Er macht einen Stucki oder Reichmuth fit

Quälgeist und Vertrauensperson der Spitzenschwinger

Tommy Herzog in seiner Trainingshalle in Gunzwil: Mindestens zwei Mal pro Woche trainiert er hier mit seinen 13 Schwingern.

(Bild: ain)

Die Stuckis, Reichmuths und Gloggners geben sich die Türe zu seiner Trainingshalle in die Hand: Denn ihr persönlicher Trainer Tommy Herzog macht aus den «Bösen» Sägemehltitanen. Am «Eidgenössischen» in Zug wird er gleich mehrere Eisen im Feuer haben und erst noch aus drei verschiedenen Verbänden.

Die Halle ist gross, um die 600 Quadratmeter. Ein paar Stufenbarren stehen herum, Medizinbälle von verschiedener Grösse und Gewicht, schön sortiert an den Wänden, jede Menge Hanteln und Gewichte. An einer weiteren Wand steht ein riesiger Reifen eines Bulldozers. Eine andere Ecke für Widmungen an den Inhaber reserviert. Die Spitzensportler bedanken sich mit Bildern, Worten und Dresses.

Man merkt schnell: Diese Halle hier ist kein gewöhnliches Trainingscenter. Weil Maschinen zur Kräftigung einzelner Körperteile gänzlich fehlen. «Ich kümmere mich selber um jeden Sportler und vereinzelt Privatpersonen», sagt der 42-jährige Tommy Herzog. «Und weil ich hier kein Aufsehen erregen will, ist die Halle auch nirgends ausgeschildert.» Nicht mal angeschrieben ist sie.

Unternehmen wächst mit Erfolgen der Athleten

Seine Klientel findet den Quälgeist. Pardon: ihren Schleifer, ihren Fitmacher. Gerade die Schwinger scheinen immer mehr auf die Kompetenz von Herzog zu setzen. Mit Unspunnen-Sieger Christian Stucki und Pirmin Reichmuth, der heuer drei Kantonalfeste gewonnen hat, sind auch zwei der grossen Favoriten auf den Sieg am Eidgenössischen 2019 in Zug darunter. «Als ich vor zehn Jahren angefangen habe, hatte ich einen Trainingsraum, der so gross war wie dieser Bereich mit dem Holzboden», zeigt Herzog auf einen rund 30 Quadratmeter grossen Bereich seiner Halle.

Mit den Erfolgen seiner Athleten in verschiedenen Sportarten ist über Mund-zu-Mund-Propaganda sein Unternehmen gewachsen. Mittlerweile hat er 13 Schwinger unter seinen Fittichen, neben dem Berner Stucki auch die Innerschweizer Brüder Pirmin, Roli und Marco Reichmuth, die Gloggner-Brüder Reto und Philipp sowie die Nordwestschweizer Joel Strebel und Michi Bächli, um nur ein paar davon zu nennen.

 

Herzog-Schwinger gehen ins Trainingslager

Schwinger aus drei verschiedenen Verbänden – wie kann das bloss gut gehen mit seiner Betreuung der Konkurrenten am Eidgenössischen?

Zu dieser speziellen Herausforderung sagt Herzog: «Wir haben hier ein offenes Verhältnis untereinander.» Und ergänzt, dass er der Überzeugung sei, den Menschenschlag anzuziehen, den er selber verkörpere. «Ende Juli werden alle Schwinger, die mit mir trainieren, für ein paar Tage in ein Trainingslager ins Wallis mitkommen.» Und das macht man kaum, wenn man nicht miteinander umgehen kann.

«Bei einem Pirmin Reichmuth reicht ein Telefongespräch vor einem Wettkampf, und dann ist er fokussiert.»

Fitnesscoach Tommy Herzog

Am Eidgenössischen wird Herzog seine Schwinger im Athletendorf betreuen. Sein Konzept ist ein einfaches: «Ich bin für alle da, die meine Unterstützung benötigen. Wer will, kommt einfach vorbei.»

