Keine neuen Massnahmen für Gleichberechtigung

Zuger Kantonsrat lehnt Bittschrift des Frauenstreik-Komitees ab

Im Anschluss an den Frauentreik vom Juni 2019 in Zug gelangten die Streikenden mit einer Bittschift an den Kantonsrat. (Bild: zvg)

Die Vertretung von Frauen in Politik und Wirtschaft sollte verbessert, Lohngleichheit und Schutz vor sexueller Gewalt erlangt und Betreuungsarbeit aufgwertet werden. Eine Mehrheit der Zuger Kantonsräte ist aber gegen eine entsprechende Petition – und wird von links harsch kritisiert.

Keine Gnade erlebte am Donnerstag das Manifest, welches das Organisationskomitee des Zuger Frauenstreiks vom vergangenen Juni beim Kantonsparlament als Bittschrift eingereicht hatte. Mit 53 zu 11 Stimmen wurde die Petition abgelehnt. Einzig die SP-Fraktion hatte sie für erheblich erklären wollen. Die Alternative – die Grünen waren dafür, dass die wichtigen Punkte weiterverfolgt werden.

Im Manifest waren konkrete Massnahmen im Kanton Zug gefordert worden, damit das Gleichstellungsgesetz griffig umgesetzt wird. Namentlich eine faire Gestaltung der Wahllisten, um die Chancengleichheit von Frauen und Männern bei Wahlen zu verbessern und eine ausgewogene Zusammensetzung der Geschlechter im Parlament und in der Exekutive zu erreichen.

Unternehmen sollten dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter zu verbessern und den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen.

Ungleiche Löhne führen zu weiblichen Working Poor

Mit einer bedarfsgerechten und einheitlichen Subventionierung der Elterntarife könnte die Politik dafür sorgen, dass Kinderbetreuungskosten für alle Familien bezahlbar werden, fanden die Frauenstreikenden.

Lohngleichheit wurde eingefordert, weil Frauen laut Manifest durchschnittlich 20 Prozent niedrigere Löhne haben und die Renten von Frauen 37 Prozent unter denen der Männer liegen.

«Bei vielen Forderungen stehen schlicht einzelne Gruppierungen oder Politiker in der Verantwortung.»

Thomas Werner (SVP), Oberägeri, JPK-Präsident

Diese systematische Unterbezahlung führe zu prekären Lebensbedingungen, weshalb die Frauen in der Gruppe der Working Poor deutlich übervertreten seien. Auch brauche es die Einführung eines kantonalen Mindestlohnes.

Der Bund ist zuständig

Sexuelle Belästigungen sollen durch verschiedene Massnahmen vorbeugend verhindert werden. Schliesslich solle die Betreuungsarbeit mehr Wertschätzung erfahren und besser entschädigt werden, weil die nichtbezahlte Betreuungsarbeit heute oft zu weniger Beförderungen, tieferen Löhnen und tieferen Renten der Frauen führe.

«Es ist anmassend, im Namen aller Frauen sprechen zu wollen.»

Tom Magnusson (FDP), Menzingen

Für die Justizprüfungskommission setze ein Teil der Forderungen voraus, dass Bundesrecht geändert werde, wie ihr Präsident Thomas Werner (SVP) sagte. Teilweise seien geforderte Massnahmen bereits erfüllt. So sieht die JPK mit der Wahl von Manuela Weichelt (ALG) in den Nationalrat die Forderung nach einer Zuger Frauenvertretung in den Eidgenössichen Räten als erfüllt an. Bei gewissen Forderungen sieht die JPK laut Werner «schlicht einzelne politischen Gruppierungen oder Politiker in der Verantwortung».

Gendersternchen gegen Businessspeech

Die SVP machte nicht viel Aufhebens um das Manifest, schloss sich einfach der Haltung der JPK an. Gleich wie die FDP, die aber durch Fraktionssprecher Tom Magnusson scharfe Worte fand. Der Menzinger störte sich stark an der Wortwahl und den Gendersternchen im Manifest. Dies sei «übergriffig». Und «anmassend» sei es, im Namen aller Frauen sprechen zu wollen.

