Adligenswiler Kirchgemeinde will Geläut überprüfen

Kirche stellt Glocken nachts nicht ab, weil das Geld fehlt

Die katholische Kirchgemeinde Adligenswil erhält immer wieder Anfragen, ob das nächtliche Geläut nötig sei. (Bild: Katholische Kirchgemeinde Adligenswil)

Die katholische Kirche in Adligenswil prüft, ob das nächtliche Geläut abgestellt werden soll. Eine geplante Glockensperre für 2024 muss der Kirchenrat nun aber streichen – wegen der starken Zunahme von Kirchenaustritten.

Für die einen gehört er zum unverwechselbaren Charakter einer Gemeinde, für andere ist er nervenaufreibende Störung der Nachtruhe – der Glockenschlag der Dorfkirche. Die Kirchgemeinde Adligenswil beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Frage, ob die Glocken nachts abgestellt werden sollten.

Im angebrochenen Jahr 2024 wollte die Kirchgemeinde Adligenswil nun eine Glockenschlagsperre einrichten. «Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder mal Anfragen erhalten von Anwohnern, mit der Frage, ob der nächtliche Glockenschlag nötig sei. Wir haben daher dieses Vorhaben ins Auge gefasst», sagt Monika Koller, Präsidentin der katholischen Kirchgemeinde Adligenswil, auf Anfrage von zentralplus.

Wie nun aber dem kürzlich publizierten Bericht zur Kirchgemeindeversammlung zu entnehmen ist, fällt dieser Plan ins Wasser. An der Versammlung strich der Kirchenrat auf Antrag eines Mitglieds der Kirchgemeinde die Glockenschlagsperre aus dem Budget.

Steuereinnahmen gehen zurück

Tatsächlich fehlt für die Sperre auch Geld. 11’000 Franken hatte die Kirchgemeinde für die Glockenschlagsperre budgetiert. Weil aber, seit Bekanntwerden der Missbrauchsvorfälle in der katholischen Kirche, auch Adligenswil mit einer starken Zunahme von Kirchenaustritten kämpft, fehlen Steuereinnahmen.

Insgesamt plant die Kirchgemeinde für 2024 – gegenüber 2023 – mit Mindereinnahmen von 60’000 Franken. Dies geht aus dem Voranschlag der Kirchgemeinde für das Jahr 2024 hervor. Insgesamt musste die Kirchgemeinde Adligenswil seit Publikation der Missbrauchsstudie im vergangenen September 135 Austritte hinnehmen. Normalerweise sind es gut 50 Austritte pro Jahr. Auch in anderen Kirchgemeinden ist die Austrittswelle massiv (zentralplus berichtete).

«An der Versammlung nehmen wohl meistens die engagiertesten Kirchenmitglieder teil, aber ihre Meinung ist nicht zwingend jene der Mehrheit.»

Monika Koller, Präsidentin der Kirchgemeinde Adligenswil

Der Kirchenrat entschied daher, die 11'000 Franken zurückzuhalten. Statt für eine Glockenschlagsperre will er das Geld nun für andere, dringlichere bauliche Massnahmen aufwenden. Etwa für Reparaturen an der Kirchenfassade. «Uns war es wichtig, dass das Geld nicht einfach gestrichen wird, sondern im Budget offen bleibt. Sodass wir es brauchen können, sollten wir froh darum sein», erklärt Koller.

Versammlung für Geläut

2017 wollte die Kirchgemeinde den Glockenschlag schon einmal zum Verstummen bringen. Dies zwecks einer Vereinheitlichung mit den umliegenden Pfarreien. In den Gemeinden Udligenswil und Meggen – deren Pfarreien zum selben Pastoralraum gehören – sind die Glocken in der Nacht bereits seit einigen Jahren verstummt. Damals lehnte die Versammlung das Vorhaben jedoch deutlich ab. Damals waren jedoch laut Protokoll der Versammlung lediglich 37 von 2381 Stimmberechtigten anwesend.

Auch an der Versammlung von letztem Dezember zeigten sich die Stimmberechtigten in ihren Wortmeldungen eher erleichtert als enttäuscht, dass das nächtliche Geläut zumindest vorerst nicht der Vergangenheit angehört. Wie es im Protokoll der Versammlung heisst, kündigte ein Votant gar an, er wolle eine Petition starten, sollte unnötigerweise eine Glockenschlagsperre eingerichtet werden.

Umfrage und Lärmmessungen geplant

Die Kirchgemeinde will nun eine breit abgestützte Befragung der Bevölkerung und Lärmmessungen in Auftrag geben. «Wir möchten gerne wissen, was der Wunsch der grossen Mehrheit der Bevölkerung ist. An der Versammlung nehmen wohl meistens die engagiertesten Kirchenmitglieder teil, aber ihre Meinung ist nicht zwingend jene der Mehrheit», so Koller. Ausserdem wisse der Kirchenrat gar nicht, wie laut die Kirchenglocken in Adligenswil seien.

Im Umweltgesetz, das Lärmemissionen regelt, ist für Glockengeläut kein Richtwert festgelegt. Bei rechtlichen Auseinandersetzungen in anderen Schweizer Gemeinden wandte das Bundesgericht in der Vergangenheit jedoch gerne den Grenzwert von 60 Dezibel an, der etwa auch für Fluglärm gilt.

«Hoffe, es kehrt Ruhe ein»

Erst wenn die Resultate dieser Messungen und der Umfrage vorlägen, könne man die Diskussion über eine mögliche Glockenschlagsperre weiterführen. Eigentlich könnte der Kirchenrat eigenmächtig darüber entscheiden, wie die Kirchgemeindepräsidentin erklärt. «Das möchten wir aber ganz bewusst nicht, sondern zuerst die Bevölkerung einbinden.» Schliesslich würde der Kirchenrat gerne eine Entscheidung treffen, die nicht am Ende auf Rechtsstreitereien hinauslaufe, so Koller.

Sie hofft nun vor allem, dass sich die Situation bei den Kirchenaustritten wieder normalisiert und die Steuereinnahmen nicht weiter sinken – ob sie nun für eine Glockensperre verwendet werden oder nicht. «Ich hoffe, dass es nun wieder etwas ruhiger wird», sagt Koller. Ruhig zumindest rund um die durch die Missbrauchsstudie losgetretene Austrittswelle. Im Adligenswiler Kirchturm kehrt jedoch vorerst keine Ruhe ein, die Glocken läuten nachts weiterhin.

Verwendete Quellen
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