So reagieren Bauern und Behörden auf das Raubtier

Das passiert, wenn im Kanton Zug ein Wolf auftaucht

Am Mittwoch, 27. April hat eine Frau in Unterägeri vermutlich einen Wolf gesehen. (Bild: flickr)

Stell dir vor, du gehst spazieren und plötzlich steht ein grosses Tier vor dir. Bei genauer Betrachtung stellst du fest, es handelt sich wohl um einen Wolf! Was löst deine Sichtung bei Behörden und Bäuerinnen in der Region aus?

Dem Wolf scheint es im Kanton Zug gut zu gefallen. Am 11. April zeigte sich ein Tier in Oberägeri im Raum Höhronen/Gutschwald vor einer Kamera. Durch deren Bilder konnten die Verantwortlichen eindeutig davon ausgehen, dass dieses Tier tatsächlich ein Wolf ist. Der Kanton Zug sendete daher eine Warn-SMS an die Tierhalter (zentralplus berichtete).

Diesen Mittwoch meldete eine Frau – nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt – in Unterägeri eine Sichtung. Sie teilte ihre Beobachtung in der Facebook-Gruppe «Zuger helfen Zugern» und auch die Behörden wurden informiert (zentralplus berichtete).

Was passiert, wenn du eine Wolfssichtung meldest?

Wenn du einen Wolf siehst, kannst du deine Beobachtungen an das Amt für Wald und Wild melden. Falls der Wolf sich dir nicht zu Büroöffnungszeiten zeigt, kannst du auch die Polizei anrufen. Wie es dann weitergeht, erklärt uns der Zuger Martin Ziegler, Amtsleiter Bereich Wald.

«Die Wildhut nimmt mit der Melderin, dem Melder Kontakt auf und versucht im Gespräch eine Einschätzung vorzunehmen, ob es sich um einen Wolf oder eventuell um ein anderes Tier gehandelt hat.»

«Seit sich 2012 in der Schweiz das erste Rudel gebildet hat, ist der Wolfsbestand um das Achtfache angewachsen.»

Bundesamt für Umwelt

Falls es wirklich kein Waschbär, Hund oder Goldschakal gewesen sein kann, rückt die Wildhut an die Stelle aus, an der du den Wolf gesehen hast. «Je nach Ort sucht der Wildhüter die Gegend nach weiteren Spuren ab wie Trittsiegel oder Kot», erklärt Ziegler. Danach wird deine Wolfssichtung in eine der drei Kategorien eingeteilt.

1: Gesicherte Nachweise: Totfund, Fotobeleg, genetischer Nachweis.

2: Wahrscheinliche Nachweise: Von Mitarbeitern des Amtes überprüfte und bestätigte Hinweise wie Risse von Nutz- und Wildtieren, Kotfunde oder Trittsiegel.

3: Hinweise: Meldungen zu Rissen, Kotfunden, Trittsiegel, Sichtbeobachtungen, Lautäusserungen oder Ähnliches, das nicht bestätigt oder überprüft werden kann.

Warnung an die Nutztierhalterinnen

Wird deine Sichtung in 1 oder 2 eingestuft, geht ein Warn-SMS an die Nutztierhalter. Wie das ist, wenn das Handy piepst, kann Edith Henggeler aus eigener Erfahrung sagen. Ihre Familie betreibt den «Naturnöch»-Hof in Unterägeri und hat unter anderem Hühner, Schafe und Ziegen. «Am Anfang konnten wir nach dem SMS kaum noch schlafen. Unterdessen sind wir uns schon fast gewohnt, dass ab und zu ein Wolf-SMS eintrudelt. Seltsam ist es trotzdem»

«Wir können nicht mehr viel machen, unsere Zäune sind schon auf das Maximum erhöht.»

Edith Henggeler

Der Warndienst gibt den Nutztierhalterinnen sozusagen einen Wolfs-Vorsprung, «damit zur Schadenprävention allfällige Herdenschutzmassnahmen ergriffen werden können», erklärt Ziegler.

Auf dem Naturnöch-Hof können die Verantwortlichen nicht mehr viel unternehmen, wenn eine Warnung kommt. «Es ist immer eine seltsame Situation. Wir können nicht mehr viel machen, unsere Zäune sind schon auf das Maximum erhöht», sagt Edith Henggeler.

Es wird wohl immer mehr Wölfe geben

Der Wolfsbestand hat sich in der Schweiz deutlich erhöht. Das Bundesamt für Umwelt schreibt: «Seit sich 2012 in der Schweiz das erste Rudel gebildet hat, ist der Wolfsbestand um das Achtfache angewachsen.»

Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen sich auf diese Zahlen einstellen. Das sagt auch Martin Ziegler: «Aufgrund der Entwicklung des Wolfsbestandes in der Schweiz ist es sicher sinnvoll, wenn sich Nutztierhalter darauf einstellen, dass vor allem im ländlichen Raum ein Wolf auftauchen kann.»

Er empfiehlt die Herdenschutzmassnahmen zu prüfen und zu optimieren. «Der Umgang mit Wölfen ist einerseits in der «Eidgenössischen Jagdverordnung», anderseits im «Konzept Wolf Schweiz» und im «Konzept Wolf ZG» des Kantons Zug geregelt. Solange der Wolf keinen Schaden anrichtet, sind keine weiteren Schritte vorgesehen», sagt Ziegler.

Wölfe verletzen und töten jährlich zwischen 300 und 500 Nutztiere

Mitte der 1990er-Jahre kehrte der Wolf in die Schweiz zurück. Unterdessen leben rund 80 Wölfe in der Schweiz. Laut Bundesamt für Umwelt verletzen und töten diese Wölfe jährlich 300 bis 500 Schafe und Ziegen. «Betroffen sind auch Herden, die von Zäunen oder Hunden beschützt werden, denn Wölfe können lernen, Schutzmassnahmen zu umgehen», schreibt das Bundesamt für Umwelt. Ein mehrfaches der Wolfsrisse stürzen jedoch auf unbewachten Alpen zu Tode.

Das Problem ist aus Sicht von Edith Henggeler nicht, dass der Wolf ab und zu ein Tier reisst. «Das Problem ist, dass der Wolf mehrere Tiere verletzt und eben nicht nur ein einzelnes Schaf nimmt.» Ein Wolf verletze und töte viel mehr Tiere, als er am Ende wirklich fresse.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Edith Heggeler, Hof Naturnöch
  • Website Bundesamt für Umwelt
  • Telefonat und schriftlicher Austausch mit Martin Ziegler, Amt für Wald und Wild ZG
  • Lagebulletin Kanton Zug
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Celine Müller
    Celine Müller, 29.04.2022, 14:24 Uhr

    Gemäss der Gruppe Wolf leben in der Schweiz derzeit etwa 150 Wölfe in rund 16 Wolfsrudeln, davon sieben grenzüberschreitend mit Italien und Frankreich. Ende März wurden in Immensee drei Schafe gerissen. Noch in der selben Nacht hat man einen überfahrenen Wolf auf dem Trasse der SBB-Strecke Luzern–Goldau im Bereich Immensee gefunden. Der Wolf wird also früher oder später auch in der Zentralschweiz heimisch werden. Dass der Herdenschutz funktioniert, zeigt, dass Pro Wolf stetig weniger Nutztiere gerissen werden. Da wird auch Edith Henggeler aktiv werden müssen.

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  • Profilfoto von Daniela Uebersax
    Daniela Uebersax, 29.04.2022, 09:53 Uhr

    In der Schweiz sömmern über 200’000 Schafe in den Alpen. Jedes Jahr werden in der Schweiz insgesamt über 250’000 Schafe geschlachtet. Dem gegenüber reissen Wölfe in der Schweiz jährlich rund 200 bis 300 Nutztiere, also gerade mal ein Promille der getöteten Schafe. Zehnmal mehr sterben durch Abstürze oder mangelhafte Aufsicht der Hirten. Es gilt daher, die Relationen zu wahren. Denn dass der Wolf sehr viel bringt, gerade für die Ökologie und den Wald, ist bekannt. Nicht umsonst sind Bündner Förster für den Wolf.

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    • Profilfoto von Wolf gang!
      Wolf gang!, 29.04.2022, 12:21 Uhr

      Was fehlte denn der Biodiversität, als der Wolf abwesend war? Gar nichts. Er ist auch heute kein Gewinn, sondern romantische Projektion von Stadtbewohnern und anderen Grünen.

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      • Profilfoto von Alois Iten
        Alois Iten, 29.04.2022, 13:40 Uhr

        Wo steht denn etwas von Biodiversität? So wie ich das verstehe, geht es darum, dass wir in unseren Wäldern viel zu viel Rotwild haben, das den Bestand der jungen Bäume gefährdet. Sagen zumindest alle. Daher begrüsse ich als Aegerer und nicht-Städter den Wolf hier.

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