Noah, Jesus und Judas über das Telefon? Genau diesen Dienst bietet die «Telebibel» ihren Nutzern. Oft belächelt, erfreut sich das Angebot allerdings konstanter Nachfrage – und trifft einen Nerv der Zeit.
«Liebe Hörerin, Lieber Hörer. Jesus ruft auch uns in seine Nachfolge, so wie wir sind. Freuen wir uns darüber.» Diese Worte gibt die Stimme der Telebibel dem Hörer am heutigen Tag mit auf seinen Weg und lässt ihn in seinen Gedanken allein.
Die Telebibel ist ein seelsorgerischer Dienst, der den Menschen das Wort Gottes zugänglich machen will. Vertreter der drei Landeskirchen, der römisch-katholischen, der evangelisch-reformierten und der christkatholischen Kirche, lesen der Bevölkerung täglich eine Glaubensbotschaft vor. Das Angebot ist kaum bekannt, trotzdem gibt es im Raum Luzern eine erstaunlich treue Hörerschaft. Rund 14’000 Mal wird die Telebibel pro Jahr aufgerufen.
Botschaft soll zum Denken anregen
Die Wahl der Texte sei soweit frei, erklärt Yvonne Lehmann, Diakonin der Reformierten Kirche der Stadt Luzern und Leiterin der Telebibel. Es sei allerdings ein Anliegen der Telebibel, den Hörerinnen und Hörern Tiefgang zu bieten. Telebibel als tägliches Ritual «Ein Kommentar zu einem religiösen Thema ist auf jeden Fall ein grosses Bedürfnis», sagt Lehmann.
Ganz unterschiedliche Menschen nutzen das Angebot. «Letztens begegnete ich einem jungen Mann, der mir offenbarte, die Telebibel sei zu seinem täglichen Ritual geworden. Dies war überraschend für mich und hätte ich so nie erwartet», sagt Lehmann.
«Die Telebibel wurde öfters belächelt. Mit unseren stabilen Nutzerzahlen beweisen wir aber genau das Gegenteil.»
Yvonne Lehmann, Diakonin
Bereits 27 Jahre gibt es die Telebibel in Luzern. Die Hörerzahlen sind in den letzten Jahren stabil geblieben. Seit 2013 besteht das Angebot zudem online und dies sei ein Erfolgsmodell, sagt Lehmann. «Die Telebibel wurde öfters belächelt und das Angebot entspreche nicht den Bedürfnissen der heutigen Zeit. Mit unseren stabilen Nutzerzahlen beweisen wir aber genau das Gegenteil.»
Religion verliert an Bedeutung
Interessanterweise verzeichnet die Telebibel stabile Zahlen, während die Zugehörigkeit zu einer Konfession allgemein an Bedeutung verliert. Gemäss einer Erhebung der kantonalen Statistikstelle Lustat stieg der Anteil der Konfessionslosen von 1990 bis 2012 um über 10 Prozent auf 14 Prozent. Auch in der Stadt Luzern kämpfen die Kirchen mit Mitgliederschwund. So verzeichnete die reformierte Kirche 2014 rund 350 und die römisch-katholische rund 1’500 Austritte.
Durch das Bevölkerungswachstum kann dieser Verlust von den Kirchen teilweise aufgefangen werden. Ob die Telebibel wirklich ein Gegengewicht schaffen kann, ist fraglich. Nichtsdestotrotz ist Lehmann überzeugt, dass gerade auch die anonyme Nutzung online und am Telefon Vorteile mit sich bringt. «So können Schwellenängste von Menschen überwunden werden, die Mühe haben, ihren Glauben öffentlich zu leben.» Die Telebibel stelle hierzu ein ergänzendes seelsorgerisches Angebot dar.
Bedürfnis nach Spiritualität ungebrochen
Während Bibeltexte ein eher trockenes Image haben, boomen momentan alternative Glaubensmethoden wie Meditation, Pilgerfahrten oder Fokussierung auf Heilige. Für Lehmann ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit biblischen Texten allerdings notwendig, um die Bibel überhaupt verstehen zu können. «Die Telebibel soll ein alltagstaugliches Instrument sein, das ermöglicht, auch spirituelle Erfahrungen machen zu können.»
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