistungsniveau einschätzen, wenn man wie Sie eine harte Zeit ohne Spielpraxis in Leipzig durchmacht?

Müller: Ich versuchte, in jedem Training 100 Prozent zu geben und in schwierigen Zeiten das Beste für mich herauszuziehen. Die Zeit hat mich geprägt und mir weitergeholfen. In Leipzig schwimmst du auf einem hohen Niveau mit und bei diesem Niveau wirst du automatisch zu Höchstleistungen angetrieben. Sonst kriegst du bei den Mitspielern und deren Qualitäten die Hütte voll und das willst du um jeden Preis vermeiden. Darum war es auf eine gewisse Art ein Selbstläufer, um mein eigenes Leistungsniveau einigermassen genau einschätzen zu können.

zentralplus: Aber nichts geht über Spielpraxis.

Müller: Genau. Darum habe ich das auch nicht länger als eine Saison machen wollen, weil du ja in deiner Karriere weiterkommen willst. Ich hätte mich in Leipzig noch ein, zwei Jahre ausruhen und mehr Geld verdienen und erst noch Prämien mitnehmen können.

zentralplus: Aber das wollten Sie nicht.

Müller: Auch wenn ich in Leipzig ein paar Euro mehr verdient habe als zuvor in Kaiserslautern; mir gibt es mehr, wenn ich Woche für Woche im Wettkampf stehe und damit auch das Interesse der Journalisten wecke. Interviews geben und sich austauschen macht einfach Spass. Und damit geht ja auch die Rückmeldung der eigenen Fans einher. Dafür verdiene ich lieber ein paar Franken weniger, um dafür langfristig zwei Schritte vorwärts machen zu können.

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