Er erkennt sofort, wie sich der Athlet fühlt

Dieses Bedürfnis ist so individuell wie der Charakter eines Menschen. «Bei einem Pirmin Reichmuth reicht ein Telefongespräch am Tag vor einem Wettkampf», erzählt Herzog, «und dann ist er fokussiert. Andere benötigen mehr den direkten Austausch an einem Wettkampf.» Darum war er heuer schon am Emmentalischen, am Zuger und am Aargauer Kantonalfest vor Ort.

Für viele ist Herzog nicht mehr bloss der Schleifer, sondern längst eine Vertrauensperson geworden. «Das ist sicher so», gibt er zu. «Wenn die Türe zu meiner Trainingshalle aufgeht, erkenne ich bei einem Athleten sofort, was für Wetter ist. Im Training merkst du, was im Privat- oder Berufsleben des Sportlers läuft. Und es ist wichtig, darüber zu reden. Um auch zu wissen, ob man das Training auf die Situation anpassen muss.»

«Ich muss die Athleten kennenlernen, damit ich sie weiterbringen kann.»

Deshalb macht er keine Fernbetreuung von Athleten. «Trainingspläne kann man im Internet herunterladen. Ich muss die Athleten kennenlernen, damit ich sie weiterbringen kann», begründet Herzog seine Philosophie.

An der Spitze wird es schwierig ohne Krafttraining

Dreimal pro Woche trainieren seine «Bösen» im Schwingkeller. Dazu noch «zwei bis drei Mal mit mir», so Herzog. Eine Trainingseinheit bei ihm in Gunzwil dauert in der Regel anderthalb Stunden. Dabei steht, wie beim Schwingen, in erster Linie die Schnellkraft im Vordergrund.

«Im Schwingen ist auch die Erholung zentral. Das kann zum Beispiel mittels Massage geschehen. Dazu ist mir wichtig, dass die Schwinger ihr privates Umfeld pflegen, ihre Familie. Das Umfeld spielt eine zentrale Rolle, um erfolgreich sein zu können», weiss der Familienvater von drei Buben.

Er ist der Überzeugung, dass man im Schwingsport des 21. Jahrhunderts ohne zusätzliches Kraft- und Ausdauertraining nur noch «in Ausnahmefällen» an der absoluten Spitze mitmischen kann. «Es reicht meistens nicht mehr zu behaupten, dass die tägliche Arbeit auf dem Bau oder auf dem Bauernhof das Krafttraining ersetze», sagt er und ergänzt, dass ein Geni Hasler in den 1980er- und ein Jörg Abderhalden in den 1990er-Jahren die Entwicklung hin zu professionellem Athletiktraining eingeleitet hätten.

Offener Umgang mit eigener Dopinggeschichte

Dass es sein aufstrebendes Unternehmen überhaupt gibt, bezeichnet Herzog selber als «verrückte Geschichte». Zwar war er in jungen Jahren selber Kranzschwinger und kennt darum das Denken und Metier seiner Athleten. Aber eine schwere Knieverletzung zu einem frühen Zeitpunkt der Karriere zwang den gelernten Forstwart und Zimmermann zum Umsatteln auf eine andere Sportart.

«Vielleicht muss man als Mensch im Dreck knien, bevor man sich ändert.»

So kam Herzog zum Bobsport. Er holte 2007 als Anschieber im Zweierbob von Ivo Rüegg WM-Silber. Doch im darauffolgenden Jahr blieb er in der Dopingkontrolle hängen. «Mir hat es den Boden unter den Füssen weggezogen. Vielleicht muss man als Mensch im Dreck knien, bevor man sich ändert», sagt er.

Seine Dopingvergangenheit sei wohl die ungünstigste Basis für selbstständige Trainerarbeit gewesen, machte er sich nichts vor. Auf gutem Weg ist er trotzdem, weil er offen mit diesem Kapitel umgeht. «Ich erzähle es jedem, der mich danach fragt. Und wer mit mir arbeiten will, dem sage ich es, bevor wir beginnen. Ich lebe vom Vertrauen, das mir die Athleten entgegenbringen.»

Bis jetzt hat das ganz gut geklappt. Vielleicht geht ja ab September bald ein König in seiner Trainingshalle ein und aus.

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