«Lohngleichheit und Flexibilität erachten wir als zentral.»

Laura Dittli (CVP), Oberägeri

Dass er grundsätzlich nichts gegen Teilzeit-Arbeit, «gleichen Lohn für  gleichwertige Arbeit» und die Ertüchtigung von Frauen hat, liess er durchblicken, indem er Forderungen des Frauennetzwerks Business and Professional Women wiedergab. Die sind mit Denglisch durchsetzt und im Wirtschaftsslang gehalten.

Selber anpacken statt fordern

Ebenso grundsätzliches Wohlwollen gegenüber den Anliegen äusserte CVP-Präsidentin Laura Dittli und bedankte sich bei den Petitionärinnen für ihr Engagement. «Lohngleichheit und Flexibilität erachten wir als zentral», sagte die Oberägererin. Vieles an der Genderproblematik sei indes auch eine Generationenfrage.

«Eine verbindliche Lohncharta und eine Gleichstellungskommission bleiben wichtige Forderungen.»

Anna Spescha (SP), Zug

Junge Frauen würden sich viel selbstverständlicher etwa in der Politik engagieren, dies zeige sich in ihrer Partei. Da auch die CVP der Ansicht war, dass viele der geforderten Massnahmen bereits erfüllt sind oder Bundesrecht betreffen, war sie gegen eine Erheblicherklärung.

Missachtung der Frauen

«Wir machen doch so viel. Wir müssen und wollen sicher nicht mehr machen», sei die Haltung der Regierung und der JPK, sagte SP-Kantonsrätin Anna Spescha, die zu den Organisatorinnen des Frauenstreiks gehört. Dies kritisiert sie – und die Tatsache, dass man sich mit einer Antwort auf die Bittschrift ein Dreivierteljahr Zeit gelassen hat. «Damit missachten sie die vielen Frauen, die für diese und andere Anliegen auf der Strasse waren.»

Das Manifest wolle kein starrer Forderungskatalog sein, «sondern wichtige Handlungsfelder aufzeigen, um endlich Gleichstellung zu erlangen.» Die konkreten Massnahmen solle der Kanton, wo es ihm möglich ist, ausarbeiten. «Die Einführung einer verbindlichen Lohncharta und die Wiedereinführung der Gleichstellungskommission bleiben wichtige Forderungen», so Spescha.

Wo bleibt die Begründung?

Gleich sieht dies Tabea Zimmernann-Gibson, Fraktionssprecherin der Alternative – die Grünen. Sie erinnert daran, dass das Bundesgericht «die verfassungs- und völkerrechtliche Verpflichtung von Bund, Kantonen und Gemeinden zum Erlass von Gleichstellungsmassnahmen bekräftigt habe».

«Die Alternative – die Grünen stellen mit Bedauern eine stark abwehrende Haltung fest.»

Tabea Zimmermann Gibson (ALG), Zug

Die Behauptung  der JPK , dass zur Wiedereinführung der Gleichstellungskommission keine Notwendigkeit bestehe,  kann sie nicht nachvollziehen – zumal auch keine Gründe für diese Schlussfolgerung geliefert würden.

«Schlechtes Zeugnis»

«Die Alternative – die Grünen stellen mit Bedauern fest, dass aus dem Bericht und Antrag der JPK eine stark abwehrende Haltung erkennbar ist, welche nichts, aber auch gar nichts dazu beiträgt, die Zeit bis zur Erreichung der Gleichstellung von Frau und Mann zu verkürzen», wetterte Zimmermann Gibson.

Im Bericht stehe, dass sich die Volkswirtschaftdirektion schon seit Jahrzehnten für eine gute Versorgung mit familienergänzenden Kinderbetreuungsangeboten einsetze. «Es ist ein schlechtes Zeugnis, wenn man dies schon seit Jahrzehnten macht und das Resultat immer noch zu wünschen lässt», so die Stadtzugerin.

Gespannt wartet Tabea Zimmermann Gibson «auf die erste Lohngleichheitsanalyse, welche der Regierungsrat dank der Änderung des nationalen Gleichstellungsgesetzes bis Ende 2021 durchführen muss».

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