Von wegen weiche Matte

Immer mehr Unfälle beim Bouldern – das sind die Gründe

Beim Bouldern passieren offenbar deutlich mehr Unfälle als beim Klettern. (Bild: zvg)

Bouldern, also Klettern auf Absprunghöhe, ist gut für die Gesundheit? Nicht nur. Die Zahl der Unfälle beim seilfreien Klettern steigt markant. Warum ist das so? Auf Spurensuche in Luzern und Zug.

Die Unterarme brennen, die Finger schmerzen. Nur noch dieser letzte Griff. Diesen einen Boulderzug, Füsse setzen, festhalten. Doch die Finger schaffen's nicht, sind müde und halten nicht, der Fuss rutscht, die Schwerkraft macht ihren Job. Sekundenbruchteile später liegt man drei Meter weiter unten, auf der dicken, aber gar nicht mal so weichen Matte. Autsch. Irgendwas mit diesem Finger stimmt ganz und gar nicht. Das Training nimmt ein abruptes Ende.

Bouldern ist kein sanfter Sport. Gerne geht man, insbesondere in der Boulderhalle, wo der Boden mit dicken Matten versehen ist, ans Limit. Versucht sich an Routen, die über dem eigenen Niveau liegen, klettert länger, als es dem eigenen Körper gut täte. Das Resultat: Verletzungen, insbesondere an den Füssen, Unterschenkeln und Knöcheln. Aber auch an Fingern, Händen und Handgelenken, wie die Luzerner Unfallversicherung Suva in einer kürzlich erschienenen Medienmitteilung schreibt.

«Bouldern in der Kletterhalle hat ein höheres Verletzungsrisiko als Seilklettern in der Halle.»

Medienmitteilung der Suva

In dieser schreibt die Suva weiter: «Bouldern in der Kletterhalle hat ein höheres Verletzungsrisiko als Seilklettern in der Halle. Deshalb setzt sich die Suva mit ihrem Präventionsauftrag für die Sensibilisierung ein.» Was der Suva nämlich Kummer bereitet, ist die Tatsache, dass sich die Zahl der Unfälle aufgrund des Bouldersports zwischen 2015 (300 Unfälle) und 2019 (rund 1'000 Unfälle) mehr als verdreifacht hat.

Die Suva-Mediensprecherin für den Bereich Freizeitsicherheit, Natascha Obermayr, sagt dazu: «Wir vermuten, dass sich die Anzahl der Unfälle beim Bouldern durch die wachsende Popularität dieser Sportart erhöht hat. Dazu kommt, dass Bouldern ein Freizeitsport ist, der ohne grosse sportliche Voraussetzungen ausgeführt werden kann.»

So einfach sei es jedoch nicht. Um das Risiko von Verletzungen zu minimieren, seien die Boulderregeln geschaffen worden, beteuert Andrea Lerch, der Vertreter der IG Kletteranlagen Schweiz.

Lerch betreibt die Kletter- und Boulderhalle Pilatus Indoor in Root. Er sagt: «Ein Thema, bei dem wir im Boulderbereich des Pilatus Indoor häufig einschreiten, ist bei der Missachtung des Sturzraumes.» Will heissen: Wenn jemand insbesondere an einer überhängenden Wand klettert, gilt es, einen Bogen um ebendiesen Sturzraum zu machen. «Unfälle kommen aber eher aufgrund von zu wenig Aufwärmen oder zu starker Übermüdung zustande.»

Striktes Einschreiten zahlt sich aus

Lerch weiter: «Wir sind seit jeher bekannt dafür, sehr stark auf die Einhaltung der Verhaltensregeln zu achten, sowohl beim Seilklettern oder Bouldern.» Entsprechend seien die allermeisten Kunden von Pilatus Indoor bereits gut sensibilisiert. «Bei uns hat die Zahl der Unfälle eher abgenommen in den letzten Jahren», sagt Lerch. 

Dennoch gibt er zu bedenken: «In den letzten Jahren sind sowohl in der Region als auch national sehr viele Boulderhallen eröffnet worden. Ich glaube, die Zunahme der Fälle ist viel eher darauf zurückzuführen, dass es deutlich mehr Boulderer gibt als dass die Leute weniger vorsichtig wären.» Zur Veranschaulichung: Während die Boulderhalle CityBoulder in Kriens vor wenigen Jahren stark ausgebaut hat (zentralplus berichtete), entstanden in Ibach (SZ) und in der Stadt Zug kürzlich neue Boulderhallen (zentralplus berichtete).

Die Boulder-Area in Zug: Die blauen Matten sind mittlerweile, wohl aufgrund der Verletzungsgefahr, verschwunden. (Bild: wia)

Wie sich die Zahl der Boulderer konkret entwickelt hat, kann man bei der Suva nicht sagen. Obermayr erklärt auf Anfrage von zentralplus: «Die steigenden Unfallzahlen deuten auf eine Zunahme der Anzahl Bouldererinnen und Boulderer hin. Wie sich diese über die Jahre entwickelten, entzieht sich unserer Kenntnis respektive lässt sich nicht aus der Statistik der Unfallzahlen 1:1 ableiten.»

Zahl der Unfälle beim Seilklettern stagnierend

Gemäss Suva sind es insbesondere Menschen zwischen 25 und 34 Jahren, welche sich beim Bouldern verletzen. Obermayr dazu: «Wir vermuten, dass die meisten aktiven Bouldererinnen und Boulderer in dieser Altersgruppe zu finden sind und sie dadurch auch am meisten von Unfällen betroffen ist.»

Und wie steht der Bouldersport unfalltechnisch im Vergleich zum Seilklettern da? Dazu sagt die Mediensprecherin für Freizeitsicherheit: «In den Jahren 2015 bis 2019 gab es jährlich durchschnittlich 800 Unfälle beim Seilklettern in Kletterhallen. In dieser Sportdisziplin gab es weder eine wesentliche Ab- noch Zunahme der Unfälle.»

Eine Anfrage zur Veränderung der Klettersportunfälle beim Zuger Kantonsspital konnte nicht beantwortet werden. Dies, da die Art der Verletzungen bei Sportunfällen nicht statistisch erfasst werde.

So verhinderst du Unfälle

  • Aufwärmen: Intensives Aufwärmen schützt Muskeln, Bänder und Sehnen. Wähle dafür einen geeigneten geschützten Platz in der Kletterhalle.
  • Sturzraum freihalten: Halte dich nicht unter anderen bereits Bouldernden auf. Lasse keine Gegenstände im Sturzraum liegen. Bouldere nicht zu nahe nebeneinander und übereinander.
  • Spotten (Begriffserklärung: Das Bouldergspändli steht auf der Matte und achtet darauf, dass die Kletternde bei einem Sturz möglichst auf den Füssen landet.): Lass dir das richtige Spotten zeigen. Spotte nur bei Bedarf. Beachte dabei die Gewichtsunterschiede.
  • Abklettern oder Abspringen: Bevorzuge das Abklettern vor dem Abspringen. Benutze gekennzeichnete Ausstiege. Lerne Abspringen und richtig Landen mit geschlossenen Füssen, falls nötig mit Abrollen.
  • Auf Kinder achten: Die Matte ist kein Spielplatz. Nimm deine Aufsichtspflicht Kindern gegenüber wahr. Definiere die individuelle Höhe für deine Kids.
Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung Suva
  • Schriftlicher Austausch mit Natascha Obermayr
  • Telefonat mit Andrea Lerch
  • Schriftlicher Austausch mit dem Zuger Kantonsspital
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